Rede von
Dr.
Luise
Rehling
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Gestatten Sie mir ein paar kurze Bemerkungen zu den Etatspositionen, die zur Förderung der kulturellen Angelegenheiten eingesetzt sind. Ich möchte mich zunächst auf Kap. 2 Tit. 29, Förderung des europäischen Gedankens, beziehen. Seit dem Bestehen der Bundesrepublik ist die Arbeit der Regierungskoalition darauf ausgerichtet worden, eine Völkerverständigung und -versöhnung herbeizuführen und ihr zu dienen. Als Ziel haben wir uns gesetzt, an der friedlichen Einigung der europäischen Nationen mitzuwirken. Daher sind wir auch so besonders gerade an diesem Titel „Förderung des europäischen Gedankens" interessiert. Es ist doch ganz gewiß so, daß dieses vereinte Europa nicht in erster Linie durch den Abschluß von Verträgen geschaffen wird, sondern durch die Herstellung der persönlichen Beziehungen von Mensch zu Mensch und durch einen möglichst weitgehenden Austausch gerade auch junger Menschen der europäischen Nationen. Denn das wissen wir alle: wir Älteren haben noch in einem ganz bestimmten Umfange Ressentiments aus der Vergangenheit zu überwinden, die bei der Jugend nicht vorhanden sind, und deswegen ist es so besonders wichtig, daß
gerade den Jugendlichen die Möglichkeit gegeben wird, mit Vertretern anderer Nationen zusammenzutreffen.
Für die Förderung des europäischen Gedankens sind im Haushaltsplan 100 000 DM eingesetzt. Dieser Betrag scheint mir wesentlich zu niedrig zu sein. Es ist zwar die verheißungsvolle Bemerkung hinzugefügt: „Die Mittel dürfen bis zur Höhe der Einnahmen bei Kap. 2 Tit. 12 überschritten werden." Aber wenn Sie zurückblättern und bei diesem Titel nachsehen, so werden Sie feststellen, daß sowohl für das Jahr 1950 wie auch für 1951 hier nur ein Strich steht, und das ist etwas wenig.
Auch mit diesen 100 000 DM ist nicht viel zu machen, wenn mir auch sehr wohl bekannt ist, daß in den einzelnen Ländern noch Mittel für den Austausch Jugendlicher zur Verfügung gestellt werden. Die wechselseitigen Besuche von Jugendgruppen haben recht gute Ergebnisse gezeitigt — manche Vorurteile und Mißverständnisse wurden ausgeräumt —, aber sie blieben bisher doch auf einen relativ kleinen Kreis beschränkt. Ich möchte dies besonders hervorheben, weil wir gerade im Ausschuß für kulturelle und wissenschaftliche Fragen im Europarat immer erneut betont haben, wir legten größten Wert darauf, daß Jugendliche der verschiedensten Berufsgruppen und sozialen Schichten an dem Austausch beteiligt werden. Ich würde es daher sehr begrüßen, wenn der Haushaltsausschuß eine Möglichkeit sähe, im Nachtragshaushalt diese Position zu erhöhen.
Ganz besonders erfreut haben meine Parteifreunde es vermerkt, daß sich das Bundesinnenministerium im Juli bereit erklärte, unter bestimmten Voraussetzungen die Betreuung der Schüler der höheren Schulen und Fachschulen zu über) nehmen, die aus der sowjetischen Besatzungszone und dem sowjetischen Sektor von Berlin verdrängt sind, weil sie entweder aus politischen Gründen flüchten mußten oder aber durch behördliche Verfügung vom weiteren Besuch ihrer bisherigen Lehranstalten ausgeschlossen wurden. Sie würden, falls hier das Bundesinnenministerium nicht einträte, zum größten Teil nicht in der Lage sein, ihre Ausbildung zu vollenden, die einmal die Voraussetzung sein soll für die Existenz, die sie sich im Leben schaffen wollen. Ich glaube, mit wenigen Ausnahmen wird das Haus sich mit warmer Befürwortung hinter diese Arbeit des Bundesinnenministeriums stellen.
Daß der Zuschuß für die Studienstiftung des deutschen Volkes mit 150 000 DM in Kap. 2 Tit. 26 auch vom Haushaltsausschuß nicht als ausreichend betrachtet wird, habe ich den Ausführungen des Herrn Berichterstatters mit Befriedigung entnommen. Jeder von uns, der einmal versucht hat, wirklich hervorragend begabte junge Menschen in die Studienstiftung hineinzubringen, wird etwas zu sagen wissen von den Schwierigkeiten, die zu überwinden waren und von vielen, leider vergeblichen Bemühungen. Es ist doch bisher so gewesen, daß es nicht einmal möglich war, alle mit dem Prädikat „ausgezeichnet" Beurteilten in den Genuß der Studienstiftung zu bringen. Wenn es gelänge, diese Position wesentlich zu erhöhen, so würden wir nicht nur nach der sozialen Seite hin etwas sehr Beachtliches tun, sondern auch eine Maßnahme unterstützen, die sich ganz bestimmt nur zum Besten unseres gesamten Volkes auswirken kann.
Auf dem Gebiete der Erziehung — das möchte ich nicht unerwähnt lassen -- droht dadurch eine ernste Gefahr, daß wegen des Mangels an geeigneten Kräften der Lehrernachwuchs vor allem auch für die Volksschulen sehr gefährdet ist. Die Besoldung, insbesondere die der Junglehrer, ist so völlig unzureichend, daß man hierüber überhaupt nicht zu reden braucht. Die Folge ist, daß die Zahl der Anmeldungen an den Pädagogischen Akademien beständig zurückgeht. Wenn man nun aber eines Tages vor der Tatsache stehen sollte, daß man zwar in der Lage ist, die Klassenfrequenz herabzusetzen, aber nicht genügend Lehrkräfte hat, dann würde ein Notstand nur von einem anderen abgelöst werden. Wenn ich auch anerkennen will, daß eine kleine Erleichterung durch die in Aussicht genommene Erhöhung der Gehälter bevorsteht, so möchte ich doch die Herren und Damen aus dem Beamtenrechtsausschuß bitten, bei der bevorstehenden Besoldungsreform auf diesen Umstand besonders Rücksicht zu nehmen. Ich meine, wir sollten es auf alle Fälle vermeiden, den Anschein zu erwecken, als würde geistige Arbeit etwa unterbewertet.
Zum Schluß möchte ich noch kurz ein ernstes Anliegen meiner Fraktion vortragen, das unserer Sorge um die heranwachsende Jugend entspringt. Wir haben zwar seit 1945 manche Erfolge bei dem Bemühen zu verzeichnen, der materiellen Katastrophe, in die unser Volk gestürzt wurde, Herr zu werden, stecken aber in bezug auf die mindestens ebenso dringende Beseitigung der Nöte, die aus der geistig-seelischen und sittlichen Katastrophe erwachsen, noch vollkommen in den Anfängen. Immer wieder bekommen wir Zuschriften aus Kreisen der Eltern, Erzieher und der in der Jugendarbeit Tätigen, die danach fragen, wann nun endlich einmal etwas aus dem schon des öfteren diskutierten Gesetz über den Vertrieb jugendgefährdender Schriften würde.
Ich möchte von vornherein sagen, daß man diese Frage nicht immer nach der Methode der SchwarzWeiß-Malerei behandeln und ohne weiteres unterstellen sollte, daß wir unsererseits die Absicht hätten, die Arbeit der freischaffenden Künstler ungebührlich einzuengen. Es gibt hier wie auch bei vielen anderen Dingen zwischen Schwarz und Weiß eine gute Mitte, auf der man sich finden könnte. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß man nicht, wie das in unserem Volke des öfteren geschieht, Freiheit mit Bindungslosigkeit gleichsetzen darf. Nach unserer Auffassung hat nur derjenige einen legitimen Anspruch auf Freiheit, der in seinem Leben und Wirken zum Ausdruck bringt, daß er sich selbst in Zucht nimmt. Tatsächlich macht sich bei uns immer wieder schmerzlich bemerkbar, daß die moralische Substanz in unserem Volke zusammengeschrumpft ist und daß infolge dieses Mangels an moralischer Substanz manches gute Gesetz, das wir hier beschlossen haben, bei der Durchführung in seiner Wirkung beeinträchtigt wird. Es sollte deswegen unser aller Anliegen sein, diesem Mangel an moralischer Substanz durch jede nur mögliche Maßnahme zu begegnen, und dazu rechnen wir auch das Gesetz über den Vertrieb jugendgefährdender Schriften. Selbstverständlich sind wir bereit, im Rahmen des Möglichen so die notwendigen Mittel für die körperliche Ertüchtigung der Jugend bereitzustellen. Aber wenn wir uns auf der einen Seite um die physische Gesundheit ernstlich mühen, dann sollten wir uns auf der anderen Seite auch darüber klar sein, daß die heutige Jugend auf • Grund der Verhältnisse der Kriegs- und Nach-
kriegsjahre, die ich Ihnen nicht besonders noch darzulegen brauche, psychisch sowohl wie sittlich außerordentlich labil ist.
Es wäre doch geradezu unbarmherzig, wenn man auf der einen Seite wohl für die physische Gesundheit sorgte, aber auf der anderen Seite der psychisch und sittlich so labilen Jugend nicht Hilfestellung leisten würde, damit sie mit einem sittlich festen Rückgrat den Kampf des Lebens aufnehmen kann, der ja auch für die kommende Generation nicht gerade einfach sein wird.
Ich wiederhole noch einmal: Es sollte unser aller Anliegen sein, dieses sittliche Rückgrat unserer Jugend zu stärken. Meine Fraktion würde es sehr begrüßen, wenn dem Bundestag in Kürze das Gesetz über den Vertrieb jugendgefährdender Schriften zur Beratung vorgelegt werden könnte.