Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Aufgaben des Bundesministeriums des Innern gehört auch das, was man unter dem Wort „Verfassungsschutz" zusammenzufassen pflegt. Mir scheint nun, daß im Ministerium und auch bei dem Herrn Minister selbst eine klare Begriffsbestimmung, was eigentlich Verfassungsschutz sein soll, fehlt. Das Grundgesetz spricht mehrfach von „verfassungsmäßiger Ordnung". Von diesem Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung wird z. B. in dem Art. 143 gesprochen. Es handelt sich um den Artikel, der von der Möglichkeit handelt, gewaltsam die Regierung zu stürzen und eine andere Staatsform einzuführen. Dieser Art. 143 findet nun seine Auslegung in dem Art. 28; denn
0 dieser Art. 28 sagt, daß die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen müsse. Was heißt das? Über den Begriff „sozial" können wir uns wahrscheinlich schwer einigen. Es ist sehr umstritten. Manche halten die soziale Marktwirtschaft für sozial, und andere halten sie eben nicht für sozial. Der Begriff „demokratisch" ist in diesem Hohen Hause vor vierzehn Tagen sehr deutlich geklärt worden: „Frei gewählte Volksvertretung, die die Regierung bestellt". Der dritte Begriff „republikanisch" ist so einfach, daß er eigentlich gar nicht falsch verstanden oder gedeutet werden kann. Das heißt, daß jede Art von Einzelherrschaft, auch die Monarchie, vollständig ausgeschlossen ist. Der Bonner Kommentar sagt dies und spricht weiter aus, es bestehe auch für die Länder — um so weniger natürlich für die Bundesrepublik — keinerlei Möglichkeit, von diesem Grundsatz der Republik abzuweichen und die Monarchie einzuführen.
Meine Damen und Herren, ich habe diese Erörterung nicht etwa aus Gründen irgendwelcher theoretischer Liebhabereien vorausgeschickt, sondern sie sollen als Grundlage zur Behandlung eines besonderen Falles dienen, der das Bundesministerium des Innern berührt und der im Bundesministerium des Innern spielt. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat kürzlich einmal eine Debatte mit Leserbriefen usw. über die Frage der Monarchie veranstaltet. Unter diesen Leserbriefen erschien ein Leserbrief, der mit „Walter Bargatzky in Bonn" unterzeichnet war. Dieser Leserbrief sprach sich sehr deutlich für die Monarchie aus. In ihm wurde behauptet, daß im Jahre 1945 und nach 1945 die Frage der Monarchie nicht diskutiert worden sei, weil die Republikaner dem Diskutieren dieser Frage ausgewichen seien. Nun, ich habe noch die Verhandlungen des Parlamentarischen Rates mitgemacht. Im Parlamentarischen Rat ist diese Frage offenbar deswegen nicht erörtert worden, weil jedermann es für selbstverständlich hielt, daß sie nicht erörtert zu werden braucht. Gedrückt vor dieser Diskussion hat sich wahrlich niemand. Der Schreiber des Briefes redet dann weiter davon, daß es notwendig sei, die Frage zu untersuchen, ob Monarchie oder Republik besser sei.
Ich will dem Herrn auf diesem Wege nicht weiter folgen. Das wäre eine theoretische Frage, über die sich auch die Historiker nicht einig sind. Wichtiger ist, die Frage zu stellen: Wer ist Herr Bargatzky? Nun, Herr Bargatzky ist Ministerialrat im Bundesministerium des Innern,
und zwar in der Abteilung für öffentliche Sicherheit!
Wie aus einem Schreiben des Ministeriums des In-
nern an meine Fraktion hervorgeht, ist er nach dem
Zeitpunkt Ministerialrat geworden, zu dem meine
Fraktion den Herrn Bundesminister des Innern
auf diese Angelegenheit aufmerksam gemacht hat.
Ich bin loyal genug, zu erwähnen, daß er schon vorher zu dieser Beförderung eingereicht worden ist.
Herr Bargatzky ist also ein Beamter, ein Angehöriger des öffentlichen Dienstes, und nach Art. 33 der Bundesverfassung stehen die Angehörigen des öffentlichen Dienstes in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. Es gibt sogar einen Art. 5 Abs. 3 in dieser Bundesverfassung, in dem die Freiheit der Lehre stipuliert ist. Dort heißt es, daß die Freiheit der Lehre nicht von der Treue zur Verfassung entbindet. Was ist nun Treue zur Verfassung? Ich habe in dem Lehrbuch des Verwaltungsrechts von Peters nachgeschlagen. Soviel ich weiß, ist Peters Professor in Köln. Das Lehrbuch ist aus dem Jahre 1949; es dürfte also ungefähr das Letzte sein, was darüber gesagt worden ist. Darin steht ausdrücklich, daß sich die Treuepflicht auf Staat und Staatsidee erstreckt. Ferner ist gesagt, daß jeder Angestellte im öffentlichen Dienst verpflichtet ist, staatsgefährdende Umtriebe, auch wenn sie ihm nur privat zur Kenntnis kommen, dienstlich zu melden. Also hätte der Herr Bargatzky wohl auch dienstlich melden sollen, daß er für die Monarchie eintritt. Er hat das nicht getan. Er hat gar nicht einmal mit seinem vollen Titel und „Dr." unterschrieben, sondern er hat in einer merkwürdigen Zurückhaltung sonst nichts als seinen Vor- und Nachnamen gesagt.
Meine Fraktion hat darauf aufmerksam gemacht, und der Herr Minister hat geantwortet, daß er keinen Grund zu einem Disziplinarverfahren sehe.
Das hat derselbe Herr Minister gesagt, der im Augenblick betont hat: „Ich habe durchgegriffen und ich werde durchgreifen!"
Er hat aber eben auch das merkwürdige Wort „unkorrekt" gebraucht.
Dieses Wort ist mir sehr charakteristisch. Dieses selbe Wort „unkorrekt" kommt auch — soviel ich mich erinnere — in der Antwort des Herrn Ministers oder seines Ministeriums an meine Fraktion vor. Es gibt in derartigen Dingen nichts Unkorrektes, sondern es gibt hier nur einen ganz klaren Tatbestand, und dieser Tatbestand sagt, daß dieser Beamte sich gegen die Bundesverfassung virtuell vergangen hat.
Wir verlangen erstens einmal, daß der Minister derartige Beamte nicht irgendwie deckt, indem er es auf Korrektheit oder Unkorrektheit schiebt, sondern wir verlangen von einem Beamten der Republik, daß er aktiv für die Staatsordnung eintritt, die da ist,
und daß er sie nicht bekämpft, auch nicht auf irgendwelche irgendwie verklausulierte Arten.
Meine Damen und Herren! Wir tun das nicht aus irgendwelcher Marotte; wir tun das auch nicht aus irgendwelchem Ressentiment, sondern wir tun es aus voller staatspolitischer Verantwortung. Der Herr Minister kennt genau so wie ich — wir sind ja aus demselben Jahrgang 1883 —
die Verhältnisse der Weimarer Republik. Der Herr Minister war zwar, als die Weimarer Republik begann, noch nicht im Schwabenalter; aber da er kein Schwabe ist, so ist ja anzunehmen, daß seine Erkenntnis schon etwas vor dem 40. Lebensjahr lag. Wir haben diese Zeit miterlebt, und nichts hat so sehr zur Erschwerung der Politik der Weimarer Republik beigetragen wie die monarchistische Hetze der Deutschnationalen Volkspartei,
eine unverantwortliche Hetze, vollgespickt mit allen möglichen völlig falschen Angaben.
— Sie müssens wissen; ich habe diese Zeiten genau mitgemacht, verehrter Herr Kollege, vom ersten bis zum letzten Tage. Diese verantwortungslose Hetze der Deutschnationalen Volkspartei hat ja für die beteiligten monarchistischen Kreise dann zu einer ganz merkwürdigen Entwicklung geführt, nämlich dazu, daß man wohl sagen kann: Niemand ist in der Geschichte jemals so geprellt worden wie diese Kreise!
Wir wußten, was wir von Hitler zu erwarten hatten; aber die deutschnationalen Kreise — sowohl Herr Hugenberg wie der Herr Reichspräsident von Hindenburg — wußten es eben nicht,
sondern ihnen hat Hitler vorgeschwindelt, er sei auch für die Monarchie. Aber das ist ja nicht wichtig; wichtig ist: auch heute ist die Bundesrepublik Deutschland — wir werden uns hier in diesem Hause alle darüber einig sein — nicht etwa das, was man einen vor Krisen und in seiner Entwicklung gesicherten Staat nennen könnte, sondern auch heute liegen schwere Aufgaben der Außen-und Innenpolitik vor uns. In einer derartigen Zeit halten wir es für geradezu frivol, wenn jemand neue innerpolitische Streitfragen aufrühren will, statt sie liegen zu lassen.
Das ist eine Gefährdung der Politik. — Sie sagen: alte! Wir haben es nicht getan, sondern ein Mitarbeiter des Herrn Bundesministers hat es getan. Wir wollen nicht, daß derartige Dinge einreißen. Wir wollen es deswegen nicht, weil es einfach unmöglich ist, eine geradlinige Entwicklung zu sichern, wenn derartige Dinge vorkommen. Herr Kollege Dr. Jaeger, Sie sind noch verhältnismäßig jung; ich beneide Sie darum, aber ich darf Ihnen deswegen doch sagen: Wer diese Entwicklung der Weimarer Zeit mitgemacht hat, der weiß, daß durch dieses Dulden von Unkorrektheiten und ähnlichen Vorkommnissen die Autorität der Staatsregierung sehr gelitten hat und zum Teil, möchte ich fast sagen, zerbrochen ist.
Ich möchte noch einen schönen Satz erwähnen, der bei Herrn Bargatzky vorkommt:
Wer sich heute den Kopf zerbricht über Thronprätendenten, würde sich mit Recht lächerlich machen.
Ich erwähne diesen Satz deswegen, weil er so deutlich zeigt, daß dieser Herr Bargatzky von Politik eben doch offenbar nichts weiß und unberührt ist; denn ein politisch denkender Mensch wird sich erst einmal Gedanken darüber machen, was eigentlich möglich ist. Dann wird er vielleicht zu irgendwelchen Theorien zurückkehren. Wir haben ja augenblicklich — und deswegen haben wir diese Dinge offen besprechen wollen — einen gewissen Trend zur Monarchie. Sie brauchen ja nur in die illustrierten Zeitschriften zu sehen, in denen so viel von monarchischen Dingen die Rede ist. Wir verurteilen es deswegen durchaus, weil wir eine Gefahr für den Bestand unseres Staates sehen, wenn auch andere Männer in verantwortlicher Stellung — ich meine in diesem Augenblick nicht Beamte — derartige Dinge wenigstens indirekt
unterstützen. Warum hat — ich nehme an, daß die I Pressenotiz richtig war — das Bundesministerium einen Vertreter zu der Beerdigung des Kronprinzen, des sogenannten Kronprinzen geschickt?
— Nein, das ist nicht hochanständig, sondern es ist hochdumm,
und zwar deswegen ist es hochdumm und geradezu völlig unsinnig, weil dieser Herr genau so —
— ich rede jetzt, Sie können ja nachher auch noch sprechen — ein Privatmann wie jeder andere war und gar nichts anderes.
Wir verbitten es uns, daß derartige Dinge geschehen, die weiter nichts sind als lächerliche Entgleisungen.
Ich möchte deswegen noch etwas anderes erwähnen. Wenn auch zwei andere Minister — sie sind in diesem Falle ja auch nicht Beamte — es für nötig befunden haben, in Hannover an einer Fürstenhochzeit teilzunehmen, so finden wir das zumindest geschmacklos;
denn sie haben es ja nicht als Privatpersonen getan, sondern sie sind eben Bundesminister, und man soll daraus seine bestimmten Konsequenzen ziehen.
Wenn nun von der Deutschen Partei noch eine Resolution gefaßt worden ist, daß nur die Monarchie geeignet sei, den Charakter der Jugend usw. zu stärken,
so ist das etwas sehr Seltsames. Sehen Sie, woher kommt denn dieser monarchistische Trend der öffentlichen Meinung oder von .Teilen der öffentlichen Meinung?
— Herr Bargatzky behauptet, daß Bauern und Arbeiter diese Frage vielfach erörterten. Nun, ich kenne durch meine politische Tätigkeit sehr viele Arbeiter; doch ich habe von ihnen solche Erörterungen nicht gehört. Es ist aber etwas anderes. Heute liegt in diesen monarchistischen Bestrebungen und und Velleitäten genau derselbe Illusionismus, genau dasselbe Sich-selbst-nicht-beteiligen und Die-Verantwortung-auf-andere-abwälzen-wollen, die wir schon längst kennen. Die Monarchie ist der neueste Doktor Eisenbart, wie ihn sich manche Kreise vorstellen, und zwar die bürgerlichen Kreise, die es immer abgelehnt haben, selbständig und selbsttätig am öffentlichen Leben teilzunehmen.
Wir sind durchaus nicht der Meinung, daß die Verfassungsschutzgesetzgebung das A und O, daß sie ein unbedingt wirksames Mittel ist. Es gibt andere. Es muß positive Mittel geben; und zu diesen positiven Mitteln gehört es, daß wir die Faulheit und Feigheit in einem Teil unserer Bevölkerung bekämpfen. Dazu gehört es vor allen Dingen, daß
wir dafür sorgen, daß unsere Jugend mehr zur politischen Verantwortung erzogen wird als bisher. Das ist das Wichtige. Aber wenn sie Vorbilder haben wie dieses Vorbild eines Ministerialrats, dann kann sich jedermann darauf berufen, dann entsteht Unsicherheit auch in der Staatsleitung, und dann ist dieser Staat gefährdet. Staatspolitisch ist das untragbar. Ob die Juristen des Bundesministeriums anderer Meinung sind oder nicht, ist mir in diesem Augenblick vollkommen gleichgültig; es ist keine juristische, es ist eine im ernstesten Sinne politische Frage, Herr Minister!