Rede von
Karl
Gengler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die soziale Bedeutung und der tief in das Finanzgefüge der Bundesrepublik eingreifende materielle Umfang des Sozialhaushaltes des Bundes machen es erforderlich, einige Erläuterungen zu geben.
Bereits bei der Beratung des Haushalts 1950 im April 1951 wurde darauf hingewiesen, daß der Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten — Einzelplan XXVI — und von Einzelplan XI die Kap. 1 a — Arbeitslosenhilfe —, 1 b — betriebliche Altersfürsorge — und 1 c — Sozialversicherung — zusammen den Sozialhaushalt bilden, dessen Aufwendungen nach Art. 120 des Grundgesetzes vom Bund zu tragen sind.
Von dem Grundsatz des Überrollungshaushaltes ist hier insoweit abgewichen worden, als a) neue gesetzliche Bestimmungen eine Änderung erfor-
derten, b) genauere Unterlagen für die Berechnung der Ansätze vorhanden waren.
Bei der Kriegsfolgenhilfe — Kap. 1 — und der Umsiedlung und Auswanderung — Kap. 2 — waren die Änderungen des Prinzips der Veranschlagung und des Umfangs der Beteiligung der Länder zu berücksichtigen. Im Jahre 1950 hatten die Länder von diesen Aufwendungen eine Interessenquote von 25 vom Hundert bzw. 15 vom Hundert aufzubringen. Diese Interessenquote wurde haushaltsmäßig als Einnahme des Bundes behandelt und im Einzelplan XXIII veranschlagt, so daß die Aufwendungen bei Kap. 1 und 2 in voller Höhe veranschlagt werden mußten. Vom 1. April 1951 ab gilt jedoch die Regelung, daß der Bund von den gesamten Aufwendungen der Kriegsfolgenhilfe und der Umsiedlung und Auswanderung 85 vom Hundert zu tragen hat. Entsprechend dieser auf dem Zweiten Überleitungsgesetz beruhenden Änderung sind im Haushalt 1951 bei Kap. 1 und 2 die Einnahmen und Ausgaben nur zu 85 vom Hundert veranschlagt worden. Hieraus erklärt sich im wesentlichen die Verminderung der Ansätze bei Kap. 1 und 2 gegenüber den Ansätzen für 1950.
Neu ist, daß nach der in das Erste Überleitungsgesetz eingefügten Bestimmung des § 11 Abs. 3 der Bund bis zum 31. Dezember 1952 aus den Mitteln der Kriegsfolgenhilfe Zuschüsse oder Darlehen zur Errichtung von Wohnungen für bisher in Lagern untergebrachte Kriegsfolgenhilfeempfänger und zur Errichtung von Lehrlingswerkstätten und anderen der Erziehung und Erwerbsbefähigung von jugendlichen Kriegsfolgenhilfeempfängern dienenden Einrichtungen gewähren kann. Haushaltsmäßig gibt hierzu der bei Kap. 1 neu aufgenommene Tit. 37 die Möglichkeit.
Bei Kap. 2, Umsiedlung und Auswanderung, ist gegenüber dem Rechnungsjahr 1950 der Ansatz für die Kosten der Auswanderung erhöht, der Ansatz für die Kosten der Umsiedlung um den gleichen Betrag gesenkt worden. Die im Rechnungsjahr 1950 vorbereitete Auswanderung von Kriegsfolgenhilfeempfängern ist inzwischen stärker angelaufen, so daß höhere Ausgaben zu erwarten sind, während das Rechnungsergebnis für das Jahr 1950 gezeigt hat, daß die Umsiedlung — Transportkosten usw. — nicht so hohe Kosten verursacht.
Bei Kap. 3 a und 3 b sind dieselben Beträge veranschlagt worden wie im Rechnungsjahr 1950. Die Mehrbelastung des Bundes auf Grund des Gesetzes nach Art. 131 vom 11. Mai 1951 erscheint im Nachtragshaushalt. Sie beträgt 426 Millionen DM.
Die Ansätze bei Kap. 4, Kriegsopferversorgung, sind unter Berücksichtigung der Auswirkungen des Bundesversorgungsgesetzes festgesetzt worden. Außerdem wurden die persönlichen und sächlichen Verwaltungskosten, die im Haushalt 1950 in einem Gesamtbetrag ausgebracht waren, den Wirtschaftsbestimmungen entsprechend aufgegliedert veranschlagt. Im außerordentlichen Haushalt sind nur Mittel zur Fortführung der im Rechnungsjahr 1950 oder früher begonnenen Bauvorhaben vorgesehen.
Schließlich sei auf eine bei der Beratung des Haushaltsausschusses vorgenommene kleine Änderung hingewiesen. Der bei Kap. 4 Tit. 35, Berufsfürsorge für Kriegsbeschädigte, veranschlagte Betrag von 3 Millionen DM ist an dieser Stelle gestrichen und bei Kap. 1 Tit. 31 hinzugesetzt worden. Die Berufsfürsorge für Kriegsbeschädigte ist ein Teil der sozialen Fürsorge und liegt deshalb den
Fürsorgebehörden ob. Infolgedessen waren auch die Mittel bei den Kosten der individuellen Fürsorge zu veranschlagen.
Die Änderungen der Ansätze im Einzelplan XI Kap. 1 a, Arbeitslosenhilfe, und Kap. 1 c, Sozialversicherung, gegenüber den Beträgen für 1950 beruhen ausschließlich darauf, daß für die Bedarfsberechnungen genaueres Zahlenmaterial benutzt werden konnte, als dies bei der Aufstellung des Haushaltsplans 1950 möglich war.
Neu hinzugekommen ist Kap. 1 b, Zuschuß zum Ausgleich von Härten im Rahmen der betrieblichen Altersfürsorge. Hier ist der Betrag von 10 Millionen DM ausgebracht, der nach dem Bundestagsbeschluß vom 14. Dezember 1950 bereitzustellen war, um einen Ausgleichsfonds zugunsten von Angehörigen solcher betrieblichen Unterstützungskassen und Fürsorgeeinrichtungen zu schaffen, die infolge der durch den Krieg und seine Auswirkungen erlittenen Verluste die für die Leistungen erforderlichen Mittel nicht aufbringen können.
Ein Überblick über die großen Gruppen der Sozialaufwendungen — in diesem Fall ohne Nachtragshaushalt — ergibt in runden Zahlen folgendes Bild, wobei die Einnahmen von den Ausgaben abgesetzt sind.
Der hiernach ermittelte reine Zuschußbedarf beträgt:
Kap. Zweckbestimmung Haushaltsansatz 1951 Haushaltsansatz 1950 Rechnungsergebnis
Mill. DM Mill. DM 1950
Mill. DM
Einzelplan XXVI
1 Kriegsfolgenhilfe . . . 449,7 557,5 511,9
2 Umsiedlung und Aus-
wanderung 26,3 29,0 13,6
3 a Versorgung verdrängter
Beamter und ihrer
Hinterbliebenen . . . 300,0 300,0 270,3
3 b Versorgung der Berufs-
soldaten und berufs-
mäßigenAngeh5rigen d.
Reichsarbeitsdienstes
und ihrer Hinterblie-
benen 150,0 150,0 114,7
4 Kriegsopferversorgung 3033,7 2733,3 2336,3
Einzelplan XI
1 a Arbeitslosenhilfe . . . 987,2 759,9 995,5
1 b Betriebliche Altersfür-
sorge 10,0 — —
1 c Sozialversicherung . . 861,3 729,9 700,2
5818,2 5259,6 4942,5
Im ganzen ist noch zu berücksichtigen, daß
a) bei der Kriegsfolgenhilfe und Umsiedlung und Auswanderung der Unterschied zwischen den Ansätzen für 1950 und 1951 auf der Änderung der Veranschlagung von 100 v. H. für 1950 gegenüber 85 v. H. für 1951 beruht,
b) die Auswirkungen des Gesetzes nach Art. 131 erst im Nachtragshaushalt in Erscheinung treten werden,
c) bei der Kriegsopferversorgung die Auswirkungen des Bundesversorgungsgesetzes bereits in
vollem Umfange veranschlagt worden sind.
Die Mehrbelastung des Bundes durch das Rentenzulagengesetz und Teuerungszulagengesetz wird
ebenfalls im Nachtragshaushalt veranschlagt. Ferner wird im Nachtragshaushalt die Einbeziehung des Landes Berlin in die Regelung des Überleitungsgesetzes berücksichtigt werden. Für den Rest des Rechnungsjahres beträgt hier die zusätzliche Mehrbelastung des Bundes
a) für das Rentenzulagengesetz 937 Millionen DM,
b) für Arbeitslosenhilfe und Teuerungszulagen 235 Millionen DM.
Die Gesamtübersicht über den Sozialaufwand des Bundes, soweit er in den Einzelplänen XXVI und XI enthalten ist, ergibt unter Einschluß des im Nachtragshaushalt angeforderten Mehrbetrags von 1793 Millionen DM einen Gesamtbetrag von 7611,2 Millionen DM.
Das Gesamtbild der Soziallasten ist folgendes:
1. Eigentlicher Sozialaufwand 7 693 Millionen DM
2. Finanzhilfe für Berlin 372 Millionen DM
3. Sozialer Wohnungsbau 400 Millionen DM
4. Subventionen, die nach
ihrem Wesen den Sozial-
lasten zugerechnet werden
können 752 Millionen DM
Zusammen: 9 217 Millionen DM.
Diese fast 91/4 Milliarden DM soziale Aufwendungen stellen allein 47,7 % des 19 335 Millionen DM betragenden Gesamthaushalts des Bundes dar. Enthalten sind hierin nicht die außerhalb des Bundeshaushalts laufenden Sozialleistungen des Soforthilfefonds, der 1950 mit annähernd 2 Milliarden DM zu veranschlagen war.
In diesen fast 91/4 Milliarden DM sozialer Leistungen sehen wir einen wesentlichen Teil der Kriegsfolgen und der schlimmen Erbschaft des Dritten Reiches. Wir sehen darin weiterhin den Umfang der sozialen Nöte, andererseits auch den Umfang der großen sozialen Leistungen des Bundes. Diese sozialen Leistungen des Bundes übertreffen den früheren Reichshaushalt vor 1933 im ganzen. Sie zeigen die Größe der neuen Aufgaben und der Kriegsfolgelasten. Die Mittel hierfür müssen täglich durch die Arbeit des ganzen Volkes erarbeitet werden. Zu einem wesentlichen Teil ist dabei auch die Frage des Steuerzahlers beantwortet, wohin sein Geld kommt und wofür es verwendet wird.
Im Auftrag des Haushaltsausschusses beantrage ich die Zustimmung zum Einzelplan XXVI — Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten — mit den auf der Drucksache Nr. 2619 enthaltenen Änderungen.