Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wie, Herr Bundes-Marshallplanminister, ist die in Punkt 2 Ihres Berichts über die Durchführung des Marshallplans enthaltene These über die Wiedererreichung der Lebensfähigkeit aus eigener Kraft durch die Bluttransfusion des Marshallplans zu verstehen? Können Sie für die Wiedererreichung der Lebensfähigkeit der Wirtschaft der Bundesrepublik aus eigener Kraft und in wirklicher Unabhängigkeit und Freiheit die notwendigen Beweise liefern?
Hier entsteht schließlich die Frage nach den Verlusten, die der deutschen Volkswirtschaft durch die Bindung an den Marshallplan laufend seit Jahren entstanden sind. Lassen Sie mich einmal zu dieser Frage einige Worte sagen. Die einseitige Bindung der gesamten westdeutschen Wirtschaft an die Interessenpolitik der amerikanischen Kriegstreiber bedeutet für unser deutsches Volk wachsende Verschuldung nach innen und ganz besonders nach außen. Die Auslandsschulden der Bundesrepublik wachsen dank Marshallplan von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr um Milliarden. Hinzu kommen die ständigen entwürdigenden Diskriminierungen gegenüber der deutschen Wirtschaft und besonders gegenüber dem deutschen Export.
Die mit dem Marshallplan verbundene politische und wirtschaftliche Unfreiheit zeigt sich schließlich am deutlichsten in der Rohstofflage und in der Kohlenlage der Bundesrepublik. In einem interessanten Exposé anläßlich der Amerikareise des Herrn Bundeswirtschaftsministers, verfaßt vom Rohstoffkommissar Friedrich, werden hohe Devisenverluste durch den Export deutscher Kohlen in die Rüstungszentren des Nordatlantikpaktblocks nachgewiesen. Die Deviseneinbuße durch den Export von Kohle wird mit 150 bis 200 Millionen Dollar angegeben.
Diese Summe allein übersteigt um ein Vielfaches die Summe der sogenannten amerikanischen Zuwendungen für die Investitionsprogramme des westdeutschen Steinkohlenbergbaus.
In diesem Exposé werden weiter empfindliche Verluste durch die Beschränkung des Ost-West-
Handels angegeben. Eine Summe von 100 bis 120 Millionen Dollar wird von Herrn Friedrich offen genannt.
Diese Summe entspricht nun keinesfalls den wirklichen Verlusten, die durch die Spaltung Deutschlands entstanden sind. Allein im innerdeutschen Handel gingen der westdeutschen Wirtschaft durch das Fehlen des Warenaustausches jährlich fünf Milliarden DM verloren. Nach der jetzt endlich, Gott sei Dank, doch erfolgten Unterzeichnung des Interzonenvertrags macht der Verlust im laufenden Jahr wenigstens nur noch einen Teil dieser Summe aus.
— Mein Herr, Sie wollen auch Geschäfte treiben, hören Sie zu: Die Verluste des großen Ost-West-Handels mit den volksdemokratischen Ländern der Sowjetunion und Volkschinas sind im Hinblick auf die wirtschaftliche Potenz dieser Mächte schlechterdings in Zahlen überhaupt nicht abzuschätzen.
Ich will mich bei der Aufzählung der Verluste auf die Anführung dieser Hauptpunkte beschränken. Schon allein diese zeigen jedem einsichtigen Menschen, daß der Marshallplan keinem Vergleich standhält, wenn man ihm eine Wirtschaft gegenüberstellt, die unabhängig und frei von allen Fesseln einzig und allein den Belangen Deutschlands und des Friedens dient. Wir fordern daher den Herrn Bundesmarshallplanminister auf,
sich einmal zu dieser Frage zu äußern ùnd die Verlustbilanz des Marshallplans auf den Tisch des Hauses zu legen.
Die deutschen Kaufleute und Fabrikanten müssen sich ebenfalls den Wert des Marshallplans überlegen; sie sollten sich keinesfalls von dem amerikanischen Diktat und der einseitigen Politik der Bundesregierung vom potentiell größten Markt Deutschlands abdrängen lassen. Die Amerikaner tun das auch keineswegs. Sie sind gern bereit — das beweisen sie täglich —, mit der Sowjetunion auch unter den Bedingungen des kalten Krieges Handel zu treiben und Geschäfte zu machen.
Es bedarf jedoch dazu einer radikalen Abkehr von den Bedingungen der Kriegswirtschaft, wie sie heute in Westdeutschland herrschen, und einer Hinkehr zu einer deutschen Friedenswirtschaft. Eine solche Möglichkeit bietet zweifellos eine Verständigung der Deutschen unter sich, wie sie in dem Appell der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik an den Bundestag angeboten ist.
Sie werden sagen: das ist der Pferdefuß. Sie haben recht damit. Das ist tatsächlich der Pferdefuß, nämlich hier wird der Weg zur Gesundung und Förderung des Handels und des Verkehrs der Deutschen unter sich und zur Schaffung der notwendigen Freiheit, die wir nun endlich für unsere gesamte deutsche Wirtschaft so dringend benötigen, aufgezeigt. Ein Nein zu diesem Vorschlag ist nicht nur eine große — entschuldigen Sie, meine Damen und Herren —, unverzeihliche politische Dummheit, sondern auch ein selbstmörderisches Begin-
nen, jedenfalls für die deutsche Wirtschaft und für unser deutsches Volk.
Wir sind der Auffassung, daß es darum innerhalb der entscheidendsten Schichten unseres Volkes — ich denke da an die Arbeiterschaft und die Kreise der Friedensindustrie — genügend einsichtsvolle Menschen gibt, die endlich zu einer vernünftigen Wirtschaftspolitik zurückkehren wollen, die sich über ein einheitliches Deutschland und über die Entwicklung und Förderung der Friedensindustrie von allen Fesseln — mögen es auch die goldenen des Marshallplans sein — lösen wollen.
Die Fesseln des Marshallplans werden durch die diktatorischen Bedingungen des Schumanplans über die deutsche Kohle und den deutschen Stahl und das deutsche Menschenpotential noch fester angezogen. Die Kriegsabsichten des Marshallplans sind durch den Schumanplan noch eindeutiger, noch sichtbarer geworden.
In diesem Zusammenhang ist zu sagen, daß besonders auch Punkt 3 des Berichts der Bundesregierung über die Durchführung des Marshall-plans, der die politische und psychologische Seite des Planes behandelt, nichts anderes als ein Trugbild darstellt. Wenn darin gesagt wird, ein sehr großer Teil der Hilfeleistungen wird „schlicht verschenkt", wie es wörtlich heißt, so kann ich darauf nur erwidern: Die Amerikaner gäben keinen Dollar her, wenn sie nicht wüßten, daß er in Form von Profiten hundertfach aus den abhängigen Ländern zurückkehrt.
Der Tribut, den wir in Westdeutschland zahlen sollen, soll das Blut der jungen Generation unserer Nation auf den kommenden Schlachtfeldern der amerikanischen Rüstungsmilliardäre sein.
Das haben prominente amerikanische Politiker mehr als einmal in zynischer Form zugegeben, erst zuletzt General Eisenhower, der erklärte: Die Amerikaner liefern die Waffen und die Europäer die Menschen.
In Punkt 4 des Berichts gibt es einen Satz, den ich deshalb ganz besonders unterstreichen möchte, weil er den ganzen Sinn der Marshallplanpolitik in Westdeutschland charakterisiert. Dieser lautet:
Abgesehen davon aber
— gemeint ist der Wechsel in der Haltung der anderen Völker gegenüber Deutschland —
war Westdeutschland für den Marshallplan in seiner ganzen Tragweite von Anfang an besonders aufgeschlossen.
Darüber kann es überhaupt keinerlei Zweifel geben, daß sich die Amerikaner in ihrer Politik gerade auf Westdeutschland konzentrieren und aus Westdeutschland ein Arsenal für ihre Kriegspolitik machen wollen. Darum haben die amerikanischen Interessenten nicht umsonst ihre deutschen Mitstreiter zu ihrem Hauptverbündeten in Europa gemacht. Nicht umsonst feiert darum die Wehrwirtschaft in Westdeutschland eine erneute Auferstehung. Nicht umsonst wird die Kriegszwangswirtschaft wieder aufgebaut. Gerade darum gibt es in Westdeutschland Rohstoffkommissare und steht der westdeutsche Außenhandel fast restlos im Dienste des amerikanischen Rüstungsprogramms.
Alle Illusionen über die schöne freie Wirtschaft sind in wenigen Monaten im Zeichen der Durchführung dieser amerikanischen Politik mit einem Schlag zerplatzt, wie Seifenblasen zerplatzt. Selbst der amerikanische Hohe Kommissar McCloy kann nicht umhin, in seinem Bericht über die Zeit vom 1. Oktober bis zum 15. Dezember 1950 festzustellen:
Westdeutschland ist für Europa immer noch der Hauptlieferant gewisser rüstungswichtiger Chemikalien.
Weiter heißt es in diesem fünften Vierteljahresbericht:
Der größte Teil der deutschen Vorkriegskapazität in Westdeutschland in der Schwerindustrie, der für einen Verteidigungsbeitrag in Frage kommt, liegt in dem Gebiet der Bundesrepublik. Diese Kapazität, die einst gegen Europa mobilisiert wurde, kann heute einen gewaltigen Beitrag zu den Erfordernissen der Verteidigung sowohl Deutschlands als auch der Atlantikmächte liefern.
Diese Bedeutung der Bundesrepublik diktiert die gesamte amerikanische Deutschlandpolitik und ist Sinn und Ziel des Marshallplans. Kann es darüber einen Zweifel geben, daß die amerikanische Deutschlandpolitik in bezug auf die Wirtschaft auf der Spaltung Deutschlands und auf der Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands beruht? Nur Leute wie Herr Pferdmenges und seine Kumpane
aus der Rüstungsindustrie können an einer solchen Rüstungswirtschaft interessiert sein. Und nur Politiker, die die deutschen Belange längst aus den Augen verloren haben, können an der Unterstützung einer solchen Politik interessiert sein und eine solche Politik zum Schaden unseres deutschen Volkes und der deutschen Wirtschaft unterstützen.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang auch noch ein paar Worte zum ordentlichen Haushalt selbst, wie er in der Drucksache Nr. 2500 enthalten ist. Auf Seite 10 wird unter Tit. 32 eine Summe von 800 000 DM ausgewiesen, die sich aus Veröffentlichungsverpflichtungen aus dem ERP-Vertrag herleiten. Der gemeinsame Betrag von ECA und Bundesministerium beträgt jedoch rund 7,3 Millionen DM. In den Erläuterungen zu Tit. 32 vermisse ich die 15 Millionen DM, die laut Mitteilung des Marshallplanministeriums der marshallplanfreudigen Presse aller Parteien mit Ausnahme selbstverständlich der Presse der KPD zur Förderung des ideologischen Krieges ausgezahlt wurden.
Vielleicht werden diese Summen und auch noch andere Summen aus dem Tit. 29 des außerordentlichen Haushalts gedeckt. Der Minister könnte uns darüber auch eine Auskunft geben. Für sonstige Ausgaben stehen nämlich in dieser Position rund 55 Milionen DM verzeichnet. Aus dieser Summe werden auch einige Spionage-Agenturen und Nachrichtendienste der westlichen Alliierten finanziert. Wenn es in der Erläuterung zu Tit. 29 des außerordentlichen Haushalts heißt: „Die Ausgabenmittel sind noch keiner Zweckbestimmung zugeführt", so ist es für uns klar, welchen Zwecken dieser Reservefonds der amerikanischen Politik in Deutschland dient. Es wäre außerordentlich interessant, diesen Haushalt der großen Zahlen sowie den Bericht des Ministeriums über die Verwendung der Mittel einer noch eingehenderen Untersuchung zu unterziehen.
Ich möchte hier noch Seite 20 der Drucksache Nr. 2500 einmal ein klein wenig überprüfen. Dort werden die Ausgaben im Rahmen des Haushalts, also die Investitionen, ein wenig näher vermerkt. Danach erhalten besonders der Kohlenbergbau, die Energiewirtschaft, dazu die Industrien, die weiterhin Energie herstellen, die Eisen- und Stahlindustrie sowie der Verkehr noch bedeutende Zuwendungen aus den Marshallplanmitteln. Wenn man sich aber diese Seite etwas näher ansieht, muß man feststellen, daß solche Industriezweige, die der Konsumgüterproduktion dienen, bei der Zuteilung im Rahmen des Jahres 1951 ausgeschlossen sind, darunter der Industriezweig Nichteisenmetalle, Eisen verarbeitende Industrie, chemische Industrie. Dazu kommen noch die Textilindustrie, die Lebensmittelindustrie, Handel und Gewerbe; und für die Handelsflotte sind ganze 500 000 DM eingesetzt. Für den Wohnungsbau hat man großzügigerweise 100 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Uns ist jedoch bekannt, daß die meisten Gelder aus diesem Fonds dazu verwandt werden, Kasernen zu bauen oder Ersatzwohnungen für Menschen, die im Auftrage der alliierten Besatzungsmächte aus Kasernen vertrieben werden. Für die Forschung ist kein Pfennig eingesetzt, und für die Exportindustrie wird nicht ein einziger Pfennig bewilligt. Kredite für Vertriebene gibt es nicht. Der Nachfinanzierungsbedarf der verarbeitenden Industrie und des Fremdenverkehrs ist nicht bedacht worden. Die Aufwendung für den Erwerb einer Beteiligung an der Vertriebenenbank-AG in Bonn ist ebenfalls nicht mehr in diesem kolossalen Bericht enthalten. Und warum, meine Damen und Herren? Das ist ganz einfach zu erklären. Die neuen Investitionen fließen einzig und allein in die Kriegsindustrie, weil die Amerikaner daran interessiert sind, daß gerade diese Industriezweige im Rahmen der Vorbereitung des dritten Weltkrieges gefördert werden. Dieser Haushalt ist darum schon jetzt ein Teil des kommenden Wehretats der Bundesrepublik, der nach anderen Informationen zur Zeit bereits in den drei zuständigen Ministerien im Hinblick auf die Verwirklichung der Washingtoner Beschlüsse aufgestellt wird.
Meine Fraktion muß darum in Übereinstimmung mit allen gutwilligen Menschen aus allen Schichten unseres deutschen Volkes diese Politik des Marshallplans, diese Politik der Förderung der Rüstungswirtschaft aus Interesse an der Erhaltung einer Friedenswirtschaft, an der Erhaltung des Friedens ablehnen. Wir sind nämlich der Meinung, daß diese Politik die deutsche Wirtschaft zerstört und unser deutsches Volk in eine neue Katastrophe führt.