Ich schlage vor, nunmehr so zu prozedieren, daß jene Fraktionen, die die Anträge b, c, d und e gestellt haben, sie nun- mehr begründen und daß ihre Redner in der Diskussion gleichzeitig zu den Ziffern a und f des Punktes 3 sprechen. — Das Haus ist einverstanden.
Wer begründet die Anträge für die Bayernpartei? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Dr. Etzel (BP), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat in seiner Sitzung vom 13. September auf Antrag der Koalitionsparteien die Absetzung des damaligen Punktes 7 — der heutigen Ziffern a bis e des dritten Punktes — der Tagesordnung beschlossen. Die Antragsteller begründeten ihren Vorschlag damit, daß über diese Beratungsgegenstände noch Verhandlungen zwischen der Regierung und den Fraktionen schwebten. Es ist zu hoffen, daß diese Verhandlungen inzwischen erfolgreich abgeschlossen werden konnten.
Zu Ziffer b darf ich folgendes bemerken. Es wird wohl von keiner Seite bestritten, daß die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes in dem Bundesgesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes besonders schlecht weggekommen sind. In der seinerzeitigen Debatte des Bundestags ist das auch zugegeben und die Erwartung zum Ausdruck gebracht worden, daß diese Benachteiligung durch eine nachfolgende gesetzliche Maßnahme beseitigt wird. Diesem Ziele dient der Antrag der Bayernpartei vom 6. Juli, Drucksache Nr. 2439.
In der Schlußphase des letzten Reiches ist die Walze der Desorganisation erbarmungslos über die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes hinweggegangen. Wieder einmal waren es die wirtschaftlich und sozial Schwachen, die vor allem die Auswirkungen einer von ihnen nicht zu verantwortenden verfehlten Politik, die Folgen eines schuldigen Systems und die brutalen Stöße der Torschlußpanik über sich ergehen lassen und erdulden mußten. Innerhalb kurzer Frist waren sie übergangslos vor das Nichts gestellt. Plötzlich waren ihre Arbeitsverträge nur noch Fetzen Papier. Löhne und Gehälter wurden nicht mehr ausgezahlt, Kündigungsfristen nicht eingehalten, an die Post zu Auszahlungszwecken überwiesene Beträge wurden nicht mehr abgefertigt, sondern blieben einfach liegen. So wurden später beim Postscheckamt Stuttgart über 6 Millionen und auf dem Postscheckamt Karlsruhe 3,5 Millionen solcher Gelder eingestampft. Jetzt noch haben die Betroffenen Schwierigkeiten, Dienstbescheinigungen bei den Abwicklungsstellen der ehemaligen Wehrmacht zu erhalten. Eine baldige Regelung ist daher unabweisbar.
Zu Ziffer c, Drucksache Nr. 2445, darf ich folgendes ausführen. Die Notwendigkeit, die Bezüge nicht nur der aktiven Bundes- und Länderbediensteten, sondern auch der Pensionäre und Hinterbliebenen anzupassen, wird allgemein bejaht. Seit dem Oktober 1950, also seit einem vollen Jahre, harrt das Problem der einheitlichen und gesetzlichen Lösung. Dadurch, daß vorläufige Teilregelungen auf dem Verwaltungswege erfolgten und einzelne Länder — unter sich wiederum unterschiedlich — dem Bund in der Anpassung vorausgingen, herrscht eine unerfreuliche Wirrnis. Der auf der Drucksache Nr. 2504 vorliegende Gesetzentwurf unternimmt es, die Altpensionäre und Althinterbliebenen von der Neuregelung auszuschließen. Er gibt damit in einem entscheidenden Punkte die im Kabinettsbeschluß vom 8. Mai dieses Jahres vorgesehene Regelung preis. Die Darlegung der Begründung des Gesetzentwurfs, daß die „notwendige Neuregelung der für die Altpensionäre zugrunde zu legenden Dienstbezüge erst im Zusammenhang mit der grundlegenden Besoldungsreform vorgenommen werden und bei einer Besserung der Haushaltslage im nächsten Jahre in Kraft treten" könne, bedeutet nicht mehr als eine fragwürdige Vertröstung der Machtlosen. Die mit dem Hinweis auf die Haushaltslage versuchte Rechtfertigung der Zurücksetzung und Benachteiligung der Altpensionäre geht fehl, da es sich um eine Angelegenheit des Rechts handelt. Der Ausschluß der Ruhestandsbeamten und Hinterbliebenen wäre ein Tiefschlag gegen das in Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes und in den Länderverfassungen — z. B. in Art. 95 der bayerischen Verfassung — anerkannte Berufsbeamtentum, zu dessen Wesen nicht nur die fachliche Vorbildung, die grundsätzlich lebenslängliche Anstellung, der lebensberufliche öffentliche Dienst und die wechselseitige Treuepflicht zwischen dem öffentlichen Dienstherrn und dem Staatsdiener, sondern auch der Schutz und die Achtung der erworbenen Rechte gehören. Der Versorgungsanspruch ist ein Element des Berufsbeamtentums; er ist ein Bestandteil der erdienter Bezüge, die in ihrem realen Wert, in ihrer Kaufkraft, tunlichst erhalten bleiben müssen. Tatsächlich haben die öffentlichen Bediensteten, deren Besoldungsregelung noch auf das Jahr 1927 zurückreicht, nicht nur an der Verbesserung des Lebensstandards nicht teilgenommen, sondern ihn auch in keiner Weise aufrechterhalten können. Sie sind, zudem durch die Währungsumstellung aufs schwerste getroffen, heute weitgehend und weithin verschuldet.
Das Berufsbeamtentum ist einer der wenigen Aktivposten, die uns verblieben sind. Wir hätten allen Anlaß, nicht auch ihn noch preiszugeben, sondern die Berufsbeamtenschaft als unentbehrlichen Faktor festgefügten und gut funktionierenden staatlichen Lebens und als wichtige gesellschaftliche Stütze und Säule inmitten proletarisch absinkender Massen zu erhalten. Tatsächlich aber sind zu keiner Zeit gefährlichere und massivere Angriffe gegen das Berufsbeamtentum geführt worden als seit dem Jahre 1945. Wir haben es uns allzu bequem gemacht und uns daran gewöhnt, unsere Komplexe — wie in der Entnazifizierung — auf der Linie des geringsten Widerstandes abzureagieren und unseren Schwierigkeiten in der widerstandsschwächsten Richtung auszuweichen, hier also zu Lasten des geduldigen, disziplinierten, stellen-und zeitweise vielleicht auch eingeschüchterten Berufsstandes der öffentlichen Beamten. Es verdient Anerkennung, daß sich in ihm gleichwohl ein hohes Maß von Berufsethos erhalten hat.
Um so leichter glauben wir es uns gegenüber den durch Tod gelichteten und durch Alter oder Gebrechen geschwächten Kreisen der Ruhestandsbeamten und Hinterbliebenen machen zu können. Der Respekt vor treu geleisteter Lebensarbeit und unsere eigene Würde sollten uns davor bewahren, hemdsärmelig vorzugehen.
In der Vergangenheit ist bei Regelungen der Beamtenbesoldung niemals der Grundsatz der Einheitlichkeit verletzt worden. Weder in der Zeit der Monarchie, noch während der Weimarer Republik, noch unter der Herrschaft des Nationalsozialismus ist das geschehen. Eine solche Differenzierung blieb der Bundesrepublik vorbehalten. Die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Regelung ignoriert die Tatsache, daß die Teuerung für alle, die aktiven Beamten und die Altpensionäre und Althinterbliebenen, gleich ist, setzt an die Stelle eines Rechtsanspruchs eine Fürsorgemaßnahme und benachteiligt, da die an die aktiven Beamten zu zahlenden Zulagen ruhegehaltsfähig sein sollen, die Altpensionäre und Althinterbliebenen gegenüber den künftigen Pensionären und Hinterbliebenen,
schafft also zwei Gruppen verschiedenen Rechts. Gemeinwesen, die Garanten des Rechts sein sollen, dürfen auch unter dem Einfluß finanzieller Schwierigkeiten nicht in einer solchen diskriminierenden Weise verfahren. Woher wollen wir die Berechtigung nehmen, den Besatzungsmächten gegenüber auf die Geltung, Wirksamkeit und Unverbrüchlichkeit anerkannter Rechtsgedanken und Rechtsgrundsätze zu verweisen, wenn wir selber nach innen ihnen zuwiderhandeln?
In der vorliegenden Fassung kann der Entwurf unmöglich Gesetz werden. Namens der Fraktion der Bayernpartei darf ich an das Hohe Haus die dringende Bitte richten, dem Antrag auf Drucksache Nr. 2445 ohne Ausschußüberweisung zustimmen zu wollen.