Ich möchte zunächst betonen, daß ich weniger als Abgeordneter denn als Berichterstatter spreche. Herr Kollege Renner, Sie haben zwar sehr freimütig gesagt, ich dürfe Sie unterbrechen und Sie der Lüge zeihen, wenn Sie von der Wahrheit abweichen, aber Sie haben das nicht wahrgemacht. Ich habe Sie einmal zu unterbrechen versucht, als Sie zwar nicht gelogen, aber objektiv unrichtige Ausführungen gemacht haben.
— Ich komme gleich darauf. — Ich habe das späterhin unterlassen, weil Sie mir ja doch nicht folgen und mir an Lautstärke zweifellos überlegen sind, zumal Sie den Lautsprecher zur Verfügung hatten, während ich vom Platze aus nur mit meiner Stimmgewalt reden kann.
Unterbrechen wollte ich Sie, als Sie erklärten, die Textbehauptung des ersten Artikels „Hundert Abgeordnete bestochen" rühre von einem Mann her, der angeblich nur geschwätzt habe. Von „angeblich" kann keine Rede sein. Der Abgeordnete Schmidt hat ja im Ausschuß selbst bekundet, daß er diese Behauptung ohne jeden Grund und überhaupt ohne jede Unterlage aufgestellt habe. Das steht objektiv fest. Wer sich diese Behauptung heute zu eigen macht, macht sich damit ohne weiteres strafbar, da seien Sie ganz ruhig! Kein Mensch kann müßiges Geschwätz, das als solches nunmehr feststeht, aufgreifen. Er muß, wenn er es
verbreitet, wie es hier geschehen ist, dafür vor Gericht gradestehen, vor jedem Gericht.
Das vorweg.
Zweitens: Ich habe nicht gesagt, daß der gesamte Inhalt der tatsächlichen Meldung richtig sei. Denn dann hätte das Flugblatt nicht ein oder zwei Seiten, sondern 500 Seiten umfassen müssen. Die Auszüge, die Sie aus den sehr viele Seiten umfassenden Protokollen zu machen für richtig gehalten haben, mögen richtig sein. Geprüft habe ich Sie nicht, das ist nicht meine Aufgabe. Ich zweifle aber nicht daran, daß sie richtig sind. Das mag geprüft werden. Aber daß die Schlußfolgerungen, die Sie daraus ziehen, richtig seien — genau das Gegenteil davon habe ich gesagt, das betone ich nochmals. Denn bekanntlich kann man ja besonders infam lügen, indem man etwas, was gesprochen worden ist, aus dem Zusammenhang herausreißt und die spätere Richtigstellung wegläßt. Deswegen ist die Mitteilung wahrheitsgemäßer Einzelheiten, wenn sie aus dem Zusammenhang herausgerissen sind, noch keineswegs eine richtige Darstellung.
Und nun das Fingerspitzengefühl. Gewiß doch, ich habe im Ausschuß davon gesprochen und es ist mir sehr unangenehm, daß man für solche Redewendungen, die man so in die Debatte wirft, nun geradestehen muß: „daß man einen Richter mit Fingerspitzengefühl brauche, um die Gemeinheit dieses Flugblattes zu erkennen".
Das habe ich erklärt. Aber „daß er ein Gefühl für Bonn haben müsse", davon habe ich auch nicht den Schatten einer Andeutung gemacht, sondern ich habe gesagt, daß dieser Richter ein einfühlender Kopf sein müsse, der die Gemeinheit von so zusammengestellten Meldungen erkenne.
Was aber die Bestrafung anlangt, lieber Herr Renner, da ist überhaupt kein Zweifel möglich; denn es ist ja doch im Ausschuß festgestellt worden — und auch kein Gericht wird etwas anderes feststellen können —, daß weder Herr Pferdmenges noch Herr Heinrichsbauer auch nur einem einzigen Abgeordneten jemals eine Mark gezahlt hätten.
Den Parteien haben sie es gezahlt!. Der Untersuchungsausschuß hat festgestellt — und zwar einmütig —, daß das nach dem Parteiengesetz in Zukunft vielleicht einer Regelung bedürfe, daß aber von einer strafbaren Bestechung gar nicht die Rede sein könne. Auch Sie und Ihre Partei müssen von Geld leben, und so ein Flugblatt kostet Geld, und ob Ihre Mittel ausreichen, um selber so etwas zu finanzieren, weiß ich nicht.
— Wir leben nicht auf dem Mond, sondern auf der deutschen Erde, und die deutsche Erde ist ja immer noch eine Noterde.
Diese Tatsache ist also mit aller Deutlichkeit festgestellt, weswegen ja auch z. B. niemand daran gedacht hat, unserem hochverehrten Herrn Kollegen Pferdmenges wegen der Tatsache, daß er sich um Geld bemüht hat, auch nur den geringsten Vorwurf zu machen. In dem ganzen Beschluß des Untersuchungsausschusses ist ja überhaupt nicht die Rede von einem solchen Vorwurf. Höchstens ist' angezweifelt worden, ob es mit der Stellung des Finanzministers vereinbar ist, solche Gelder zu verwalten. Aber daß ein Abgeordneter, der in entsprechenden Kreisen verkehrt und Ansehen genießt, Geldwerbungen für Parteien machen kann, hat bisher noch niemand angezweifelt.
Jedenfalls diese Schlagzeile hier: „Das Geschwätz unseres Kollegen Schmidt" rechtfertigt das, was Sie über Pferdmenges und über Heinrichsbauer mitteilen, in gar keiner Weise, und dafür werden die entsprechenden Stellen bestraft werden. Da bedarf es keines Fingerspitzengefühls; das steht fest.
Es ist nur so — das muß ich offen sagen —: wenn der Betreffende durch ein allzu mildes Gericht eine Strafe von, sagen wir einmal, 150 DM bekommt, dann sind wir der Meinung, daß eine solche Straftat ein Vergehen ist, das im Interesse unseres jungen, werdenden Staates mit einer nicht unter einem Jahr liegenden Strafe geahndet werden dürfte.
Das allein ist die Gefahr; in diesem Sinne bedarf es eines Fingerspitzengefühls für die Dinge, die hier als Ehrenkränkung anliegen. In dem Sinne habe ich das Wort gesprochen, und Sie werden nirgendwo einen Zeugen finden, der sagt, ich hätte ausgeführt, daß der betreffende Richter ein Fingerspitzengefühl „für Bonn" haben müsse. Ich habe lediglich erklärt, er müsse ein Fingerspitzengefühl für die Natur der Beleidigung haben.
Ich glaube, meine Herren, über diese Dinge ist jetzt genug gesprochen worden. Ich würde es jedenfalls bedauern, wenn wir uns wieder in eine Erörterung. über die den Untersuchungen des „Spiegel"-Ausschusses zugrunde liegenden Tatbestände einlassen würden. Davon kann keine Rede sein. Es handelt sich darum, die Herstellung eines Flugblattes zu ahnden, das zur Zeit, als es in der breitesten Öffentlichkeit publiziert wurde, das größte Unheil hätte anrichten können, wenn es von politisch zwar interessierten, aber ununterrichteten Lesern zur Kenntnis genommen wurde. Das ist der Tatbestand, vor dem wir stehen, und darüber haben wir zu entscheiden. Der Immunitätsausschuß hat Ihnen einstimmig — ich meine, Herr Kollege Renner, Sie hatten auch dafür gestimmt; ich müßte mich sehr irren, wenn es nicht so wäre — zu empfehlen, erstens die Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den Abgeordneten Gundelach und den Drucker zu erteilen und zweitens die Immunität des Abgeordneten Gundelach zum Zwecke der Durchführung dieser Strafverfolgung aufzuheben.