Rede von
Dr.
Herwart
Miessner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das deutsche Dienststrafrecht ist einer der wesentlichen Teile des deutschen Beamtenrechts. Die besondere Tätigkeit des Beamten, nämlich die Ausübung von Hoheitsrechten im Namen der Allgemeinheit, erfordert auch eine besondere Disziplin innerhalb des Beamtenkörpers. Die Beamtenschaft selbst begrüßt daher eine strenge Handhabung des Dienststrafrechts zur Ausmerzung „schwarzer Schafe" in den. eigenen Reihen.
Für das ganze 'Disziplinarrecht ist allerdings entscheidend, daß die Ahndung von Dienstvergehen in .die Hände unabhängiger Richter gelegt ist, daß wir also eine wirkliche Disziplinar gerichtsbarkeit — ich betone den letzten Teil des Wortes — haben. Der Staatsdiener muß wissen, daß sein Lebensschicksal — und die schwerste Strafe ist ja schließlich die Entfernung aus dem Dienst und damit die Vernichtung seiner Existenz — letztlich in der Hand des deutschen Richters liegt, zu dem er vollstes Vertrauen hat.
Die Freie Demokratische Partei begrüßt es daher, daß diese bewährten Grundsätze in . der Vorlage nicht angetastet sind und daß jetzt auch endlich das höchste Disziplinargericht errichtet wird, denn wie auf jedem anderen Rechtsgebiet ist auch hier ein höchstes Gericht zur Wahrung der einheitlichen Rechtsanwendung unerläßlich.
Der Bundesrat hat nun einige Änderungsvorschläge zu der Regierungsvorlage gemacht, denen wir im wesentlichen zustimmen können. So stimmen wir insbesondere der Anregung des Bundesrates zu, dem Beschuldigten in einem erweiterten Umfang die Möglichkeit der Verteidigung durch einen Anwalt zu geben. Die Inanspruchnahme eines rechtskundigen Verteidigers gehört nun eben einmal zu den wesentlichen Teilen eines ordentlich ablaufenden Gerichtsverfahrens.
Auch dem Vorschlag des Bundesrates, im Falle eines gleichzeitigen Strafverfahrens vor den ordentlichen Strafgerichten das. Disziplinarverfahren — wie bisher — bis zur Beendigung des ordentlichen Verfahrens auszusetzen, stimmt die
FDP zu. Ich darf kurz die Begründung des Bundesrats verlesen, die die Gründe am prägnantesten wiedergibt:
Die allenfalls zu erwartende geringe Beschleunigung des Strafverfahrens fällt gegenüber der Gefahr, daß zwei sich widersprechende Urteile ergehen, und der damit verbundenen Komplizierung des Verfahrens nicht entscheidend ins Gewicht. Außerdem bringt die Regelung des Entwurfs eine erhebliche Erschwerung der Verteidigung des Beschuldigten mit sich, der sich in zwei Verfahren gleichzeitig verteidigen muß.
Ganz abgesehen von diesen sehr beachtlichen Gründen scheint mir aber auch noch ein anderer Grund dafür zu sprechen; daß es abwegig wäre, dem allgemeinen Strafverfahren nicht auch zeitlich den unbedingten Vorrang zu geben; denn schließlich hat die Allgemeinheit ein Recht darauf, daß auch gegenüber dem Beamten zunächst die allgemeinen Strafgesetze angewendet werden; und es ist nur logisch, daß erst nach Feststellung des allgemeinen Strafrechtstatbestandes die speziellen und zusätzlichen Folgerungen im Disziplinarwege hinterherkommen.
Eine kurze Anregung im einzelnen sei noch erlaubt. Man könnte sich Gedanken machen, ob 'die vorgesehene Skala der Strafen des Dienststrafrechts ausreicht. In der Vergangenheit und auch gegenwärtig hat der Disziplinarstrafrichter hinsichtlich des Strafmaßes nur die Möglichkeit, zwischen Gehaltskürzung und Dienstentlassung zu wählen. Vielleicht ist hier eine gewisse Auflockerung der Strafenskala, vielleicht eine Zwischenstufe, am Platze.
Es geschieht z. B., daß auch bei Dienstentlassung in gewisser Höhe Unterhaltsgeld gezahlt wird, besonders dann, wenn der betreffende Beamte Frau und Kinder hat, die man nicht unnötig schwer treffen will. Wenn aber nur „Unterhaltsgeld" gewährt wird und kein Versorgungsanspruch mehr besteht, so hat das folgende Konsequenz. Stirbt der Beamte, also der Delinquent, dann fällt 'damit das Unterhaltsgeld weg, und gerade diejenigen, die ja mit dem Vergehen nichts zu tun haben, nämlich die Ehefrau und 'die Kinder, werden nun wirtschaftlich aufs härteste .durch den Wegfall dieses Unterhaltsgeldes gestraft, während den Täter selbst — und das ist das Kuriosum — diese Härte nicht getroffen hatte. Dies aber nur als Anregung! Im Grunde ist die FDP unter Berücksichtigung der Änderungsvorschläge des Bundesrates mit der Gesetzesvorlage einverstanden, da die bewährten Grundsätzedes Disziplinarrechts fortgeführt werden.