Rede von
Gustav
Sander
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen t und Herren! Die Interpellation berührt in stärkstem Maße die Wettbewerbsverhältnisse der Binnenschiffahrt wie überhaupt ihren zukünftigen Bestand. Bezüglich der Höhe der Verbilligung werden zwei Hauptfragen von diesem Problem berührt:
1. Kann der deutschen Binnenschiffahrt zugemutet werden, den Wettbewerb mit der ausländischen Schiffahrt aufzunehmen, da diese nur einen um mehr als 10 DM pro 100 kg niedrigeren Preis für Dieselkraftstoff zu zahlen hat?
2. Haben die von Regierungsseite befürworteten Investitionen zur Motorisierung und Modernisierung der deutschen Binnenschiffahrt einen Zweck, wenn die Beförderungskosten bei idem derzeitigen Stande des Dieselkraftstoffpreises je Ladungstonne höher liegen als beim veralteten Dampfschleppbetrieb?
Zu der Frage 1 ist folgendes zu sagen. Bis zum 31. März 1951 betrug der Normalpreis 45 DM pro 100 kg. Die der Binnenschiffahrt durch Preisverbilligung gewährte Vergünstigung betrug 28,50 DM. Die Binnenschiffahrt hatte somit einen Nettopreis von 16,50 DM pro 100 kg zu entrichten. Nach dem 1. April 1951 ist der Normalpreis auf ca. 50 DM gestiegen, wobei in Hamburg niedrigere, am Oberrhein höhere Preise gelten. Die Verbilligung beträgt für die Binnenschiffahrt 22 DM, so daß sie einen Nettopreis von durchschnittlich 28 DM zu zahlen hat. Die Differenz zwischen dem früheren Preis von 16,50 DM und dem heutigen Nettopreis von rund 28 DM beträgt also insgesamt 11,50 DM per 100 kg, was einer Verteuerung — und das ist bedeutend — von über 60 % entspricht. Die ausländische Binnenschiffahrt zahlt einen weit
geringeren Preis, nämlich in Holland und Belgien etwa 16,50 bzw. 17,20 DM. Der Preis der Schweizer Schiffahrt liegt infolge der zuzüglichen Transportkosten nur um weniges darüber. Also die deutsche Binnenschiffahrt zahlt 28 DM, die übrigen Rheinuferstaaten 16 bis 17 DM pro 100 kg.
Da die ausländische Schiffahrt bei allen Transittransporten und im übrigen durch Ausnutzung der durch Zollgesetze vorgeschriebenen Frist von 48 Stunden praktisch auf der ganzen Rheinstrecke, auch im innerdeutschen Verkehr, ohne zusätzliche Zollabgaben ihren billigen ausländischen Dieselkraftstoff verwenden kann, ist die deutsche Binnenschiffahrt hoffnungslos im Wettbewerb unterlegen.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat zwar der Binnenschiffahrt die Rückerstattung einer Betriebsbeihilfe von 22 DM zugebilligt, diese reicht aber, wie die mitgeteilten Zahlen ergeben, keineswegs aus, um die deutsche Binnenschiffahrt auch nur annähernd in die Lage zu versetzen, mit der 'ausländischen Binnenschiffahrt konkurrieren zu können.
Gemäß dem Gesetz zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiet der Mineralülwirtschaft vom 31. Mai 1951 und der hierzu einstimmig gefaßten Entschließung des Bundestages hat die Bundesregierung daher die Pflicht, wenigstens die alte Verbilligungsspanne von 28,50 DM mit Wirkung ab 1. April 1951 zu gewähren, zumal die bevorzugte Stellung der Binnenschiffahrt hinsichtlich des Bezugs von verbilligtem Dieselkraftstoff schon seit dem Jahre
1902 besteht.'
Zu der zweiten Frage muß darauf hingewiesen wenden, daß die gesamte deutsche Binnenschiffahrt infolge Krieg und Kriegsfolgen weitaus überaltert ist. Am 'deutlichsten tritt der technische Vorsprung der ausländischen Binnenschiffahrt hier 'am Rheinstrom in Erscheinung. Es wäre volkswirtschaftlich nicht zu verantworten, wenn nicht 'alle Mittel aufgeboten würden, um auch die deutsche Binnenschiffahrt 'dem Stande der Ausländer anzupassen. Meine Damen und Herren, wie Sie tagtäglich selbst sehen und hier am Rhein beobachten können, haben 'die Schweizer und Holländer die besten und schönsten Schiffe. Die Schweizer Flotte ist bereits zu etwa 70 % motorisiert, was 'einer erhöhten Umlaufgeschwindigkeit und einer Senkung der Frachtsätze zugute kommt und damit der verladenden Wirtschaft zum Vorteil gereicht.
Wenn bei der derzeitigen Preisgestaltung die Betriebsstoffkosten des an sich 'veralteten Dampfschleppbetriebs für die Standardstrecke Ruhrort—Mannheim bereits 40 bis 50 Pfennig pro Tonne Kohlenladung geringer sind, bleibt es nicht aus, daß die weitere Motorisierung der deutschen Binnenschiffahrt, insbesondere 'der Umbau von Schleppkähnen zu Selbstfahrern, eingestellt wird. Die 'bisherigen Umbauten, die auch von der Regierungsseite als förderungswürdig anerkannt sind, würden als Fehlinvestitionen zu charakterisieren sein. Die Folge wäre ferner, daß die moderne ausländische Binnenschiffahrt ein immer stärkeres Übergewicht erhielte, in vermehrtem Umfange in den innerdeutschen Verkehr eindringen würde und damit erhebliche Devisenverluste in Kauf genommen werden müßten.
Diese Entwicklung muß unter allen Umständen vermieden werden. Es ist daher die Aufgabe der Regierung, durch geeignete 'Maßnahmen, sei es nach dem System des früheren Zentralbüros für Mineralöl, sei es durch die Gestaltung der Zolltarife, 'die Mittel sicherzustellen, die erforderlich sind, um der Binnenschiffahrt die alte Preisspanne zwischen normalem und Vorzugspreis von 28,50 DM zu sichern und dadurch der Binnenschiffahrt die Wettbewerbsmöglichkeit gegenüber 'der ausländischen Binnenschiffahrt zu garantieren. Bei einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 100 000 t beträgt der 'zusätzliche 'Beihilfebetrag höchstens 61/2 Millionen DM.
Meine Damen und Herren! Ganz unverständlich ist es, daß der Herr Bundesminister der Finanzen sich bisher geweigert hat, der Fahrgastschiffahrt die gleiche Verbilligung wie der Güterschiffahrt einzuräumen. Nach dem Gesetz muß die Verbilligung der Binnenschiffahrt gegenüber gegeben werden; zur Binnenschiffahrt gehört aber nicht nur diè Güterschiffahrt, sondern auch die Personenschiffahrt. In dem Verhalten des Bundesfinanzministers ist idaher nach meiner Überzeugung ein Verstoß gegen den Willen 'des Gesetzgebers zu erblicken. Das Argument, die Fahrgastschiffahrtsunternehmen seien Vergnügungsbetriebe, geht fehl. Mit 'demselben Recht müßte sonst auch der in vielen Fällen zu Unterkosten-Tarifen durchgeführte Ausflugsverkehr der Bundesbahn unterbunden werden, da hierdurch ja auch das Defizit der Bundesbahn vergrößert wird, für das letzten Endes 'die Gesamtheit der Steuerzahler geradestehen muß.
Zum großen Teil handelt es sich hier schließlich um Betriebe, die 'dem Berufsverkehr dienen. Eine Erhöhung dieser Tarife wäre schon aus sozialen Gründen nicht möglich. Übrigens handelt es sich auch nicht in erster Linie um die Fahrzeuge der Köln-Düsseldorfer Rheindampfschiffahrt, da diese meistens mit Dampf betrieben werden. Betroffen sind vielmehr all die kleinen und Mittelbetriebe, die bei weiterer Ausschließung von 'der Betriebsbeihilfe ihre Existenz 'gefährdet sehen.
Da es sich bei der Lösung dieser Frage nicht allein um die Belange der hier in Frage kommenden Arbeitgeber, Reedereien usw. handelt, sondern auch in weit größerem Maße um die Interessen der in diesem Beruf beschäftigten Arbeitnehmer, bitten wir die 'Bundesregierung ebenfalls, durch eine ergänzende Verordnung so schnell wie möglich die Vorschriften des Gesetzes und die Entschließung der Drucksache Nr. 2193 durchzuführen.