Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorwurf, den der Herr Interpellant hier erhoben hat, die Bundesregierung sei von dem Gesetz und .von der Entschließung abgewichen, ist sehr weitgehend. Ich darf in aller Ruhe auf die Sachlage eingehen.
Zunächst zur Binnenschiffahrt. In Durchführung des § 2 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über die Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft vom 31. Mai 1951 hat die Bundesregierung mit der Verordnung über Verbilligung von Dieselkraftstoff für die See-, Küsten- und Binnenschiffahrt vom 6. Juni 1951 und der Verordnung über die Ermäßigung von Eingangsabgaben für Mineralöl in der Rheinschiffahrt vom 2. August 1951 Maßnahmen getroffen, die gewährleisten, daß für die Binnenschiffahrt dieselben Wettbewerbsbedingungen gegenüber dem Ausland bestehen wie bis zum 31. März 1951. Die DKVO-Schiff gewährt nämlich der Binnenschiffahrt eine Betriebsbeihilfe von 22 DM je 100 Kilogramm Dieselkraftstoff Eigengewicht. Die Verordnung über die Ermäßigung von Eingangsabgaben für Mineralöl in der Rheinschiffahrt setzt die Eingangsabgaben — Zoll, Mineralöl- und Umsatzausgleichssteuer — für die ausländische Schiffahrt mit 10 DM je 100 Kilogramm Dieselkraftstoff Eigengewicht fest, während diese Eingangsabgaben bis zum 1. September 1951 nicht erhoben worden waren. Durch die Festsetzung der Eingangsabgaben für ausländischen Dieselkraftstoff auf 10 DM je 100 Kilogramm Eigengewicht wird der von der ausländischen Schiffahrt für Dieseltreibstoff zu zahlende Preis auf denselben Betrag gebracht, den die deutsche Binnenschiffahrt unter Berücksichtigung der Betriebsbeihilfe zu zahlen hat.
Die Zahlung der Betriebsbeihilfe und die Festsetzung von Eingangsabgaben für von der ausländischen Schiffahrt verwendeten Dieselkraftstoff müssen als eine Einheit angesehen werden. Beide Verordnungen zusammen stellen hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Binnenschiffahrt gegenüber dem Ausland die gleichen Bedingungen wieder her, die zum 31. März 1951 bestanden haben.
Auf Grund des Art. 4 der revidierten Mannheimer Rheinschiffahrtsakte vom Jahre 1868 ist die Bundesregierung verpflichtet, die zur Rheinschiffahrt gehörigen Schiffe der anderen beteiligten Staaten in jeder Hinsicht ebenso zu behandeln wie die eigene Schiffahrt. Dies ist auf Grund der erwähnten Verordnung über die Ermäßigung von
Eingangsabgaben geschehen. Eine weitere Erhöhung der Betriebsbeihilfen kann die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Binnenschiffahrt gegenüber dem Ausland nicht erhöhen, weil im gleichen Augenblick die Bundesregierung verpflichtet wäre, die Eingangsabgaben für die konkurrierende ausländische Schiffahrt entsprechend zu senken und das ursprüngliche Gleichgewichtsverhältnis der Treibstoffpreise wiederherzustellen. Eine weitere Erhöhung der Betriebsbeihilfe verbessert somit nicht die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Binnenschiffahrt gegenüber dem Ausland; sie bringt lediglich eine doppelte Belastung für den Bundeshaushalt, nämlich auf der einen Seite die Erhöhung der Ausgaben für die deutsche Binnenschiffahrt und auf der anderen Seite die Minderung der Einnahmen durch entsprechende Senkung der Eingangsabgaben für die ausländische Schiffahrt.
In diesem Zusammenhang muß gesagt werden, daß bereits von ausländischer Regierungsseite — von Holland — unter Hinweis- auf die der deutschen Binnenschiffahrt gewährten Betriebsbeihilfen und die Höhe der erwähnten Eingangsabgaben Proteste wegen angeblicher Schlechterbehandlung der ausländischen Schiffahrt erhoben worden sind. Wenn auch, wie zuvor dargelegt, nach Überzeugung der Bundesregierung ein solcher Vorwurf nicht begründet ist, da die Höhe der Eingangsabgaben nach der Treibstoffpreisdifferenz bemessen wurde, um welche die ausländische Schiffahrt bis dahin besser lag, so zeigt, er doch zumindest, daß die Bundesregierung bei ihren Hilfsmaßnahmen zugunsten der deutschen Binnenschiffahrt schon mit Rücksicht auf mögliche Rückwirkungen gegenüber dem Ausland nicht weitergehen kann, als geschehen ist, nämlich die deutsche Schiffahrt der auslän- dischen Schiffahrt hinsichtlich der Treibstoffpreise gleichzustellen.
Hinsichtlich der Wettbewerbsverhältnisse der deutschen Binnenschiffahrt zur Bundesbahn ist zu bemerken, daß ja in Kürze die Massengütertarife der Bundesbahn angehoben werden müssen, wodurch die Wettbewerbslage der Binnenschiffahrt günstig beeinflußt wird.
Bezüglich der Wirtschaftslage der Binnenschifffahrt selbst darf ich feststellen, daß sich ihr Beschäftigungsstand im gesamten laufenden Jahr ständig erhöht hat. Diese Entwicklung hat sich auch im Monat Juli fortgesetzt. Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes hat die Binnenschiffahrt nunmehr mit einer Beförderungsleistung von rund 8,3 Millionen Tonnen und 2 Milliarden Tonnenkilometern d'as bisher größte Nachkriegsergebnis erreicht.
Fahrgastschiffahrt und Fähren: Bis zum 31. März dieses Jahres wurden die für die Durchführung von Treibstoffverbilligungsmaßnahmen zugunsten der sogenannten privilegierten Verbraucher erforderlichen Mittel aus Abschöpfungserlösen aufgebracht, die beim Zentralbüro für Mineralöl durch Belastung der übrigen Treibstoffverbraucher anfielen. Die Treibstoffverbilligungen der sogenannten privilegierten Verbraucher zahlten somit die übrigen Treibstoffverbraucher. Da seit dem 1. April dieses Jahres eine Rechtsgrundlage für die Durchführung solcher Abschöpfungsmaßnahmen nicht mehr besteht, gehen alle Treibstoffverbilligungsmaßnahmen in voller Höhe als zusätzliche Belastung zu Lasten des Bundeshaushaltes, also des allgemeinen Steuerzahlers. Ihre Auswirkung für den Bundeshaushalt ist im Endergebnis dabei dieselbe, ob sie in Form eines Zoll- und Steuerverzichts oder in Form einer echten Subvention durchgeführt werden.
Die Fahrgastschiffahrt dient nun zum überwiegenden Teil, teilweise sogar ausschließlich, dem Ausflugsverkehr. Angesichts der derzeitigen Kassen- und Haushaltslage des Bundes kann es nicht verantwortet werden, den Ausflugsverkehr aus öffentlichen Mitteln — also aus Mitteln des Steuerzahlers — zu subventionieren. Bei der unvermeidbaren Beschränkung des Bezieherkreises von Subventionen muß es vielmehr den diesen Ausflugsverkehr betreibenden Reedereien zugemutet werden, so zu wirtschaften, daß sie Subventionen aus dem öffentlichen Haushalt nicht benötigen.
Was die Frage der Fähren anlangt und die Frage der sogenannten Fahrgastschiffahrt, die nicht dem Ausflugsverkehr, sondern allenfalls dem Massenverkehr dient, so ist zu sagen, daß die Stadt Hamburg ja in der Zwischenzeit im Bundesrat einen Antrag auf Ergänzung der Verordnung über die Subventionierung der Fahrgastschiffahrt und Fähren gestellt hat. Dieser Antrag ist vom Finanzausschuß des Bundesrats mit allen gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt worden, und zwar mit der einfachen Begründung, daß der Antrag Hamburgs davon ausgehe, daß Hamburg heute seine Hafenschiffahrt, Fahrgastschiffahrt und Fähren aus Mitteln von Stadt und Land Hamburg subventioniere. Die Absicht des Antrags von Hamburg sei natürlich gewesen, durch eine Subventionierung des Bundes einzuspringen, wo Stadt und Land Hamburg ihrer bisherigen Tradition nach die Pflicht der Hilfe gehabt hätten. — Das war der erste Grund.
Der zweite Grund ist der gewesen, daß der Treibstoffverbrauch und der Treibstoffpreis gemessen am einzelnen Fahrgast oder einzelnen Tarif, einen so minimalen Betrag ausmacht, daß hier von einer Rückwirkung vom Standpunkt des Arbeiterverkehrs aus nicht gesprochen werden kann. In dieser Überlegung hat der Finanzausschuß des Bundesrats diese Anregung einstimmig abgelehnt.
Hochseeschiffahrt: Seit Ausbruch der Koreakrise ist die Hochseeschiffahrt der ganzen Welt von einem ungewöhnlichen Boom erfaßt, an dem auch die deutsche Hochseeschiffahrt ihren vollen Anteil hat. In Auswirkung hiervon haben sich die Frachtraten seitdem vervielfacht, im Durchschnitt etwa verdreifacht. Man kann daher ohne Übertreibung sagen, daß die deutsche Hochseeschiffahrt hinsichtlich der Ertragslage derzeit an der Spitze aller deutschen Wirtschaftszweige steht. Darüber hinaus sei an die Vergünstigungen erinnert, welche die Hochseeschiffahrt auf steuerlichem Gebiet — § 7 d Einkommensteuergesetz — und durch das Gesetz über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen erfahren hat und noch weiter erfährt. Angesichts dieser Sachlage erscheint eine weitere Erhöhung der Treibstoffvergünstigungen zugunsten der Hochseeschiffahrt nicht vertretbar.
Fischerei: Was die kleine Hochsee-, Küsten- und Binnenfischerei betrifft, so betrug bei ihr der Verbilligungsbetrag bei Treibstoff bis zum 31. März dieses Jahres nicht für jede Verbrauchergruppe 33 DM je 100 kg Dieselkraftstoff Eigengewicht. Zum Beispiel betrug der der Küsten- und Binnenfischerei gewährte Verbilligungsbetrag nur 24,50 DM je 100 kg Dieselkraftstoff Eigengewicht.
Auf der andern Seite wird heute der Binnen-, Küsten- und der kleinen Hochseefischerei ein Zu-
schuß gewährt, der einem Gesamtverbilligungsbetrag von 32 DM je 100 kg Dieselkraftstoff Eigengewicht gleichkommt. Die Küsten- und Binnenfischerei steht somit nach der nunmehr vorgenommenen Regelung beim „Bezug von 100 kg Dieselkraftstoff Eigengewicht um 6,50 DM besser als vor dem 31. März 1951. Es muß auch festgestellt werden, daß der deutsche Fischereiverband der Verordnung über Verbilligung von Dieselkraftstoff vom 6. Juni 1951 ausdrücklich zugestimmt hat.
Große Hochseefischerei: Die große Hochseefischerei kommt durch die Maßnahmen der Bundesregierung in den Genuß einer Betriebsbeihilfe, die der Höhe von Mineralölzoll und -steuer entspricht. Sie wird also durch Zoll- und Steuerbelastungen in ihrer Konkurrenzfähigkeit nicht behindert. Kann sie darüber hinaus die Bedürftigkeit nachweisen, erhält sie außerdem einen weiteren Verbilligungsbetrag von 7 DM für 100 kg Dieselkraftstoff Eigengewicht. Eine schematische Gleichstellung mit der kleinen Hochsee-, Küsten- und Binnenfischerei konnte nicht verantwortet werden, weil die wirtschaftliche Lage der großen Hochseefischerei eine andere ist als die der kleinen Hochsee-, Küsten-und Binnenfischerei.
Meine Damen und Herren, hier darf man nicht von den Berechnungen ausgehen, die von den Verbänden zur Erzielung einer Subvention vorgelegt werden, sondern hier ist besser von den Geschäftsberichten auszugehen, die die Gesellschaften selbst der Öffentlichkeit gegenüber abgeben. Ich lese nur einen Geschäftsbericht, und zwar einen Geschäftsbericht der größten Hochseefischerei vor, der folgende Sätze enthält:
Für das laufende Geschäftsjahr rechnet die Gesellschaft ebenfalls mit zufriedenstellenden Resultaten. Während im vergangenen Jahre drei Schiffsneubauten in Fahrt gesetzt worden sind, waren es im zweiten Halbjahr 1950 sieben Schiffe. Auch das Umlaufvermögen erfuhr eine bemerkenswerte Ausdehnung. Die Liquiditätslage ist bemerkenswert gut.
Auch der Ertrag ist relativ stark gestiegen.
Nach Abzug aller Aufwendungen verbleibt ein beträchtlich erhöhter Reingewinn;
4 % Dividende für Vorzugsaktien, 6 % Dividende für die übrigen.
Ich glaube, daß unter diesen Umständen eine Subvention aus öffentlichen Mitteln, die der kleine Mann bei uns bezahlt, nicht mehr dringend erscheint.
Landwirtschaft: Die Verordnung über die Verbilligung von Dieselkraftstoff für die Landwirtschaft ist am 3. August dieses Jahres im Bundesgesetzblatt erschienen. Dieser Verordnung hat auch der Bundesrat zugestimmt. Ich bemerke, daß diese Verordnung, die mit den einzelnen interessierten Kreisen und mit den Ländern abgestimmt werden mußte, selbstverständlich eine gewisse Zeit der Vorbereitung benötigte. Die Landwirtschaft hat erst mit Ausbruch des Krieges — also als kriegswirtschaftliche Maßnahme — echte Treibstoffsubventionen erhalten, während ihr bis zum Jahre 1939 nur der Zoll, und auch der nur teilweise, erlassen wurde. Der Zoll betrug damals 21 RM je Doppelzentner Zollgewicht; er wurde um 13 RM auf 8 RM für die Landwirtschaft ermäßigt. Die nunmehr durchgeführte Regelung weist gegenüber früher insofern eine Verbesserung auf, als derzeit der Zoll 14 DM je Doppelzentner Zollgewicht, das sind 16,80 DM je Doppelzentner des Eigengewichts, beträgt und dieser durch den Verbilligungsbetrag von 12 DM für die Landwirtschaft auf 4,80 DM des Eigengewichts ermäßigt wird.
Wenn ich also nunmehr zur Beantwortung der Fragen übergehe, darf ich feststellen:
1. Die Bundesregierung ist vom Gesetz und von der Entschließung nicht abgewichen.
2. Die Bundesregierung kann in der von ihr vorgenommenen Regelung keine Schädigung der Binnenschiffahrt erblicken. Sie ist vielmehr der Auffassung, bei ihren Maßnahmen den Interessen der Binnenschiffahrt voll gerecht geworden zu sein.
3. Der Erlaß einer ergänzenden Verordnung erscheint nicht notwendig, da die bislang fehlende Verordnung über Verbilligung von Dieselkraftstoff für die Landwirtschaft am 28. Juli 1951 erlassen worden ist.