Rede von
Friedrich
Nowack
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Schäden, die durch die Übungen der Besatzungstruppen entstanden sind, haben von Jahr zu Jahr an Umfang zugenommen. Während die Schäden in der Lüneburger Heide im Jahre 1949 152 000 DM betrugen, stiegen sie im Jahre 1950 auf 1 227 000 DM und erreichten im laufenden Jahr bis zum 15. August die Summe von 3 800 000 DM.
Sie werden sich noch weiter erhöhen, denn die Übungen sind ja noch nicht abgeschlossen. Allein in den Landkreisen Soltau, Lüneburg und Harburg sind 585 ha landwirtschaftlich genutzte Fläche, 279 ha forstwirtschaftlich genutzte Fläche und 255 km Straßen, Feld- und Gemeindewege zerstört bzw. so beschädigt, daß es erheblicher Mittel bedarf, um diese wieder instand zu setzen. Die schwersten Schäden sind bei den Straßen und Wegen entstanden. Zu ihrer Wiederherstellung sind nach amtlichen Schätzungen mindestens 2 200 00 DM erforderlich.
Die erhebliche Zunahme der Straßenschäden ist einmal auf den vermehrten Einsatz von Fahrzeugen, insbesondere von Panzern, zum andern aber vor allem auf die Verwendung schwerer Panzer zurückzuführen. Kreis- und Gemeindestraßen haben besonders an Straßenbiegungen oftmals derartige Schäden erlitten, daß die Straßen selbst für bäuerliche Fahrzeuge nicht mehr befahrbar sind und dadurch Schwierigkeiten in der Milchabfuhr sowie bei den Erntearbeiten eintraten.
Schwere Schäden erlitten auch die Brücken und hier vor allen Dingen die mit geringerer Tragfähigkeit. Manche Brücken wurden von den Truppen in der Weise verstärkt, daß sie unter Verwendung der alten Fundamente mit einer Behelfsbrücke überbaut wurden. Jedoch sind selbst in diesen Fällen Schäden entstanden, da die vorhandenen Fundamente diese zusätzliche Belastung nicht aufnehmen konnten. Oftmals wurden neben der Brücke besondere Brücken bzw. Panzerfurten angelegt. So führte die in Oldendorf angelegte Panzerfurt zu einer Erhöhung der Flußsohle um etwa 1 m.
Aber auch die Schäden, die in den Forsten angerichtet wurden, sind nicht unerheblich. Zahlreiche Schneisen wurden gefahren, die zur Vernichtung des betreffenden Baumbestandes führten. Die Bäume wurden nicht nur abgeknickt, sondern auch zerfahren, so daß sie durchweg nur als Abfallholz verwendet werden können. Der Schaden ist gerade in diesen gefahrenen Schneisen deshalb so groß, weil eine Aufforstung erst nach Abholzung des gesamten Bestandes möglich ist und daher die betreffenden Flächen in vielen Fällen auf Jahrzehnte hinaus brach liegen bleiben müssen. Schonungen wurden ebenfalls niedergewalzt.
Aber auch die Schäden an landwirtschaftlich genutzten Flächen sind recht erheblich. Diese Schäden hätten bestimmt vermieden werden können, wenn die berechtigten Belange der betroffenen Gebiete eine zulängliche Berücksichtigung erfahren hätten. Bestellte Flächen wurden nicht geschont, obwohl dies durchaus möglich gewesen wäre, da angrenzende bzw. in der Nähe gelegene Straßen und Wege sowie Ödlandflächen hätten befahren werden können. Getreide- und Kartoffelfelder wurden selbst kurz vor der Ernte kreuz und quer befahren. Sie wurden vielfach nicht nur durchquert, sondern in ihnen wurden auch Änderungen der Fahrtrichtung sowie Wendeübungen durchgeführt, wodurch besonders schwere Schäden, insbesondere durch Vertiefungen, entstanden. So konnten allein in einem etwa 1 ha großen Getreidefeld 74 Panzerspuren gezählt werden. Bestellte Felder, Wiesen und Weiden wurden zum Teil in einer Breite bis 14 m als Panzerrollbahnen in Anspruch genommen. Hier sind nicht nur tiefe Fahrspuren, sondern auch größere Vertiefungen entstanden, die zum Teil den Umfang von Panzerdeckungslöchern angenommen haben. Der Boden ist dadurch metertief festgewalzt worden. Die Einebnung verursacht erhebliche Kosten. Die Auflockerung des verdichteten Bodens war mit sehr großen Schwierigkeiten verbunden. Hierdurch treten wesentliche Wirtschaftserschwernisse sowie Mindererträge auf diesen Flächen auf Jahre hinaus ein. Bestellte Felder wurden als Lagerplätze benutzt. Die Aberntung der von Panzern befahrenen Felder gestaltete sich außerordentlich schwierig. Dadurch, daß Furchen zum Teil bis zu Knietiefe entstanden sind, war und ist der Einsatz von Erntemaschinen nicht oder nur unter erschwerten Verhältnissen möglich. Das Abmähen des Getreides mußte teilweise mit der Hand geschehen. Erntewagen konnten nicht voll beladen werden. Sie sackten oft in eingeebnete Spuren ein und kippten dann um.
Größere Schäden sind auch an Kartoffelfeldern und im Landkreis Lüneburg gerade an Saatkartoffelfeldern entstanden. Die Kartoffeln von diesen Feldern können nicht mehr als einwandfreies Saatgut verkauft werden, zumal die Druckschäden von außen vielfach nicht zu erkennen sind.
Da ein großer Teil dieser Kartoffeln sonst als Saatgut ins Ausland geht, tritt durch die Verwüstung dieser Saatgutfelder eine Minderung der Deviseneinnahme ein. Nicht unerwähnt darf in diesem Zusammenhange bleiben, daß oftmals kulturhistorisch wertvolle Anlagen wie Minengräber, Steinmale, Haine, Gerichtsbäume und besondere Naturdenkmäler trotz Kennzeichnung nicht verschont geblieben sind.
Unverständlich ist und bleibt es für die deutsche Bevölkerung, daß die Übungen in dieser Art und Weise abgewickelt werden. Die Hauptschäden sind nämlich nicht durch großräumige Übungen entstanden, sondern in erster Linie durch sogenannte Fahrübungen einzelner Panzer bzw. durch Verbandsfahrübungen kleinerer Einheiten sowie durch gelegentliche Einsatzübungen dieser kleinen Einheiten, die ohne jede Berücksichtigung der wirtschaftlichen Belange der Bevölkerung durchgeführt wurden. In Einzelfällen mußte leider auch ein rücksichtsloses Vorgehen von Einheiten bzw. einzelnen Fahrern festgestellt werden, die begründete Vorstellungen von deutscher Seite unbeachtet ließen wie z. B. die Bitte um Nichtbefahrung von Hofräumen sowie Schonung besonders wertvoller Kulturen. Dieses Verhalten vereinzelter Besatzungsangehöriger hat zu Verbitterung und Mißstimmung geführt und dürfte die Beziehungen zwischen Besatzungsmacht und Bevölkerung belasten.
Es darf aber in diesem Zusammenhang auch nicht unerwähnt bleiben, daß der Verbindungsoffizier des Claims Office in Rheinsehlen sich energisch für Abstellung derartiger Auswüchse eingesetzt hat, daß seine Bemühungen aber infolge des ständigen Wechsels der übenden Einheiten bisher nicht zu einem vollen Erfolg geführt haben. Kein Verständnis bringt die Bevölkerung auch dafür auf, daß Übungen in verstärktem Umfange kurz vor der Ernte durchgeführt wurden und nicht auf einen späteren Termin verlegt werden konnten.
Bei Betrachtung des Schadens, der dem einzelnen Betroffenen und der gesamten Volkswirtschaft entstanden ist, erhebt sich die Frage: Mußte das sein? Nun, wir wissen, Soldaten müssen üben, wenn sie ihr Handwerk im Ernstfalle richtig verstehen sollen. Aber nach unserer Auffassung hätten die gleichen Übungen mit dem gleichen militärischen Erfolg auch ohne weitgehende Schädigung der land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen unter Inanspruchnahme von Straßen, Wegen und Ödland durchgeführt werden können. So ist z. B. in vielen Fällen eine Panzerfahrschneise über landwirtschaftlich genutzte Flächen gelegt worden, die unmittelbar neben der Landstraße verläuft. Daß man manchmal auch anders konnte, dafür folgendes Beispiel: An der Stelle. wo der britische Marschall Montgomery im Mai 1945 die Kapitulation des deutschen Heeres entgegennahm, ist, soweit das Auge sehen kann, keine Panzersnur zu erkennen, obwohl sich dieses Gelände für Panzerübungen besonders gut eignet und in der Heide wenig Schaden angerichtet werden konnte. Trotzdem wurden hier keine Panzerübungen abgehalten. Aber dort an dieser Stelle. wo die Heide aufhört und die bestellten Äcker beginnen, wurden diese von den Panzern zerwühlt.
Meine Freunde und ich werden dem Antrag Drucksache Nr. 2560 ihre Zustimmung geben. Wir erwarten aber. daß die Bundesregierung nicht nur mit den zuständigen alliierten Stellen in Verbindung tritt, um zu erreichen, daß derartige
Schäden, wie sie bei den diesjährigen Manövern der alliierten Truppen entstanden sind, in Zukunft vermieden werden, sondern auch den geschädigten Ländern, Kreisen, Gemeinden und ebenso der geschädigten Bevölkerung den entstandenen Schaden baldmöglichst ersetzt.