Meine Damen und Herren! Bereits in der 77. und in der 139. Sitzung des Deutschen Bundestages haben wir uns mit den Manöverschäden vornehmlich im norddeutschen Raum, und hier wiederum besonders im Bezirk der Lüneburger Heide, unterhalten müssen. Nachdem auch die Presse nicht nur des norddeutschen Raumes, sondern darüber hinaus des gesamten Bundesgebietes sich eingehend mit den im Manövergebiet entstandenen Schäden befaßt hat, darf ich es mir wohl versagen, heute noch einmal auf diese Dinge einzugehen.
Und doch sind am heutigen Abend einige Worte am Platz. Ich habe mich selber, auch während der Ferientage, auf die ,Notrufe hin, die aus dem Manövergebiet der Lüneburger Heide kamen, einige Male in dieses Gebiet begeben. Wenn ich Ihnen sage, daß ich abends bei Regenwetter mitten in einem Dorf mit meinem Wagen bis über die Achsen versackt bin und mich von einem Trecker herausziehen lassen mußte, dann mag Ihnen das zeigen, wie selbst auf den befestigten Straßen der Dörfer des Lüneburger Landes die schweren 50 t-Panzer ihre Spuren hinterlassen haben. Das war erst in den jüngsten Tagen. Darüber hinaus muß ich erwähnen — die Manöver und die Fahrübungen gehen dort oben seit zwei Jahren und seit dem Frühjahr ununterbrochen vor sich —, daß die im Frühjahr angerichteten Schäden auf den Feldern, auf den Wiesen und in den Wäldern noch lange nicht vernarbt sind. Die Erregung der Bevölkerung dort oben ist gar zu verständlich. Niemand, und wenn er Laie auf militärischem Gebiet ist, weiß das Verständnis dafür aufzubringen, daß Panzer nun ausgerechnet über ganze Reihen Roggenstiegen hinwegfahren müssen, statt neben den Stiegen zu fahren. Wenn ich Einheitsführer wäre, hätte ich
dem Panzerkommandanten erklärt: Unter jeder Roggenstiege liegt ein Maschinengewehr; wer darüber fährt, ist außer Gefecht gesetzt!
Es ist hier mutwillig Schaden angerichtet worden. Dagegen richtet sich die Erregung der Bevölkerung. Ich muß zum Lobe der großen Masse der an den Manövern teilnehmenden Männer sagen: Die Bevölkerung dort oben erkennt an, daß sie sich mit Fahrzeugen und Panzern anständig, zurückhaltend und vorsichtig bewegt haben. Aber die Klagen werden um so lauter über die mutwillig angerichteten Verwüstungen. Ich habe in der vorvergangenen Woche eine Fahrt durch die Raubkammer gemacht und bin viele Kilometer an Truppenübungsplätzen entlanggefahren, den größten in der Lüneburger Heide, die wir überhaupt haben, mit über 80 000 ha, also 830 qkm, und habe kilometerlang nicht eine einzige Einfuhrschneise der schweren Panzer gesehen. Auf der anderen Seite, in den Privat- und staatlichen Forsten, die zum Teil 20-, 30-, 40jährigen Kiefernbestand haben, reichten die tiefen Spuren nahezu 100 m hinein. Dieser Anblick erinnerte mich an die Luftminen, die während des Krieges in meinem Heimatbezirk in rauhen Mengen heruntergegangen sind. Für derartige Verwüstungen hat die Bevölkerung dort oben keinerlei Verständnis. Ich möchte Sie daran erinnern, daß das einzigartige Monument, das wir im Bereich der Lüneburger Heide haben, die Totenstadt im Bezirk Lüneburg, dieses wunderbare Kulturdenkmal, nicht verschont geblieben ist, daß sechs Riesenwarnschilder aufgestellt waren und daß diese Warnschilder mit umgewalzt wurden. Da kann man nur noch von Mutwillen reden.
Alle Fraktionen des Hauses sind sich darin einig, daß die Regierung, gerade auch aus politischen Rücksichten, alles unternehmen sollte, damit derartige Schäden für die Zukunft vermieden werden. Damit würde sich die Regierung, glaube ich, große Verdienste bei der Bevölkerung erwerben.
In diesem Zusammenhang muß darauf hingewiesen werden, daß die Mitarbeiter des Herrn Bundesfinanzministers und des Herrn Bundesernährungsministers, vornehmlich aber die Herren der Dienststelle Blank nichts unversucht gelassen haben, in der Angelegenheit vorstellig zu werden, soweit ihnen die Möglichkeit dazu gegeben war. Ich bekam aber gestern auf wiederholte Vorstellungen hin von der Dienststelle Blank ein Schreiben des Inhalts, daß nunmehr bei all den Schäden, die aus dem Frühjahr noch nicht beglichen sind, die deutschen Feststellungsbehörden wieder sehr schnell, von Tag zu Tag arbeiten, daß aber nun plötzlich die Zahlungen ausbleiben. Von der Dienststelle Blank wird uns mitgeteilt:
Hinsichtlich der Abfindung der Manöverschäden hat eine fernmündliche Rücksprache mit dem niedersächsischen Finanzministerium ergeben, daß das britische Hauptquartier leider seit kurzer Zeit Änderungen in dem Entschädigungsverfahren verfügt hat, die sich sehr zum Nachteil der Betroffenen auswirken. Während bisher die Manöverschäden durch die deutschen Behörden selbständig festgestellt, geschätzt und entschädigt werden konnten, hat das britische Hauptquartier angeordnet, daß nun jeder Schaden durch die britische Dienststelle in Herford sachlich festgestellt werden muß. Erst dann kann die deutsche Feststellungsbehörde die zahlenmäßige Höhe des Schadens schätzen. Die Zahlungsanweisungen müssen jedoch vor der Auszahlung zunächst von der englischen Dienststelle gegengezeichnet werden.
Hier liegt der Hase im Pfeffer. Man hat das Konto der Besatzungskosten überzogen. Darunter hat die betroffene Bevölkerung nunmehr gleichfalls zu leiden.
Wir bitten die Regierung dringend, in dieser Hinsicht schnellstens bei der Alliierten Hohen Kommission vorstellig zu werden. Auf vieles ist bereits in der 77. und der 139. Sitzung des Deutschen Bundestages hingewiesen worden. Wir hoffen, daß nunmehr, da wir uns zum drittenmal mit diesen Schäden befaßt haben, endlich ein Einsehen erfolgt und der gute Wille sichtbar wird, für die Zukunft — ich denke an das kommende Jahr — die Schäden auf ein geringes Maß herabzudrücken. Wir hoffen — das ist das Wesentliche —, daß die Vorschläge, die wir zusammen mit den genannten drei Ministerien bereits in den letzten Wochen unter Hinzuziehung der betreffenden Landräte und des betreffenden Regierungspräsidenten gemacht haben, nun auch bei den englischen Dienststellen nicht nur diskutiert, sondern auch beherzigt werden. Ich sage: Nur der gute Wille vermag das zustande zu bringen. Wir hoffen, daß dieser gute Wille auch in der Wahner Heide einziehen wird. Ich hatte, als ich mit einer Bauerndeputation des Lüneburger Landes, die während der Ferien hilfesuchend hierher kam, in der Wahner Heide einen Besuch machte, ganz und gar nicht den Eindruck, als sei dieser gute Wille in jenen Tagen schon zum Durchbruch gekommen.