Meine Damen und Herren! Ehe ich in die Behandlung der Materie eintrete, darf ich ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Niebergall machen. Er erklärte, daß sie — d. h. die Herren von der äußersten Linken — zwar die Interessen der Landwirtschaft fördern, es aber ablehnen, daß über die Zuckerpreise neue Mittel für die Wiederaufrüstung gefunden werden. Ich meine, dieses Märchen kennen wir längst. Ich würde Ihnen raten, Herr Niebergall, sich einmal um die Zuckerwirtschaft in der Ostzone zu kümmern.
Aus der Ostzone verschwindet der meiste Zucker nach Rußland, obwohl Rußland einen ausgedehnten Rübenanbau und eine eigene Zuckerindustrie hat. Sie werden es mir nicht verübeln, wenn ich annehme, daß dieser Zucker zu Sprengstoff verarbeitet wird; denn Sprengstoff ist ja das Lebenselixier Ihrer Weltanschauung.
Und dann, Herr Niebergall, begeben Sie sich einmal in die HO-Läden. Die breite Masse der Bevölkerung in der Ostzone kennt den Zucker nur mehr
noch aus Bilderbüchern; und in den HO-Läden wird er verkloppt, wie mir mitgeteilt worden ist, für 3,50 Ostmark pro Pfund! Also kümmern Sie sich dort mal um die Zuckerwirtschaft, und wenn Sie die in Ordnung gebracht haben, können Sie hier mitreden.
Nun, meine Damen und Herren, zu dem Gesetz, das hier zur Debatte steht. In diesem Gesetz soll die Preisregelung für Zucker neu getroffen werden, und zwar in der Form, daß nicht mehr die Bundesregierung, sondern der Wirtschaftsminister und der Ernährungsminister mit dem Bundesrat die Entscheidungen treffen, wie es auch im Preisgesetz vorgesehen ist. Denn man kann der Bundesregierung nicht zumuten, bei jeder Einfuhr einen Beschluß zu fassen und — je nachdem, wie der Preis in den einzelnen Einfuhrländern liegt — den Preis festzusetzen. Ich glaube, daß niemand etwas gegen die neue Regelung einzuwenden hat.
Der springende Punkt bei diesem Gesetz ist Abs.. 4, den auch die Kollegin Keilhack beanstandet hat. Mit dieser Bestimmung wird der Regierung die Möglichkeit gegeben, Abschöpfungen vorzunehmen.
Meine Damen und Herren, wie liegen die Dinge? Rübenbau und Zuckerindustrie haben Kalkulationen eingereicht: nachdem der Rübenpreis. auf 6 Mark festgesetzt worden ist und Erhöhungen der Löhne, der Frachten, der Kohle und all dessen, was dazu gehört, eingetreten sind, müssen diese Mehrkosten durch den Zuckerpreis abgedeckt werden. Durch den Rübenpreis von 6 Mark würde sich ein Preis von 46,20 DM gegen bisher 38,42 DM ergeben. Die Industrie soll 5 Mark mehr erhalten, obwohl ihre Kalkulation über diesen Preis hinausging. Aber die von mir geleitete Wirtschaftsvereinigung Zucker hat der Regierung erklärt: Wir finden uns also mit 5 Mark ab; wir sind nicht dazu da, Betriebe, die technisch nicht auf der Höhe sind, zu erhalten, sondern wollen gerade durch eine solche Preisfestsetzung diese Betriebe zwingen, sich technisch entsprechend auszugestalten.
Dann sind die Spannen für den Handel erhöht worden. Der Großhandel erhält statt 4,98 5,76 Mark und kommt damit auf einen Gewinn von 4,2% beim Umsatz von Zucker; der Einzelhandel kommt auf einen Gewinn von 7,2%. So niedrige Spannen gibt es im Lebensmittelhandel bei keiner anderen Ware. Ich darf hier unterstreichen, daß die gesamte Wirtschaft, die am Rübenbau und an der Zuckerwirtschaft interessiert ist, absolutes Maß gezeigt hat in ihren Forderungen hinsichtlich dessen, was nun geschehen muß. Man kann aber der Wirtschaft nicht zumuten, zum Schluß des Jahres ein großes Defizit unter dem Strich erscheinen zu lassen, und ich glaube, dafür haben auch die Konsumenten Verständnis.
Die Situation ist bei uns so, daß wir rund 600 000 tons Zucker einführen müssen, wenn wir den vorhandenen Bedarf decken wollen. Die Kurve für den Bedarf an Zucker steigt an. Wir sind das Land, das im Zuckerverbrauch noch am tiefsten steht, und man kann diesen Bedarf nicht künstlich abdrosseln. Zucker ist eines der wichtigsten Nahrungsmittel, und deshalb brauchen wir die Einfuhr.
Nun erklärt der Finanzminister — weil wir ja für diese Einfuhr Subventionen brauchen, da der Weltmarktpreis über dem Inlandpreis liegt —, daß er im Etat keine Mittel für die Subventionen hat und daß die Mittel irgendwo anders herkommen müssen. Es bestand *die Absicht, für den eingeführten Zucker einen Zuckerzoll mit 32 Mark pro
Doppelzentner zu erheben und diesen Zucker nur in die industrielle Verarbeitung zu geben. Ja, meine Damen und Herren, das ist sehr schön gesagt, aber die industrielle Verarbeitung umfaßt ja nur zum geringsten Teil Produkte, die man eventuell als Luxus ansprechen kann. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß auch nicht alle Schokolade Luxus ist. Wir haben aber die Marmeladenindustrie, die Kunsthonigindustrie, Bäckereien, Konditoreien, Obstkonservenfabriken usw. usw.. Tatsächlich werden, wenn ich den Luxusbedarf großzügig bemesse, vielleicht 15% unseres gesamten Zuckerverbrauchs in diesen Sektor der industriellen Verwertung hineingehen. Das würde bedeuten, daß — wenn ich den Zoll dazu nehme — hier eine starke Verteuerung eintritt.
Dann, meine Damen und Herren, komme ich zur These vom gespaltenen Markt. Mit dieser These geht mein verehrter Freund von Rohr schon seit Jahr und Tag in unseren deutschen Landen hausieren. Aber, meine Damen und Herren, man kann den Zucker weder schwarz, rot, blau noch grün färben, und wer garantiert mir, — —
— Sie würden ihn ja lieber rot färben,
aber seien Sie beruhigt: es gibt einen. gewissen rot gefärbten Zucker; den können Sie sich holen, um Ihre Einmachtöpfe damit zu färben! —
Meine Damen und Herren, wer garantiert mir dafür, daß nicht auch deutscher Zucker in den Sektor „Auslandszucker" hineinfließt? Man kann das nachher auch chemisch nicht mehr unterscheiden. Ich bin der Überzeugung, daß der gespaltene Markt zu einem Schwarzhandel führen wird, dessen wir nicht mehr Herr werden.
Und nun die andere Seite. Gibt es keine Subventionen, können wir auch keinen Zucker mehr einführen. Der Berichterstatter hat schon darauf hingewiesen, daß mit der deutschen Produktion ein Kopfbedarf von 1,5 kg pro Monat gedeckt werden kann. Das ist der Verbrauch an Mundzucker. Wenn nicht mehr Zucker zur Verfügung steht, dann werden wir auch wieder zu einem Schwarzmarkt auf Kosten des Mundverbrauchs kommen. Ich glaube, dem wird keiner von uns das Wort reden. Deshalb müssen Mittel und Wege gesucht werden, über diese Schwierigkeiten hinwegzukommen.
Meine Damen und Herren! Das Gesetz, das uns vorliegt, bestimmt ja keine Preise, und der Bundestag hat mit der Preisfestsetzung auch gesetzlich nichts zu tun. Aber wir haben ein großes Interesse daran, zu wissen, wie die Dinge laufen werden. Ich erkläre nochmals, daß Rübenbau und Industrie mit einer Preisgestaltung über 132 DM nichts zu tun haben, daß aber im Interesse der Gesamtversorgung ein Weg gefunden werden muß, der die Einfuhr ermöglicht. Ich bin der Auffassung. daß wir dem Gesetz zustimmen können und müssen, um der Regierung eine Möglichkeit zu geben, die Dinge in ihrer Verantwortung zu regeln. Aber ich habe hier im Namen meiner Freunde zu erklären, daß wir vor der Regelung gehört werden wollen und daß wir ein ernstes Wort darüber mitreden möchten, wie die Dinge gestaltet werden; denn die letzte Regelung allein der Regierung zu überlassen, erachten wir angesichts der Gesamtsituation, in der sich die breiten Massen der Konsumenten befinden, für unerträglich und unmöglich. Ich bin auch der Meinung, daß fiskalische Gründe so weit als mög-
lieh zurückzutreten haben und daß unter allen Umständen vermieden werden muß, irgendein Lebensmittel zu verteuern über das Maß dessen hinaus, was wirtschaftlich unbedingt notwendig und erträglich ist.
Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie deshalb, diesem Gesetzentwurf, der die Preisfrage nicht präjudiziert, zuzustimmen mit der Maßgabe, daß das Gesetz nicht, wie vorgesehen ist, am Tage der Verkündung, sondern am 1. Oktober in Kraft tritt. Ich stelle den Antrag, daß der 1. Oktober genommen wird. Es ist mir gelungen, die Zuckerindustrie zu veranlassen, schon am 24./25. September mit der Arbeit zu beginnen, obwohl die Rüben dann noch nicht ausgereift sind, eben damit in der Zuckerversorgung keine Pannen auftreten. Die Preisanordnung für Zuckerrüben ist da, und in dem Augenblick, in dem ich die Zuckerrüben abnehme, bin ich verpflichtet, den Preis zu zahlen, ohne daß ich weiß, ob ich ihn aus dem Erlös für den Zucker zahlen kann. Deshalb muß eine Preisregelung zum 1. Oktober gefunden werden, damit es hier nicht zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Spannungen kommt. Deshalb die Bitte, dem Gesetz zuzustimmen
unter der Voraussetzung, die ich eben genannt habe, daß seitens der Regierung mit den Fraktionen dieses Hauses über die Preisfrage eingehend verhandelt wird und daß das Gesetz am 1. Oktober in Kraft tritt.