Rede von
Dr.
Victor-Emanuel
Preusker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Renner, ich darf Ihnen zunächst einmal sagen, daß unsere Fraktion — und wahrscheinlich nicht unsere Fraktion allein — der Meinung ist, daß diese Ruhrbehörde tatsächlich ein Anachronismus ist und daß der Geist, aus welchem sie die Entscheidung über die Exportquote für das vierte Quartal 1951 gefällt hat, wirklich einen Rückfall in gewisse Erscheinungen der letzten Jahre darstellt, von denen wir gehofft hatten, daß sie längst der Vergangenheit angehören.
Ich möchte die Bundesregierung im Namen meiner Fraktion bitten, sich weiterhin mit allen Mitteln für eine vernünftige Senkung der Kohlenexportquote einzusetzen. Auf der andern Seite möchte ich aber auch hier klar zum Ausdruck bringen — und ich unterstreiche, was der Herr Bundeswirtschaftsminister schon gesagt hat —, daß es eine gewisse Menge von Kohle gibt, die wir einfach exportieren müssen und auch exportieren wollen, weil es in unserem Interesse liegt, dafür Nahrungsmittel und Rohstoffe, die wir nur gegen diese Exportkohle zu erhalten in der Lage sind, hereinzubekommen.
Das muß aber eine bestimmte Grenze haben. Man darf, wenn man zu einem gemeinsamen Europa kommen will, nicht nur zugunsten der einen und zu Lasten der anderen entscheiden. Ich möchte hier einmal, an die Adresse der Alliierten gerichtet, sagen: ich glaube, sie handeln obendrein auch in ihrem vermeintlichen Interesse sehr kurzsichtig: Denn welchen Eindruck muß denn ihre Hartnäckigkeit gegenüber den deutschen Lebensbedürfnissen bei den deutschen Bergarbeitern auf die Dauer hervorrufen, wenn diese immer wieder sehen, daß jede Mehranstrengung, zu der sie bereit sind, jedes Opfer, das sie im vergangenen Winter durch die Mehrschichten gebracht haben, nicht auch dem deutschen Volke zugute kommt, sondern daß man sich darüber hinwegsetzt? Ich glaube, die Ruhrbehörde wäre besser beraten, wenn sie daran denken würde, daß die deutschen Bergarbeiter wahrscheinlich viel leichter den Entschluß zu einem nochmaligen erheblichen zusätzlichen Arbeitseinsatz finden würden, wenn man hier Deutschland endlich einmal entgegenkäme.
Es ist im Frühjahr ein schwerer Entschluß gewesen, als man angesichts der Kohlenknappheit zwischen der Beschäftigung der Industrie, d. h. der Sicherung der Arbeitsplätze, und dem Hausbrand in gewisser Weise zu wählen hatte, wenn man den Hausbrand in sehr starkem Umfange vorzog. Wir haben diesen Entschluß ganz bewußt gefaßt und stehen nach wie vor in vollem Umfang dazu. Um so mehr müssen wir nun auch verlangen, daß die Richtlinien, die das Bundeswirtschaftsministerium am 22. März 1951 zur Durchführung der Verteilung des Hausbrandes im Winter 1951/52 an die hierfür zuständigen Länderministerien erlassen hat, von den Ländern durchgeführt und voll zur Wirksamkeit gebracht werden. Ich muß noch einmal unterstreichen: wenn in den Ländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, die in der Ausführung dieser Richtlinien hier als besonders säumig angeführt wurden, bis jetzt die sich aus der Zuteilung von sechs Zentnern pro Haushalt ergebenden Gesamtmengen nur so verteilt werden können, daß die einzelnen Kohlenhändler auf Grund der vorjährigen Bezugsmengen beliefert werden, ja, dann müssen sich doch die größten Verklemmungen ergeben. Der eine Kohlenhändler hat inzwischen erheblich weniger Eintragungen, der andere die doppelte Zahl an Eintragungen bekommen, und trotzdem erhalten beide, einfach weil das Land bis jetzt nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, die gleichen Mengen zugeteilt wie im Vorjahr. Da-. durch hat der eine zuwenig, um seine Kunden beliefern zu können, der andere hat zuviel.
Wenn die Länder nicht in der Lage sind, solche Anordnungen, die im Interesse des ganzen Volkes notwendig sind, auszuführen, dann — das möchte ich im Namen meiner Fraktion erklären — ist es notwendig, in ähnlicher Weise wie etwa in der Frage der Finanzverwaltung dafür zu sorgen, daß das Wirtschaftsministerium durch eine gesetzliche oder verfassungsmäßige Änderung Kontroll- und Aufsichtsbefugnisse gegenüber den Ländern bekommt, die nicht in der Lage sind, wie etwa Schleswig-Holstein, innerhalb einer Zeit von jetzt immerhin einem halben oder einem Dreivierteljahr bestimmte Anordnungen auszuführen.
Ich möchte etwas Weiteres sagen, und darin stimme ich mit dem Kollegen Imig völlig überein: Die entscheidende Wandlung kann natürlich nur durch Maßnahmen zur Fördersteigerung erfolgen.
Wir hoffen, daß wir durch eine größere Einsicht, durch das baldige Verschwinden des Anachronismus der Ruhrbehörde zu einer geminderten Exportmenge kommen. Wir haben ferner das Anliegen an die Bundesregierung, daß sie mit den Besatzungsbehörden darüber Verhandlungen führt, ob es angesichts des großen Mangels in Deutschland tatsächlich notwendig ist, daß die Besatzungsbehörden ihre Bezüge an Kohle hier in Deutschland von 2,13 auf 3,46 Millionen Tonnen steigern, während
wir gleichzeitig den notwendigsten Industriebedarf kürzen müssen.
Aber diese Dinge würden ja — das hat Professor Erhard vorhin schon dargelegt — gar nicht die entscheidende Besserung der Versorgungslage erbringen. Wir haben ohne die anderen Versorgungsgruppen allein bei der Industrie eine Lücke von 4 Millionen Tonnen und beim Hausbrand eine Lücke von mindestens 2 Millionen Tonnen im Quartal. Es muß also noch einiges mehr geschehen, und hier möchte ich Herrn Kollegen Imig sagen: Wir sind auch dafür, daß endlich wieder klare Rechtsträger im Bereich des Kohlenbergbaues sowie der Eisen- und Stahlindustrie geschaffen werden, und zwar so schnell wie möglich. Aber wir sind aufs äußerste und entschiedenste dagegen, daß man versucht, noch wieder durch weitere Experimente diese klare Rechtsordnung hinauszuschieben, so daß auch weiterhin in diese Bereiche der deutschen Wirtschaft einfach nicht das Kapital hineinströmen kann, das hier unbedingt notwendig ist.
Zum zweiten muß man auch den Mut haben — und das haben wir der Bundesregierung bereits mehrfach gesagt —, auf die Dauer nicht an Preisbindungen festzuhalten, die durch die Wirklichkeit längst überholt sind. Es ist wohl nicht zuviel gesagt, daß heutzutage bereits eine Freigabe der Kohlenpreise, für die ich in vollem Umfange noch gar nicht einmal plädieren möchte — der Hausbrand soll zunächst ausgeklammert bleiben —, im ganzen gesehen das Preisniveau senken würde. Wir haben ein Beispiel bei der Treibstoffbewirtschaftung. Wir würden dasselbe bei der Kohle erleben. Die Erträge dieser Mehrpreise würden nicht Schwarzhändlern und Schiebern zugute kommen, sondern ' sie würden dem Kohlenbergbau und auch dem Bergmann zugute kommen. Das ist die zweite Forderung.
Die dritte Forderung geht dahin, daß wirklich Anstrengungen unternommen werden, die Kapitalmarktpolitik in Ordnung zu bringen, damit dann in die neu geschaffenen klaren Rechtsträger auch wirklich die 1,5 Milliarden DM, die erforderlich sind, um die Förderung um 50 000 Tagestonnen zu steigern, mit größter Beschleunigung hineingelangen können. Dies ist eine Aufgabe, auf die sich die Anstrengungen der Bundesregierung und des ganzen deutschen Volkes zu konzentrieren haben. Es soll nicht mehr nur von Kohle gesprochen werden, sondern es soll sich alles zusammenfinden, um dafür zu sorgen, daß das Produktionsproblem auf dem Wege der Neuinvestitionen, auf dem Wege einer klaren Preispolitik und auf dem Wege der offenen Aufklärung der Bevölkerung über die Situation gelöst wird.