Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zahlenakrobatik, die uns der Herr Bundeswirtschaftsminister heute wieder vorgeführt hat, ändert — das scheint mir klar zu sein — nichts an dem Tatbestand, daß es bei den von den Koalitionsparteien sowie der Regierung vorgesehenen 20 Zentnern Hausbrandkohle bleiben soll und daß auch der Verteilungsschlüssel keinerlei Änderung im Sinne einer Besserstellung der ausgesprochenen Friedensindustrie erfahren soll.
Gestatten Sie mir einige Worte der Antwort an die Adresse des Herrn Kollegen Imig und des Herrn Kollegen Etzel. Beide reden einer Steigerung der Kohlenproduktion das Wort. Der Herr Kollege Imig weist darauf hin, wie ungeheuerlich sich der Gesundheitszustand der Bergarbeiterschaft im Untertagebetrieb verschlechtert hat. Man könnte die Feststellung von der Überalterung des Bergmannes hinzufügen. Man könnte auf die Auswirkungen des systematischen, bereits in der Nazizeit begonnenen Raubbaus an den Bergarbeitern verweisen. Aber der Herr Kollege Imig hat auch von der Notwendigkeit des Bergarbeiterwohnungsbaus und von den Stockungen gesprochen, die auf diesem Gebiet eingetreten sind. In seiner eigenen Essener Zeitung war vor einigen Monaten ein Artikel mit der Überschrift „Die Neubergarbeiter laufen uns davon" zu lesen. Das Problem so anzufassen, daß man wahllos Neubergarbeiter in die Betriebe hineinpumpt, ist sinnlos. Für diese Neubergarbeiter gibt es keine Unterbringungsmöglichkeiten. Hinzu kommen die absolut ungenügenden Entlohnungsbedingungen für diesen Kreis von Arbeitern, so daß also damit meines Erachtens nichts geschafft ist.
Dann hat der Herr Kollege Imig mir die Frage vorgelegt, wie wir es uns denn vorstellten, die Exportquote in dieser Weise zu senken und die vorhandenen Kohlenmengen nur der Friedensproduktion zuzuführen. Ja, Herr Kollege Imig, Herr Etzel hat Ihnen eine Antwort darauf gegeben. Er hat Ihnen gesagt, daß man leider gezwungen war, die Produktion an Stahl- und Eisenerzeugnissen in einem das Maß des Erträglichen übersteigenden Umfang ins Ausland zu schicken, um dafür wieder Kohle und andere Dinge, wie Lebensmittel und dergleichen, hereinzuholen.
Aber er und auch der Herr Minister haben sich nicht zu der Frage geäußert, wie es mit dem „Kampf" der Regierung um die notwendige Erhöhung des Kohlenexportpreises steht. Sie haben auch kein Wort über die Differenz zwischen dem Preis für Importkohle, der ja um 10 Dollar pro Tonne höher liegt, und dem Preis, den wir für die Exportkohle erzielen, verloren. Niemand hat auch von dem Problem der Schwarzkohle gesprochen. Wie ist es denn möglich, daß kleine und mittlere Unternehmer an der Ruhr, im Bergischen Land gezwungenermaßen, wie ich zugebe, um überhaupt ihre Betriebe noch am Leben zu erhalten, Kohle in jeder Menge schwarz zu einem unverschämten Preis kaufen können? Wo kommt diese Kohle denn eigentlich her? Wo ist denn das Loch im Sieb des Herrn Ministers, durch das sie hindurchschlüpft?
Dann noch ein anderes Wort! Der Herr Kollege Etzel hat gesagt, daß die Schuld für die Fehlleitung der Kohle seiner Meinung nach bei den Ländern liege. Er hat davon gesprochen, daß die Belange der Kommunen, was die Versorgungsbetriebe angehe, absolut gesichert seien. Vor mir liegt die Äußerung des Herrn CDU-Oberstadtdirektors von Düsseldorf. Er wohnt ja nur wenige Kilometer von Herrn Etzel entfernt, der in Duisburg zu Hause ist. Ich empfehle Ihnen, das, was Ihr Fraktionskollege zu diesen Dingen sagt, zu lesen, der ausspricht, daß Ihre „konstruierten Zahlen" nur auf dem Papier stehen, daß der Stadt an Hausbrandkohle nur 13,5 Zentner zur Verfügung stehen, daß die Schulbetriebe vor der Gefahr stehen, geschlossen zu werden, und daß keine Kohle für die Krankenhäuser und die Altersheime, auch keine Kohle für die kleinen und mittleren Betriebe da ist. Er stellt fest, daß statt der 80 Zentner Normalverbrauch an Kohle für Hausbrand, für Kleinindustrie, Mittelstand und Kleingewerbe nur 13,5 Zentner zur Verfügung stehen.
Wer treibt denn nun die Agitation, wer treibt nun die Propaganda, Sie oder Ihr Kollege von der CDU in Düsseldorf?
— Das ist Ihre ewige Entschuldigung. Wenn hier etwas vorgebracht wird, wogegen Sie mit Sachlichkeit nicht mehr angehen können, reden Sie von Agitation und von dem Bedürfnis, Agitation zu treiben. Hier handelt es sich um einen echten Notstand unseres Volkes, um eine Frage, die hier im Bundestag geklärt werden müßte, wenn Sie Ihre Pflicht gegenüber dem Volk tun wollen.
Aber nun ein letztes Wort, nur noch ein paar Minuten! Wie steht es denn eigentlich mit dem mit so großem Aplomb angekündigten Austritt des Herrn Blücher aus der Ruhrbehörde? Welche Konsequenzen hat man gezogen? Was hat man getan, um die Exportquotensenkung durchzusetzen? Was hat man seitens der Regierung getan, um den normalen, den richtigen, den üblichen Exportkohlenpreis, den Weltkohlenpreis herauszuholen? Nichts hat man unternommen! Immer und immer wieder nur erzählt man uns von dem entschlossenen Willen, dagegen anzugehen, und immer und immer wieder unterwirft man sich der Diktatur des Petersbergs. Das muß doch einmal klar ausgesprochen werden. Der Herr Blücher spricht auf dem Parteitag der FDP von Nordrhein-Westfalen in Münster davon, die Bundesregierung müsse erreichen, daß in nächster Zeit ein neuer Kohlepreis festgesetzt werde, daß zur Unterbindung von Korruption der Kohlemarkt an einer einzigen Stelle abgewickelt werden und daß ein höherer Kohleexportpreis erzielt werden müsse. Der Herr Schumacher hat diesen Beschluß der Ruhrbehörde seinerzeit als einen „Rückfall in die MorgenthauAtmosphäre" bezeichnet. Der Herr Blücher hat seinen angeblichen Austritt aus der Ruhrbehörde so begründet, daß diese Ruhrbehörde ein Anachronismus sei, der verschwinden müsse. Die Ruhrbehörde ist noch da, der Herr Blücher ist noch da, der Vertreter des DGB in der Ruhrbehörde ist noch da, und wir haben diesen Winter keine Kohlen, um die Wohnungen der schaffenden Menschen an der Ruhr, die über der Kohle wohnen und frieren müssen, zu beheizen. Das alles ist eine Folge Ihrer Politik der Verbeugung und der Unterwerfung unter die Pläne des ausländischen und des deutschen Monopol- und kriegshetzerischen Kapitals. So liegen die Dinge, und so müssen sie gesehen werden.
Nun noch ein Wort an den DGB, an die sozialdemokratischen Kollegen. Im vorigen Jahr haben Sie das Verfahren von Panzerschichten gefordert. In diesem Jahr reden Sie, wobei Sie gleichzeitig die wachsende Unsicherheit in den Betrieben, die gesundheitsgefährdende Arbeit herausstellen, wieder der Steigerung der Produktion das Wort. Warum eigentlich machen Sie nicht von der großen, großen Kraft Gebrauch, die in den Gewerkschaften, in der organisierten Arbeiterschaft vorhanden ist? Warum setzen Sie gegen diese Regierung, die Sie als Partei doch öffentlich, in Ihren Zeitungen und in Ihren Wahlversammlungen für diesen Notstand unseres Volkes verantwortlich machen, gegen diese Regierung des Hungers, gegen diese Regierung der Kriegsvorbereitung nicht die Kraft der geeinten Arbeiterschaft? Nun ja, ich habe es vorhin gesagt: weil Sie zu den Kräften gehören, die diesen Herrn Adenauer samt seinem Wirtschaftsminister, der sich um das Wohlergehen der Menschen in Westdeutschland so „große Sorge" macht, stützen. Warum setzen Sie diese Regierung nicht außer Kurs? Sie hätten die Kraft dazu, wenn Sie sich auf die Kraft der Arbeiterklasse und auf die Kräfte der in den Gewerkschaften zusammengeballten Menschen stützen würden, die nur auf ein Signal warten, um mit dieser Regierung Schluß zu machen.