Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag zielt im ersten Teil darauf ab, einen Beschluß des gesamten Bundestages herbeizuführen, in dem festgestellt wird, daß die Höhe der derzeitigen Kohlenexportquote, die mit den Interessen des deutschen Volkes unvereinbar ist, auf einen Stand herabzusetzen ist, der die ausreichende Belieferung der Bevölkerung mit Winterhausbrand und den notwendigen Bedarf der deutschen Friedensindustrie, der öffentlichen Versorgungsbetriebe, der Schulen, Krankenhäuser, Alters- und Kinderheime, der Bundesbahn und aller übrigen Verkehrsmittel sicherstellt.
Als in den ersten Augusttagen dieses Jahres bekannt wurde, daß die Ruhrbehörde die Kohlenexportquote für das vierte Quartal 1951 auf 6,2 Millionen Tonnen festgelegt hat, wurde diese Tatsache von der gesamten deutschen Öffentlichkeit heftig kritisiert und die Quote als untragbar bezeichnet. Da mir nur 10 Minuten Redezeit zur Verfügung stehen, kann ich leider weder auf die Hintergründe dieses Beschlusses eingehen noch kann ich die Grundsätzlichkeit und die Ehrlichkeit dieser offen geführten westdeutschen Kritik an diesem Tatbestand überprüfen. Halten wir nur eines fest: daß nach wie vor de] Exportpreis für unsere deutsche Kohle mit etwa
12 Dollar pro Tonne um 10 Dollar unter dem 22 Dollar betragenden freien Weltmarktpreis liegt. Halten wir fest, daß wir also an jeder Tonne exportierter Kohle nach wie vor 10 Dollar verlieren. Wir Kommunisten glauben, daß es hohe Zeit ist, aus diesem Stadium der mehr oder minder negativen Kritik an den Auswirkungen der Politik der Ruhrbehörde herauszukommen, den Besatzungsbehörden klipp und klar zu erklären: Keine Tonne Kohle mehr an Kohlenexport, als mit den tatsächlichen Interessen des deutschen Volkes vereinbar ist.
Wir fordern in unserem Antrag weiter, die Bundesregierung zu verpflichten, für jede Haushaltung 30 Zentner Hausbrandkohle zur Verfügung zu stellen. Wir erinnern den Herrn Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard an die Worte in seiner Eröffnungsrede anläßlich der Internationalen Ausstellung für Druck und Papier, in der er damals sagte:
Es geht nicht an, daß die westdeutsche Bevölkerung auch in diesem Winter wieder frieren
muß.
Und weiter:
Es ist nicht zu verantworten, daß Deutschland gezwungen wird, Kohle weiter unter dem Weltpreis abzugeben.
Die Bevölkerung Westdeutschlands ist es — das kann nicht klar genug ausgesprochen werden — satt, dieses Hin und Her in der Diskussion um die Quote, die für den Hausbrand in diesem Winter zur Verfügung stehen soll, noch länger mitzumachen. Die Bevölkerung ist es aber auch leid, alle paar Tage aus dem Mund dieses oder jenes Parteivertreters, Parlamentariers oder gar Ministers widerspruchsvolle Zahlen über die beabsichtigte Hausbrandquote anzuhören. Nach der Erklärung, die der Herr Bundeswirtschaftsminister am vergangenen Samstag oder Sonntag herausgehen ließ, beabsichtigt er jetzt, eine Kohlenzuteilung von 22 Zentnern pro Haushalt durchzuführen. Er sagte weiter, er wolle der Bevölkerung bei der heutigen Sitzung endlich klaren Wein über die Pläne der Regierung in diesem Punkt einschenken. Ich freue mich darüber, daß diese Antwort durch unseren Antrag ausgelöst worden ist.
Aber eine Bemerkung dazu. Unserer Überzeugung nach reichen diese 22 Zentner Kohle nicht aus. „Der Volkswirt" hat am 9. Mai geschrieben:
Alle beteiligten Stellen sind sich darüber einig,
daß die Planzahl von 20 Zentnern pro Haushalt
und Jahr unzureichend ist. Im Krieg galt eine
Menge von 30 bis 35 Zentnern als normal. England will in diesem Jahr den Süden mit 34,
den Norden mit 50 Zentner Kohle versorgen. Die 30 Zentner Hausbrand, die wir in unserem Antrag für jeden Haushalt fordern, sind unserer Überzeugung nach und auch erfahrungsgemäß die Mindestmenge dessen, was der Durchschnittshaushalt braucht, um im Winter einen Wohnraum ausreichend beheizen zu können. Unser Volk hat ein Recht, von der Regierung zu fordern, daß diese Mindestmenge an Hausbrand unter allen Umständen garantiert wird.
Wir haben ferner in unserem Antrag gefordert, daß nach Sicherung des Hausbrandkontingents die zur Verfügung stehenden Kohle- und Koksvorräte so eingesetzt werden, daß die öffentlichen Versorgungsbetriebe, die Schulen, die Krankenhäuser, die Altersheime und Kinderheime, die Verkehrseinrichtungen in erster Linie und die Betriebe der Friedensindustrie ausreichend versorgt sind. Das ist heute nicht der Fall. Wir fordern, daß keine Tonne Kohle den Betrieben der Kriegsrüstungswirtschaft und der Kriegsindustrie zugewiesen wird. Wir wollen, daß jede verfügbare Tonne Kohle nur zur Stärkung unserer Friedenswirtschaft eingesetzt wird, damit Stillegungen und Kurzarbeit auf ein Mindestmaß reduziert werden, was nur durch einen richtigen Einsatz unserer Kohle erreicht werden kann.
Wie die Industrie selber den vom Bundeswirtschaftsminister für die Versorgung der Industrie ausgearbeiteten Plan beurteilt, dazu nur zwei Feststellungen, und zwar zunächst aus dem „Industriekurier" vom 25. August 1951:
Eine der Gruppen,
— so heißt es da —
die unter der ungenügenden Versorgung am stärksten zu leiden haben, ist die Textilindustrie. Während für sie im Juli noch 42 000 Tonnen Kohle bereitgestellt wurden, die den Bedarf mit etwa 25 % deckten, ist für die Monate August und September zusammen nur etwa die gleiche Menge verfügbar, so daß die Versorgung der Textilindustrie, selbst unter Anrechnung der zu höheren Preisen erworbenen Kohle
— der sogenannten „freien" Kohle oder „Heimkehrkohle" oder „Wiedersehenskohle" —
unter 50 % des Verbrauchs sinkt.
Die „Süddeutsche Zeitung" stellte am 6. September unter der Überschrift „Ziegeleien müssen schließen" fest, daß von einem Monatsbedarf von etwa 30 000 Tonnen Ruhrkohle die Ziegeleibetriebe im Augenblick nur etwa 30 % zur Verfügung gestellt erhalten. Diese Beispiele ließen sich am laufenden Bande vermehren.
Wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard nach seiner Amerikareise uns als Scheintrost gesagt hat, daß die Möglichkeit bestehe, alle erforderlichen Kohlenmengen aus den USA zu beziehen und daß so die deutsche Kohlenfrage geregelt werden könne, so sagen wir ihm: Schluß mit der Verschleuderung unserer deutschen Kohle an die westeuropäische und die amerikanische Rüstungsindustrie zu einem Spottpreis, Schluß mit der Freigabe von deutscher Kohle für die Kriegsrüstung! Die deutsche Kohle muß dem Frieden dienen. Wir wollen Arbeit und Brot für unsere schaffenden Menschen Westdeutschlands aus einer Wirtschaft, die ausschließlich dem friedlichen Aufbau dient. Dafür arbeiten auch die Kumpel an der Ruhr — und für keinen anderen Zweck! Mit den im vorigen Jahr von ihnen geforderten Panzerschichten wird man bei ihnen in diesem Jahr bestimmt kein Glück haben.
Fassen wir zusammen! Ziehen wir die Bilanz! 12,5 Millionen Menschen leben nach einer Feststellung der Sozialdemokraten heute in Westdeutschland unter dem Existenzminimum, sie leben bei unzureichenden Löhnen, bei ausgesprochenen Hungerrenten. Alles zusammengenommen stellen wir fest, daß diese Menschen also auch im kommenden Winter noch einmal dazu verurteilt sein sollen, in unzureichenden Wohnungen bei vollkommen ungenügender Bekleidung auch noch zu frieren. Die Schulen und Krankenhäuser der Gemein-. den sind außerstande, die notwendige Beheizung sicherzustellen. Den Betrieben der Friedensindustrie wird die notwendige Kohle vorenthalten. „Alle Kohle für den Krieg!", das ist der Sinn der Politik der Ruhrbehörde, das ist aber auch der
I Sinn der Politik der Adenauer-Regierung und ihres Wirtschaftsministers, des Herrn Professor Dr. Erhard. Wir machen Adenauer dafür verantwortlich, daß unser Volk auch in diesem Winter frieren muß, daß die verarbeitende Industrie, die Friedensbetriebe Arbeiter entlassen müssen und gezwungen sind, Kurzarbeit einzuführen, daß sie ihre Betriebe stillegen müssen, obwohl hier bei uns in Westdeutschland reichlich Kohle vorhanden ist.
Das ist der Ausweg, den wir als Kommunisten der Bevölkerung Westdeutschlands zeigen: Kampf der Regierung Adenauer! Das ist auch der Ausweg in der Frage einer ausreichenden Kohleversorgung für unser Volk. Kampf gegen die Adenauer-Regierung, Kampf gegen alle Kräfte im Lande, die ihre Politik direkt stützen oder sie tolerieren. Die Bevölkerung Westdeutschlands fordert vom Bundestag in dieser lebenswichtigen Frage eine klare Entscheidung, und diese Entscheidung kann unserer Meinung nach nur in einem klaren und eindeutigen Ja zu unserem Antrag liegen.