Rede von
Maria
Niggemeyer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Meine Freunde und ich bejahen grundsätzlich den Gedanken eines Bewahrungsgesetzes. Das festzustellen ist eigentlich heute nicht notwendig, da ja die CDU-Fraktion im Einvernehmen mit der CSU, wie der Herr Innenminister heute schon gesagt hat, bereits im Jahre. 1949 den Initiativantrag gestellt hat, die Regierung möge den Entwurf eines Bewahrungsgesetzes vorlegen.
Das ist bedauerlicherweise bis heute nicht geschehen. Ich wiederhole jetzt nur schon Gesagtes, wenn ich noch einmal unterstreiche, daß die einschlägigen Ausschüsse Vorarbeiten zu diesem Gesetzentwurf geleistet haben, daß wir die Stellungnahme aller Verbände der freien Wohlfahrtspflege
zu diesem Gesetzentwurf gehört haben, daß wir versucht haben, Anstalten kennenzulernen, die auf freiwilliger Grundlage im Sinne eines Bewahrungsgesetzes arbeiten. Es ist mir eine Freude, dabei sagen zu können, daß fast alle Verbände heute schon auf dieser Grundlage arbeiten. Es ist mir weiter eine Freude, in Ergänzung zu den Worten von Frau Wessel sagen zu können, daß es zwar in den zwanziger Jahren eine Frau Neuhaus war, die den Gedanken eines Bewahrungsgesetzes vorangetrieben hat, daß aber ein Herr von Bodelschwingh in seiner Arbeit das gleiche wollte. Vor einigen Monaten konnten wir in Hamburg hören, daß gerade diese Stadt, die j a, wie wir wissen, auf sozialem Gebiet so oft vorbildlich arbeitet, schon in den zwanziger Jahren ein Bewahrungsgesetz für notwendig hielt.
Mit dem Entwurf der Zentrumspartei, der uns nun heute vorliegt, wird ein Schritt nach vorwärts getan, die Dinge werden vorangetrieben. Das ist begrüßenswert. Ich versage es mir schon wegen der vorgerückten Zeit und wegen des Arbeitspensums, das wir heute noch zu erledigen haben, auf die einzelnen Paragraphen des Gesetzes einzugehen. Die Diskussion, die wir hier jetzt schon um die Frage gehabt haben, hat uns die Schwierigkeiten vor Augen geführt, die einem solchen Gesetz in den Jahren von 1921 bis 1928 entgegengestanden haben, Schwierigkeiten, die auch uns in unseren Ausschußarbeiten begleiten werden. Aber ich freue mich doch, hier aus der Diskussion entnehmen zu können, daß bei der Mehrheit des Hauses empfunden wird, welche Lücke für die Jugendfürsorge sich in unserer Gesetzgebung befindet. Sie ist aber auch darüber hinaus fühlbar. Jeder, der in der praktischen Jugendfürsorgearbeit und in der Fürsorgearbeit überhaupt steht, hat gerade in den letzten Jahren verstärkt und vertieft gespürt, daß hier eine Lücke ist. Darum, meine ich, sollten wir hier auch diesen Schritt nach vorwärts begrüßen und bejahen. Wir sollten sagen: Ja, selbst wenn diesem Gesetzentwurf Mängel anhaften, und selbst wenn er sich an die letzten Entwürfe der Weimarer Zeit anlehnt, kann an ihm und mit ihm gearbeitet werden, und er kann mit Grundlage des Materials sein. Er kann dazu beitragen, daß unsere Regierung uns zumindest recht bald den erwarteten Gesetzentwurf vorlegt, damit wir weiterkommen.
Auch wir sehen die Probleme. Es wird auch nach unserer Ansicht nicht leicht sein, den Begriff „Bewahrung" festzulegen. Auch wir wissen, daß die Umgrenzung des Personenkreises sehr schwierig sein wird, ebenso die Fragen des Verfahrens sowie der Sicherheit der Freiheit des einzelnen. Als Geringstes sollten wir vielleicht die Kostenfrage ansehen, wenn sie möglicherweise auch die schwierigste sein wird. Darum begrüße ich es, daß der Herr Innenminister betont hat, ehe er uns den Gesetzentwurf vorlege, wolle er in den Verhandlungen mit den Ländern so weit sein, daß wir nicht hinterher Enttäuschungen erlebten. Wir sind der Meinung, daß der vorgelegte Entwurf der Regieiung als Material dienen kann, und bringen erneut den Wunsch zum Ausdruck, daß der Herr Minister uns den Entwurf recht bald vorlegen möge.
Frau Korspeter, ich kann es mir nicht versagen, auf einige Bemerkungen zurückzukommen, die die jetzige Leiterin des Katholischen Fürsorgevereins für Mädchen, Frauen und Kinder zum Bewahrungsgesetz gemacht haben soll. Gewiß hat sie betont: Wenn die Bezirksfürsorgeverbände heute schon auf freiwilliger Grundlage die Kosten übernehmen
würden, könnten wir mehr tun, könnten wir mehr Heime schaffen. Ihre Bemerkung „wir können die Heime heute nicht bauen" ist eben darauf zurückzuführen, daß heute für die Bezirksfürsorgeverbände noch kein gesetzlicher Zwang besteht. Auch der uns zugeleitete Entwurf der Landesjugendverbände der britischen Zone zum Bewahrungsgesetz wie überhaupt die Entwürfe fast aller Verbände und aller mit Fürsorgearbeit betrauten Stellen beweisen, wie dringend notwendig es ist, daß wir hier weiterkommen. Die Fachausschüsse müssen in Zusammenarbeit mit dem Rechtsausschuß ein Gesetz erarbeiten, das die Entwicklung von Fehlleitungen ausschließt, das der Freiheit des Menschen gerecht wird und verhindert, daß mit der Würde des Menschen Mißbrauch getrieben wird. Das sind unsere Wünsche zum Bewahrungsgesetz, mit dem wir recht bald, so hoffe ich, zu arbeiten in der Lage sein werden.