Rede von
Herbert
Kriedemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der Tatsache, daß auch in diesem Jahre das Gesetz, mit dem die Preise und einiges andere für das neue Getreidewirtschaftsjahr geregelt werden sollen, nicht schon vor dem 1. Juli, sondern erst heute vorgelegt worden ist, aus der Tatsache ferner, daß es hier gestern trotz zweimaliger Versuche nicht gelang, die Sache abstimmungsreif vor das Parlament zu bringen, so daß erst heute die zweite und dritte Lesung möglich ist, werden auch jene, die sich bisher nicht so eingehend mit den speziellen Fragen der Getreidepolitik und der Brotversorgung beschäftigen konnten, ersehen haben, daß es um eine sehr, sehr schwierige Materie geht, schwierig nicht wegen der Sache selbst, sondern wegen der Verhältnisse. Herr Kollege Horlacher hat immer die Sorge, man informiere die Spekulanten, wenn man es unternimmt, auf den Ernst der Dinge hinzuweisen. Ich habe ihm schon mehrfach, auch von dieser Stelle aus, gesagt, daß diese Sorge unbegründet ist. Es steht leider zu befürchten, daß die Leute, die nicht davon leben, daß sie Brot essen, sondern davon, daß sie mit Brot und Brotgetreide möglichst gute Geschäfte machen, sehr viel früher und sehr viel besser auf dem laufenden sind als die meisten von uns hier.
Demgegenüber haben wir insbesondere die Verpflichtung, uns keinerlei Illusionen über den Ernst der Lage hinzugeben. Ich will gern darauf verzichten — und zwar einfach deswegen, weil es niemanden überzeugen würde und weil die Mehrheit, nachdem sie sich wieder zusammengerauft hat, bisher immer noch gut funktioniert hat —, hier im einzelnen auszuführen, wo die Schwierigkeiten liegen, von welcher Seite her unsere Versorgung bedroht ist und wodurch die Menschen bedroht sind, die damit unmittelbar etwas zu tun haben, nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Erzeuger, der Handel usw., alle die, gegen die sich die Strafbestimmungen dieses Gesetzes richten. Wir haben bei jeder Gelegenheit darauf aufmerksam gemacht, daß so etwas wie eine Marktordnung — und darum handelt es sich bei einem System von festen Preisen — nur dann richtig funktionieren kann, wenn sie nach allen Seiten hin wohl durchdacht ist, aufs Ganze sieht und nicht nur irgendein Detail herausnimmt, dieses Detail zu regeln scheint und alles andere sich selbst überläßt.
Wir haben in der zweiten Lesung gegen diese Preise gestimmt, ohne damit sagen zu wollen, daß sie uns zu hoch oder zu niedrig sind, sondern nur, um damit zum Ausdruck zu bringen, daß unserer
festen Überzeugung nach die Preise, die hier durch eine Mehrheit gesetzlich festgelegt werden, auch im kommenden Getreidewirtschaftsjahr auf dem Papier stehen,
nicht zuletzt deswegen, weil die 'Einfuhr- und Vorratsstelle bzw. alle anderen Organe der Regierung, die damit beauftragt sind, aus den verschiedensten Gründen gar nicht in der Lage sind, sich die Vorratsmenge zu verschaffen, von der auch Herr Horlacher eben gesprochen hat, um damit die Spekulanten kaputtmachen zu können. Diese Einfuhr-und Vorratsstelle ist ja nicht einmal in der Lage, das Futtergetreide heranzuschaffen, um die in in Deutschland vorhandenen Schweine so sicher ernähren zu können, ohne daß das Futter zu Lasten der Brotversorgung geht. Große Worte, Appelle und Versicherungen nutzen uns gar nichts; jedenfalls nutzen sie denen nichts, die genau wissen, woran es hängt, und die gern darauf verzichten können, dem Minister ins Gewissen zu reden oder Appelle an die zuständigen Beamten zu richten. Der Knüppel ist ja ein ganz anderer Knüppel, und wie sehr er an den Hund gebunden ist, ist ja auch kein Geheimnis.
Wir haben nun erlebt, wie selbst die sehr bescheidenen Vorschläge der Regierung zur Sicherung einer möglichst zweckmäßigen Verwendung des Getreides noch weiter verwässert worden sind. Mit keinem Wort wird hier der Tatsache Rechnung getragen, daß wir mitten in großen Schwierigkeiten stehen. Vielmehr wird der Eindruck erweckt, als ob ein vorsorglicher Hausvater für theoretisch mögliche Schwierigkeiten schon jetzt gewisse Vorsichtsmaßnahmen treffe. Das, meine Damen und Herren, beweist mir nur, daß wahrscheinlich nicht einmal der ernsthafte Versuch unternommen werden soll, das Getreide wirksam auf den Verwendungszweck zu konzentrieren, für den es in erster Linie dasein muß. Ich weiß, daß nach mir der eine oder andere Herr aus der Regierungskoalition reden und wortreich versichern wird, auch die Regierung denke daran, alles zu tun. Meine Damen und Herren, wir haben mit unserem Pessimismus bisher immer recht behalten.
— Wir haben mit unserem Pessimismus bisher immer recht behalten, Herr Euler, und wir werden uns eines schönen Tages auch noch
— Moment, Moment, Herr Euler! —
über die Kosten unterhalten müssen, die gerade in diesem Jahr durch den Kampf um den Anschluß an die neue Ernte entstanden sind. Sie können sich auch von Sachverständigen aus Ihren Reihen darüber einiges sagen lassen. Die Tatsache, daß niemand verhungert ist; ist kein Gegenbeweis, vor allen Dingen kein Beweis für eine planvolle, rationelle Wirtschaftspolitik, eine vernünftige Führung der Geschäfte. Ich bin sicher, daß Sie auch in diesem Getreidewirtschaftsjahr noch hinreichend Gelegenheit haben werden, die Richtigkeit des sozialdemokratischen Standpunktes einzusehen.
Wir werden diesem Gesetz in der dritten Lesung nicht zustimmen, obwohl es da einen Paragraphen gibt, in dessen Überschrift sogar etwas von Lenkungsmaßnahmen steht. Wir wünschen uns nicht mitschuldig zu machen an der- Erweckung dieser Illusionen, daran, daß hier mit Preisen operiert
wird, von denen jedermann weiß, daß es sie nicht geben wird. Wir wünschen uns nicht mitschuldig zu machen an Strafbestimmungen, die für Taten angedroht werden, von denen wir wissen, daß sie zum Schluß unvermeidbar sein werden. Wir haben es am Ende des abgelaufenen Getreidewirtschaftsjahrs ja erlebt, wie sehr eine so fehlerhafte Politik, eine solche Politik der Illusionen auf die Landwirtschaft zurückschlägt. Hier ist davon die Rede gewesen, mit welch steigenden Aufwendungen die Regierung den Konsumbrotpreis habe halten müssen. Nun, Sie wissen, daß das keine Aufwendungen waren, die in Wirklichkeit der Landwirtschaft zugute gekommen sind. Sie wissen aber auch, daß in der breiten Öffentlichkeit notwendigerweise der Eindruck entstehen muß, als sei das alles zu Nutz und Frommen der deutschen Landwirtschaft geschehen. Ich empfinde das geradezu als einen Hohn.
Nun wird gesagt, die Frühdruschprämie müsse gezahlt werden als Äquivalent dafür, daß die Leute umdisponieren müßten. Auch ich weiß, daß es einem Teil der Landwirte viel sympathischer ist, erst später zu dreschen. Aber ich weiß ebenso, daß die Masse der kleinen Landwirte es viel praktischer findet und das seit Jahr und Tag auch tut, gleich vom Feld weg so früh wie möglich zu dreschen, und zwar aus den verschiedensten Gründen. Die Frühdruschprämie, die für den Verbraucher so aussehen soll, als sei sie der Preis dafür, daß die Landwirtschaft das Getreide nur ja abliefert, das doch, wie jeder weiß, gerade in den ersten Monaten dringend gebraucht wird, ist ein Äquivalent für einen ganz anderen Tatbestand. Ohne die Frühdruschprämie wäre der Preis überhaupt sagenhaft. Auch der Abstand zwischen den hier verordneten Preisen für Getreide und den Preisen, die tatsächlich noch gezahlt werden müssen, ist Ihnen allen bekannt.
Aus diesen Gründen, meine Damen und Herren, möchten wir Sozialdemokraten uns die Legitimation erhalten, auch später noch über Getreidepolitik reden zu können, unbelastet durch die Mitverantwortung für diese Demonstration, die leider nicht nur eine leere Demonstration ist. Wir möchten nicht, daß die Verantwortung für die Schwierigkeiten, denen wir entgegengehen, auf die Schultern derjenigen gelegt wird, die sie ganz bestimmt nicht zu tragen brauchen. Man entlastet sich damit von der eigenen Verantwortung. Wie gesagt, wir Sozialdemokraten werden gegen das Gesetz stimmen, um uns damit das Recht zu bewahren, auf die Angelegenheit zurückzukommen, wenn es wieder einen Schritt weiter nach vorn gegangen ist und wenn es ein bißchen klarer geworden ist.