Rede von
Graf
Karl
von
Spreti
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Drucksache Nr, 2064 hat die Deutsche Partei seinerzeit,
veranlaßt durch die technische Notlage der Deutschen Bundesbahn, einen Antrag eingereicht, durch den sie die Bitte ausspricht,
. . . durch sofortige Verhandlungen mit der
ECA-Sonderkommission für Deutschland in
Verbindung mit dem Transport-Comittee der
Alliierten Hohen Kommission zu erreichen, daß
die restlichen 325 Millionen Deutsche Mark,
die als Reserve zur Beseitigung ernstlicher
Engpässe noch zurückgestellt wurden, ganz
oder zum größten Teil der Deutschen Bundes-
bahn als Kredit zur Verfügung gestellt werden.
Dieser Antrag wurde seinerzeit in der 134. Sitzung dem Verkehrsausschuß, dem Haushaltsausschuß und dem ERP-Ausschuß, dem letzteren federführend, zugewiesen. Die Gründe, welche die Deutsche Partei zu diesem Antrage veranlaßt haben, habe ich kurz genannt. Der Haushaltsausschuß hat diese Gründe insofern anerkannt und ihnen auch zugestimmt, als diese Gelder in Höhe von 325 Millionen DM der Bundesbahn zur Verfügung gestellt werden sollen.
Der Verkehrsausschuß hat diesen Antrag nochmals beraten und hat eine Änderung vorgenommen. In einem Schreiben vom 27. April hat diese Änderung folgenden Wortlaut:
Die Bundesregierung wird ersucht,
dem Notstand des deutschen Verkehrs, der die Aufrechterhaltung des für die Verteidigung und für die Versorgung des deutschen Volkes notwendigen Verkehrsvolumens gefährdet, dadurch zu steuern, daß
a) aus deutschen Mitteln, vor allem aus der von der Industrie aufzubringenden Anleihe, auch dem Verkehr ein angemessener Be- trag zur Verfügung gestellt wird und
b) sofort Verhandlungen mit der ECA-Mission geführt werden mit dem Ziele, daß aus den restlichen, in die Reserve gestellten 325 Millionen DM — 250 Millionen für die Deutsche Bundesbahn, 25 Millionen für die Binnenschiffahrt und 50 Millionen für die Umschlags- und Lagereinrichtungen — dem Verkehr als Kredit zur Verfügung gestellt werden.
Der Ausschuß für Verkehrswesen hat diese Neufassung der Drucksache Nr. 2064 einstimmig beschlossen und bittet den federführenden Ausschuß für ERP-Fragen und auch den daran beteiligten Haushaltsausschuß, ihren Verhandlungen den abgeänderten Antrag zugrunde zu legen und sich ihm anzuschließen. Das sind die Unterlagen, die den ERP-Ausschuß dazu veranlaßt haben, diese Frage mehr zu berücksichtigen.
Die amerikanischen Stellen haben hierzu eine etwas zurückhaltende Stellung eingenommen, weil sie die Auffassung vertreten, daß die ERP-Gelder nicht dafür da seien, ein Defizit der Bundesbahn zu decken. Zweitens haben die amerikanischen Stellen mitgeteilt, daß eine amerikanische Studiengruppe unterwegs sei, um in einem Studium die Lage der Bundesbahn näher zu betrachten. Drittens erfolgte nun eine Rückfrage der amerikanischen Stellen bei den deutschen Stellen, ob die deutschen Stellen bereit wären, sich in gleicher Höhe zum Zwecke der Modernisierung bzw. der Überholung der Bundesbahn zu beteiligen. Die deutschen Stellen haben sich daraufhin neuerdings bereit erklärt, mit 64 Millionen DM einzuspringen.
Wenn man die ganze Situation einmal überschaut, so ist vielleicht der erste Einwand der
amerikanischen Stellen, ERP-Gelder seien nicht dazu da, für ein Defizit aufzukommen, berechtigt. Wer aber die Deutsche Bundesbahn in den Jahren 1945 bis 1946 gekannt und auch die Entwicklung in diesen Jahren miterlebt hat, der muß doch feststellen, daß nach all den Kriegseinwirkungen, der Abgabe von Waggons, der Zerstörung eines großen Teils des ganzen Wagenparks, der Zerstörung der Gleisanlagen und der Bahnhöfe, beinahe Unmögliches geleistet worden ist, wenn man bedenkt, daß die heutige Bundesbahn fast wieder auf einer friedensmäßigen Basis verkehrt. Seit 1946 hat die Bundesbahn 100 000 Wagen durch Aufarbeitung wieder in den Dienst gestellt. Es sind bis jetzt 63 000 Güterwagen in Betrieb. Es würden aber jährlich 200 Millionen DM benötigt, um weiterhin 18 000 Güterwagen pro Jahr bauen zu können. Diese Möglichkeiten sind aber leider erschöpft. Darum hat in Verhandlungen zwischen dem Marshallplan-Ministerium und der ECA eine Aufteilung der 325 Millionen DM in folgender Weise stattgefunden: 75 Millionen DM für den Kohlenbergbau, 75 Millionen DM für den Bergarbeiterwohnungsbau, 50 Millionen DM für die Elektrizität, 25 Millionen DM für Gas- und Wasserwirtschaft und 50 Millionen DM für den Güterwagenneubau. Das macht im ganzen 275 Millionen DM aus. Es verbleibt somit ein Rest von 50 Millionen DM. Nun besteht noch ein weiterer Rest von 150 Millionen DM, über die erst später verfügt werden soll.
In der Diskussion im ERP-Ausschuß haben sich nun zwei Fronten herausgebildet: die eine sind die deutschen Stellen, die andere ist die amerikanische Stelle. Die deutschen Stellen sind für die Verwendung der 50 Millionen für Eisen und Stahl, d. h. für die Investitionen, die amerikanischen Stellen für den Bergarbeiterwohnungsbau und den Kohlenbergbau.
Man kann es nicht vermeiden, hier zu sagen, daß im Ausschuß das Gefühl einer gewissen Diskriminierung aufgekommen ist. Es ist Tatsache, daß die Marshallplan-Gelder amerikanische Steuergelder sind. Man kann es den amerikanischen Stellen natürlich nicht verwehren, bei der Aufteilung mitzuarbeiten und mitzuwirken. Aber die Tatsache, daß Italien eine Milliarde, Frankreich 700 Millionen und Österreich 300 Millionen für ihre Eisenbahnen bekommen haben, während Deutschland bisher noch nichts bekommen hat, ist doch geeignet, da und dort ein gewisses Ressentiment hervorzurufen. Die ungleiche Behandlung entspricht jedenfalls nicht ganz dem Gedanken einer Zusammenarbeit zu einem gemeinsamen Ziel hin. Da heute keine Gelder mehr für die Neubeschaffung von Güterwagen vorhanden sind und eine Wiederherstellung des Friedenszustandes durch Neukonstruktionen und sonstige Weiterentwicklung dringend notwendig ist, hat sich der ERP-Ausschuß entschlossen, mit der Drucksache Nr. 2323 einen Antrag vorzulegen, der folgenden Text hat:
Die Bundesregierung wird ersucht,
den Notstand des deutschen Verkehrs, der die Aufrechterhaltung des für die Versorgung des deutschen Volkes notwendigen Verkehrsvolumens gefährdet, dadurch zu steuern, daß neben den aus deutschen Mitteln aufgebrachten Beträgen weitere ECA-Mittel dem Verkehr zur Verfügung gestellt werden.
Der Bundestag nimmt mit Bedauern davon
Kenntnis, daß aus der zur Verfügung stehenden ECA-Reserve von 325 Millionen DM dem
Verkehr nur 50 Millionen DM für das Güterwagen-Neubau-Programm zugeteilt werden können.
Er gibt der Hoffnung Ausdruck, daß
1. aus der vom Fiskaljahr 1950/51 verbleibenden Restsumme von 150 Millionen DM dem Verkehr ein weiterer angemessener Betrag zur Verfügung gestellt wird und daß
2. auch bei künftigen Verteilungen dem dringenden Bedürfnis des Verkehrs Rechnung getragen werde.
Die Bundesregierung wird gebeten, dies bei ihren Verhandlungen mit der ECA nachdrücklichst zu fördern.
Ich möchte abschließend sagen: Der ERP-Ausschuß hofft, daß das Ministerium bei den Verhandlungen mit der ECA auf amerikanischer Seite ein gewisses Gehör finden möge und daß auch die Opfer, die die Deutschen für den Wiederaufbau der Bundesbahn gebracht haben, verständnisvoll gewürdigt werden. In diesem Sinne bitten wir die ECA, den Sorgen der Deutschen Bundesbahn ein gewisses Interesse entgegenzubringen.