Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beschluß des Finanzausschusses, für den Sitz der Bundesmonopolverwaltung eine Stelle im Raum 'Frankfurt vorzusehen, ist schon dem Wortlaut nach ungewöhnlich. Er ist aber meiner Ansicht nach auch formell nicht richtig. Denn die übrigen Bewerber um den Sitz der Bundesmonopolverwaltung waren einzelne Städte, und man kann nicht Unvergleichbares miteinander vergleichen. Man kann nicht auf der einen Seite eine einzelne Stadt und auf der anderen Seite einen Raum zur Wahl stellen. Denn man ist gar nicht in der Lage, zwischen diesem Unvergleichbaren eine Wahl zu treffen. Wenn wir heute zu wählen haben, dann zwischen einzelnen Orten und nicht zwischen Räumen.
— Ja, wir könnten natürlich beispielsweise für den Raum nördlich der Mainlinie oder für den Raum südlich der Mainlinie eintreten. Aber eine solche Abstimmung wäre ebenso unsinnig, wie meiner Ansicht nach eine Abstimmung über den Raum Frankfurt unsinnig wäre. Sie bedeutet nämlich auch inhaltlich nichts anderes als einen Widerspruch gegen den zuvor gefaßten Beschluß des Finanzausschusses, daß der Sitz der Bundesmonopolverwaltung durch den Finanzausschuß bzw. durch Gesetz bestimmt werden soll, das durch den Bundestag verabschiedet werden soll, und nicht durch die Bundesregierung.
Die Formulierung, wie sie jetzt von dem Ausschuß gefunden worden ist, bedeutet aber das Gegenteil. Sie bedeutet nämlich, daß der Sitz nicht durch den Bundesgesetzgeber, sondern durch die Bundesregierung bestimmt wird. Die Bundesregierung kann sich beliebig ausmalen, wie groß sie den Raum Frankfurt nehmen will, und kann im Raum Frankfurt beliebige Orte nehmen.
Wenn ich den Ausführungen des Herrn Kollegen Euler von heute morgen folgen wollte, dann würde beispielsweise Kassel zum Raum Frankfurt gehören, und die Bundesregierung wäre auch in der Lage, innerhalb dieses völlig vagen Begriffs irgendeine Entscheidung zu fällen. Das kann sicherlich nicht die Absicht des Bundestages sein, der heute durch Gesetz den Sitz der Bundesmonopolverwaltung bestimmen will. Deshalb haben wir den Antrag gestellt, Münster als eine bestimmte Stadt zu nennen. Von anderer Seite, von Herrn Kollegen Greve, ist vorgeschlagen worden, anstatt diese bestimmte Stadt zu nennen, die Bestimmung der Bundesregierung zu überlassen. Man könnte darüber streiten, wenn nicht schon in zahlreichen anderen Fällen das Parlament selbst die Sitze oberster Bundesbehörden bestimmt hätte. Wenn die Bundesregierung von vornherein, nach einem einheitlichen Plan verfahrend, diese Sache als in ihrer Organisationsgewalt liegend geordnet hätte, so könnte man darüber vielleicht zweierlei Meinung sein. Nachdem aber das Parlament einmal die Sitze der obersten Bundesbehörden aus eigenem Recht geordnet hat, bleibt uns nichts anderes übrig, als bei diesem einmal begonnenen Verfahren auch zu bleiben.
Die Bundesregierung selbst. — und nun komme ich zu der Begründung der Wahl der Stadt Münster im besonderen — hat am 17. Mai 1950 dem Stadtdirektor in Münster mitgeteilt: Auch du, Münster, bekommst eine oberste Bundesbehörde. Damals war an den Bundesrechnungshof gedacht. Aber der Bundesrechnungshof hat ebenso wie eine große Anzahl anderer Behörden an dem Raum Frankfurt im weitesten Sinne Gefallen gefunden. Dort sitzen die Beamten, dort haben sie sich eingelebt, und kein Beamter wird gern umziehen. Aus diesem und vielleicht , auch aus sachlichen Gründen, die mir beim Bundesrechnungshof im einzelnen nicht bekannt sind, ist ein erheblicher interner Widerstand entstanden, und der Beschluß der Bundesregierung ist auf dem Papier stehengeblieben. Münster ist jedenfalls nicht Sitz einer obersten Bundesbehörde geworden. Die normative Kraft des Faktischen hat sich für den Raum Frankfurt, in dem früher der Wirtschaftsrat getagt hat, außerordentlich stark ausgewirkt. In Frankfurt sitzen der Bundesrechnungshof, der Bundesdisziplinarhof, das Sozialamt der Bundesbahn, die Bank deutscher Länder, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, das Amt — -
— Entschuldigen Sie bitte, ich darf das aber doch noch einmal wiederholen, weil die Liste so lang ist, daß jeder, der sie sieht, sich sagen wird: man kann es bei dem Zustand höchstens belassen, ihn aber auf keinen Fall ausdehnen.
Es sind noch weitere sechs oder sieben leitende Bundesbehörden in Frankfurt.
Nun sagt man: Ja, im Raum Frankfurt, d. h. in Bad Homburg, befindet sich ja bereits die heute von uns zu bestimmende Behörde. Das ist einfach nicht richtig. Wir haben in Bad Homburg nur eine Überleitungsstelle der Länder. Wir haben dort gar keine Bundesbehörde. Diese Überleitungsstelle der Länder ist in Bad Homburg höchst notdürftig untergebracht. Der Regierungsvertreter hat ausdrücklich erklärt: Wenn wir in Bad Homburg bleiben wollen, dann müssen wir bauen. Wir müssen in Bad Homburg ein Verwaltungsgebäude bauen, wenn das Bundesmonopolamt in Bad Homburg bleiben soll. Es muß auch ein Verwaltungsgebäude gebaut werden, wenn das Bundesmonopolamt nach Offenbach kommt. Dort müßte eine Schule, die niedergebrannt ist, aufgebaut werden. Es müßte auch ein Verwaltungsgebäude gebaut werden, wenn das Bundesmonopolamt in Frankfurt untergebracht werden soll. Das bedeutet, daß man also öffentliche Gelder, statt sie für den Wohnungsbau zu verwenden, in den Neubau von Verwaltungsbauten hineinsteckt. Meine Damen und
Herren, ich frage Sie Öffentlichkeit aller Bescheidenheit:
Glauben Sie, daß die Öffentlichkeit Verständnis dafür hat, wenn man jetzt öffentliche Gelder in Verwaltungsbauten hineinsteckt, wo es nicht nötig wäre?
Wenn in diesem Zusammenhang schon die Frage der Kosten erörtert wird, so kommt ,es ja auch darauf an, was mit den Geldern geschieht. Werden die Gelder aufgewendet, um Wohnungen zu bauen? Wohnungen sind in. ganz Deutschland knapp. Die Anlage von Bundesgeldern in Wohnungen ist in jedem Fall nützlich und hilft eine allgemeine Volksnot zu beseitigen, ganz egal, ob in die Wohnungen nun Beamte hineinkommen oder ob andere Bevölkerungskreise unmittelbar davon profitieren. Aber der Neubau von Verwaltungsgebäuden scheint mir
im gegenwärtigen Zeitpunkt, wenn er nicht ganz dringend notwendig ist, unverantwortlich zu sein. Für alle diese Reflektanten im Raume Frankfurt ist aber ein solcher Neubau von Verwaltungsbauten erforderlich.
Bei Münster ist das anders. Bei Münster steht ein fertiger Verwaltungsbau zur Verfügung und kann sofort bezogen werden. Er steht schlüsselfertig da, und die bisherigen Benutzer sind seit einiger Zeit ausgezogen. Meine Damen und Herren, ich selber bin kein Münsteraner und habe also keinen Anlaß, für Münster eine Lanze zu brechen,
weil mich mit Münster etwa besonders freundschaftliche Bande verbinden. Ich muß allerdings zugeben, daß ich in Münster studiert habe. Aber ich habe auch in München und in Gießen studiert. Trotzdem würde mich diese lockere Bindung allein nicht veranlassen, mich für eine Stadt einzusetzen, sondern es sind tatsächlich die überwiegenden sachlichen Gründe.
Hierbei möchte ich vor allem nochmals auf folgendes hinweisen: Nachdem die Bundesregierung selber anerkannt hat, daß der Raum Westfalen durch die Einsetzung einer obersten Bundesbehörde mit dem Bund stärker verbunden werden soll, muß dieser Beschluß meiner Ansicht nach auch durchgeführt werden. Der Raum Westfalen hat bisher keine oberste Bundesbehörde bekommen.
Gestatten Sie, die Rheinländer sind mir genau so lieb wie die Bayern. Aber ich kann nicht, historisch gesehen, von einem Raum Nordrhein-Westfalen sprechen, einem Raum, der doch erst seit ganz kurzer Zeit staatsrechtlich besonders verbunden worden ist. Historisch gesehen kann ich nur einen Raum Westfalen und einen Raum Rheinland anerkennen, nichts weiter.
Aber ich darf vielleicht in meinen Ausführungen fortfahren. Münster hatte früher ein Oberpräsidium. Dieses Oberpräsidium ist von dort weggekommen. Auch die Regierung, die nach 1946 dort war, ist weggekommen. Münster ist die Hauptstadt eines Raumes mit 6 Millionen Einwohnern. Man wird daher wohl mit Recht sagen können, daß dieser Teil des Bundesgebietes eher eine Berücksichtigung verdient als der Raum Frankfurt mit den 14 oder 15 obersten Bundesbehörden, die dort noch hängen geblieben sind.
Vor allem fällt für die Stadt Münster erheblich ins Gewicht, daß sie durch den Bombenkrieg zu über 80 0/o zerstört wurde. In Münster könnten wir, wenn öffentliche Mittel, Bundesmittel für den Wiederaufbau eingesetzt würden — die Höhe der aufzuwendenden Mittel ist von den Sachbearbeitern bei allen Projekten auf 11/2 bis 2 Millionen DM geschätzt worden —, relativ billig Wohnungen bauen. Wir können dort auf den Ruinen wieder aufbauen, können die vorhandenen Anlagen relativ billig ausnutzen, und wir würden einer so weitgehend zerstörten Stadt, die dadurch, daß alle möglichen anderen Spitzenorganisationen abgezogen sind, schon sehr stark gelitten hat, tatsächlich eine wesentliche Hilfe angedeihen lassen. Das ist meiner Ansicht nach der entscheidende Gesichtspunkt.
Die Frage der Verteilung der Sitze der obersten Bundesbehörden ist letzten Endes eine politische Frage. Wenn man unter diesem politischen Gesichtspunkt zu wählen hat, dann ist meines Erachtens die Wahl des bisher am meisten vernachlässigten Raumes Westfalen und damit die Wahl von Münster, notwendig.
— Die Frage der Vernachlässigung Niedersachsens kann ich hier nicht überprüfen. Ich weiß nur, wie die Verhältnisse insbesondere des Raums Westfalen und des sogenannten Raums Frankfurt zu werten sind. Ich bitte Sie jedenfalls, dem Beschluß der Bundesregierung, die die Berücksichtigung des Raums Westfalen selber zugesagt hat, zu entsprechen und demgemäß Ihre Stimme abzugeben.
Die übrigen Gesichtspunkte, die hier noch geltend gemacht worden sind, nämlich besonders enge Beziehungen zu Lieferern oder Abnehmern, sind nach meiner Meinung sekundär, obwohl auch dieser Gesichtspunkt gerade für Münster spricht; sind doch zwei Drittel der Gesamtumsätze der Bundesmonopolverwaltung im Raum von Westfalen getätigt worden. Wenn Sie vor allem an die Spirituserzeugung der Chemischen Werke in Hüls denken, wird Ihnen das klar werden.
Aber diese Gesichtspunkte sind nicht von so entscheidender Bedeutung, ebenso wenig wie der Gesichtspunkt, daß Frankfurt und Münster beispielsweise nur 200 km von Bonn entfernt liegen; alles Gesichtspunkte, die meines Erachtens hinter den entscheidenden Gesichtspunkt, die Notwendigkeit der Bindung des westfälischen Raums an den Bund, zurückzutreten haben.