Meine Damen und Herren! Der Herr Arbeitsminister Storch sowie der Herr Vorredner Pelster erklärten mit verschiedenen Worten, das Recht zur Kündigung solle natürlich bestehen bleiben, und dem Unternehmer sollen in angemessenem Rahmen keine Handschellen angelegt werden. Na schön, es wird nicht geradezu abgeschafft. Aber die Frage ist, wie sich das in der Praxis auswirkt. Und da verkennen die beiden Herren die Situation vollkommen, weil sie offenbar niemals in der Lage gewesen sind, aus den Nöten gerade der Kleinbetriebe heraus diese Dinge zu beurteilen.
Was wird denn hier entschieden? Es wird nicht ein grober, extremer Fall von bewußter und gewollter Unbilligkeit entschieden, -sondern es werden Ermessensentscheidungen, die der Betrieb getroffen hat, von Außenstehenden überprüft, und zwar Ermessensentscheidungen in wichtigen, sogar lebenswichtigen Fragen, z. B. Fragen, in denen es um die Haftung für minder geeignete Angestellte oder Arbeiter geht. Je größer der Betrieb ist, desto besser hat man die Möglichkeit, einen Mann beiseite zu stellen und auf einen ungefährlichen Posten zu bringen. In einem kleineren Betrieb, auch in einem solchen mit fünf bis zehn Mann, besteht diese Möglichkeit nicht. Da haftet der Arbeitgeber für jedes Verschulden. Da sagt man, das kann das Gericht überprüfen. Wieviel Schaden muß der Mann erst angerichtet haben, bevor man ihn überprüfen und ausmerzen kann? Bis dahin wird man also eben aus der sozialen Grundidee des Gesetzes heraus immer versucht sein, zu sagen: Ja, den Mann muß das Unternehmen noch weiter tragen.
Dann hat man von der Landwirtschaft und vom Handwerk gesprochen. Sie sind gewiß sehr wichtige Wirtschaftszweige; aber es geht doch nicht bloß um diese •Stände allein, vielmehr spielt auch die große Zahl anderer Arbeitgeber und anderer Beschäftigten eine Rolle, so auch die freien Berufe, und gerade bei denen ist die Gefahr der Haftung für Verschulden der Angestellten beträchtlich groß. Nun frage ich Sie: Wieviel Schaden müssen denn die zu entlassenden Angestellten erst angerichtet haben? Bis dahin wird man immer wieder sagen: das ist noch zumutbar. Und wo hört das persönliche Verhältnis auf? Kann man sagen, daß die Grenze bei 10 Beschäftigten liegt? Kann man sagen, daß sie bei 12 liegt? Kann man sagen, daß es 8 sind? Sicher ist, daß bei der Zahl 5 noch nicht die Grenze erreicht ist, wo die persönliche Beziehung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufhört und mehr dem sachlichen Verhältnis weicht. Zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit ist es notwendig, daß beide miteinander auskommen.
— Nein, jeder Arbeitgeber ist froh, wenn er einen treuen und ordentlichen Arbeitnehmer hat, den er halten kann; aber wenn beide aus irgendwelchen Gründen charakterlich nicht zusammenpassen,
wenn die beiden Leute nicht miteinander auskommen können, dann ist das Verhältnis von so wenigen Beschäftigten zueinander gestört, dann muß eben einer von beiden weichen, dann muß das Verhältnis gelöst werden. Dabei kann man eine gewisse Rücksichtnahme verlangen — das ist gut —: aber man kann in diesem Fall nicht einfach verlangen, daß der Mann, der nun mit dem Arbeitgeber nicht auskommt, auf jeden Fall gehalten werden muß. Das würde auf die Dauer eine Lösung sein, die zu Explosionen führt.
Nun sagt man: Dann soll er bezahlen. Aber gerade bei den Kleinbetrieben ist das nicht möglich. Da schlägt die beabsichtigte Wirkung in das Gegenteil um; denn die Existenz des Betriebs und des Arbeitgebers ist nach unserem Dafürhalten genau so wichtig wie die Existenz des Arbeitnehmers. Wenn sie aber genau so wichtig ist,' darf man sie nicht gefährden, indem man bis zu einem Jahr, jedenfalls noch für mehrere Monate die Bezahlung einer Arbeitskraft verlangt, die jedoch ihre Arbeit nicht zur Verfügung zu stellen braucht. Wenn es dann wenigstens noch hieße: dann wird . die Kündigung annulliert, und der Mann muß weiter arbeiten, dann könnte man das noch eine Lösung nennen. Aber hier ist es nicht so, sondern hiernach soll eine Art Buße, eine Summe bis zum Gesamtlohnbetrag eines Jahres gezahlt werden, ohne daß die Arbeitskraft zur Verfügung gestellt zu werden braucht. Das geht nicht, weil es nicht tragbar ist. Es überschreitet die Grenze des wirtschaftlich Vernünftigen und Zumutbaren.
Überlegen wir uns einmal die Folgen! Wenn dieses Gesetz so ergehen wird, wird es zur Folge haben, daß man sich hütet, die Zahl von 5 Beschäftigten zu überschreiten. Können Sie das dem einzelnen Arbeitgeber übelnehmen? Der hätte sonst vielleicht einen oder zwei Mann mehr eingestellt. Nun sagt er: Nein, da hüte ich mich; denn ich setze doch nicht mich und meine Arbeitnehmer der Gefahr aus, dadurch noch Schaden zu haben. Also stellt er einen weniger an. Es fehlt also der Arbeitsplatz, den man erhalten könnte.
Es war soeben von dem Auftragsvorrat die Rede und davon, die Auftragsvorräte würden die Betriebe zwingen, Leute einzustellen. Das trifft nicht zu.- Nein, die Betriebe können sich schon mit der Annahme von Arbeiten nach ihrer Arbeiterzahl richten; dann haben sie es bequemer und risikoloser. Man darf es doch den Menschen der Wirtschaft auch nicht allzu schwer machen, Arbeit zu schaffen und zu vergeben, und es ist eine Überlegung, die man ihnen nicht einmal allzu übelnehmen kann, wenn sie dieses Risiko nicht laufen wollen.
Die bloße Überlegung: die Gerichte sind ja bemüht, Recht zu tun und Recht zu entscheiden — daß sie das wollen, will ich gar nicht bestreiten —; diese bloße Überlegung gibt keine Gewähr dafür, daß der Betroffene auch damit zufriedengestellt wird. Denn es handelt sich darum, daß hier wirtschaftliche 'Vernunft, wirtschaftliche Überlegungen und persönliche Empfindungen wie das Vertrauen, das Gefühl der Verläßlichkeit, das Gefühl, daß jemand meine Interessen wahrnimmt wie seine, nicht erzwungen werden kann, das für solche Verhältnisse notwendig ist, und daß man Gefahr läuft, diese Dinge, die gerade bei Kleinbetrieben notwendig sind, zu ertöten, wenn man mit diesem Gesetz einen äußeren Zwang schaffen wollte. Wenn aber nach Erlaß dieses Gesetzes nach der Abänderungsvorlage Sabel mehr Personen beschäftigt werden als 5, dann müssen
Sie sich aber auch darauf verlassen, daß dann nach dem Sinn dés Gesetzes bei der ersten sich bietenden Gelegenheit von der Kündigungsmöglichkeit auch Gebrauch gemacht werden muß, weil dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, eine solche Persönlichkeit noch mit durchzuschleppen, mit der er nun unzufrieden ist. Also das Gefühl: ich kann Nachsicht walten lassen, ich kann es mal eine Zeitlang, ein paar Monate mit dem Mann versuchen, dieses Gefühl ertötet man durch eine solche Gesetzgebung. Das ist also alles auf die Überlegung zurückzuführen: Man kann solche Dinge mit Zwang durchsetzen. Diese Bestimmungen sind für den Arbeitgeber wie für den Arbeitnehmer tragbar immer dann, wenn es sich um Betriebe mit größeren Beschäftigtenzahlen, mit auswechselbarer Arbeit und auswechselbaren Personen handelt. Man kann es auch immer dann machen — so wie es das Gesetz vorschlägt —, wenn es sich um kapitalintensive Betriebe handelt, um Betriebe, bei denen die Personen verhältnismäßig auswechselbar und nebensächlich, aber der Kapitalaufwand, der Maschinenpark usw. das Vorwiegende sind.
Aber man kann es gerade dann nicht machen, wenn es auf die Persönlichkeit des einzelnen Arbeiters, des Angestellten oder auf seine Beziehungen zum Arbeitgeber und auf das Zusammenspiel der beiden oder der drei, vier oder fünf ankommt. Deswegen glauben wir nicht, daß es eine Sache des Maßes und der Zahl, sondern der grundsätzlichen Einstellung und der Einstellung zum Mittelstand an sich ist, wenn man ihn hier von der schematischen Regelung ausnimmt, die das Gesetz im Interesse der Arbeitnehmer vorsieht. Der Grundgedanke ist zu billigen. Aber wir dürfen hier nicht nur die Interessen der Arbeitnehmer sehen, sondern wir müssen auch an die Interessen des Mittelstandes denken, der dadurch gefährdet ist und in seiner Leistungsfähigkeit sowohl wie in seiner Arbeitsfreudigkeit herabgedrückt wird. Gerade der Mittelstand — es ist eben übertrieben schroff gesagt worden, aber der Kern dessen, was einer der Herren Vorredner gesagt hat, ist richtig — gerät bei den Überlegungen unserer Gesetze vielfach zwischen die Mühlsteine, weil man, was man als die Sozialpartner bezeichnet, im allgemeinen besser als die Interessenvertreter der Großbeteiligten anspräche. Auf der einen Seite sind es die Interessenvertreter der Gewerkschaften, die zumeist nur auf die Industriebeschäftigten und die Beschäftigten der Großbetriebe abgestellt sind, und auf der anderen Seite die Vertreter der Großwirtschaft. Man mag es bedauern oder nicht, aber es ist so. In den mittelständlerischen Betrieben ist ein großer Teil der Arbeitnehmer gar nicht gewerkschaftlich organisiert. Die Folge ist, daß die mittelständlerischen Betriebe bei diesen Sozialpartnern einfach übersehen werden. Auf der anderen Seite sind — jedenfalls bei den Hattenheimer Beschlüssen — die Standesvertretungen des Mittelstandes auch sehr schlecht weggekommen; zum Teil sind sie nicht einmal angehört worden.
Diese Interessen verdienen eine bessere Berücksichtigung, eine intensivere Berücksichtigung, als sie ihnen bisher zuteil geworden ist. Es gibt jetzt einmal eine Gelegenheit, ihnen gerecht zu werden, deren Ausnutzung den mittelständlerischen Betrieben aller Art, ob freie Berufe, Handwerkeroder Bauernbetrieb ist gleich, nicht nur am Herzen liegt, sondern deren Nichtausnutzung sie auch in einem gewissen Grade in ihrer Existenz bedroht.
Ich bitte deshalb, meine Damen und Herren, lehnen Sie auch den wohlgemeinten Vermittlungsvorschlag ab, der von der falschen Idee ausgeht, es handle sich hier bloß um eine Frage von Maß und Zahl. Es handelt sich hier um die Sache selbst.