Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bedaure sehr, daß es immer wieder notwendig ist, gegen Frau Kalinke in ihrer vollkommen unsachlichen Einstellung zu Berlin und zu der Tätigkeit in Berlin hier zu sprechen.
Ich will Ihnen nur eines sagen, Frau Kalinke. Ich hatte mich eigentlich dazu nicht gemeldet, aber eine Antwort muß ich Ihnen geben: Sie haben von den berufstätigen Frauen in Deutschland gesprochen. Jawohl, es gibt nirgends in Deutschland so viel berufstätige Frauen wie in Berlin. Wenn Berlin aufgeräumt worden ist
— ich will noch eins hinzufügen —, wenn Deutsch-
land in der Welt wieder seine Stellung erobert hat, dann verdanken Sie das ganz besonders den Berliner Frauen und Berlin.
Das sollten Sie doch nicht immer wieder vergessen. Ich glaube, das haben Sie sich auch in Amerika sagen lassen können.
Meine Herren und Damen! Nur noch ein Wort. Wenn hier von dem Herrn Minister gesagt worden ist, daß Berlin selbst den Wunsch gehabt habe, in die Gemeinlast einbezogen zu werden, so antworte ich: ganz selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich ist das, was der Herr Kollege Horn sagt: Es kann auf die Dauer nicht so bleiben, daß Berlin eine andere Art von Leistungen, eine andere Art von Versicherung als der Bund hat. Das habe ich den Berlinern bereits vor vier und fünf Jahren gesagt; denn ich bin es ja selbst gewesen, die das Glück gehabt hat, im Reichstag an der Gestaltung der Sozialversicherung mitzuarbeiten. Es ist aber etwas anderes, wenn man in einem Gesetz, das eine Erhöhung der Renten bringen soll, gewissermaßen durch Hintertüren etwas einführt, was eine grundsätzliche Frage unserer Sozialversicherung betrifft.
Der § 1 beginnt mit den Worten: „Vorbehaltlich der Neuregelung der gesetzlichen Rentenversicherungen". Ja, bitte schön, Herr Minister, dann bringen Sie uns doch die Neuregelung der gesetzlichen Rentenversicherung. Dann sind wir bereit, hier und in Berlin darüber zu sprechen. Es ist ganz selbstverständlich, daß wir dann den Weg finden müssen. Aber was Sie hier tun, und zwar ganz besonders dadurch, daß Sie die einheitliche Rentenversicherung in Berlin zerschlagen wollen, bedeutet doch eine Vorwegnahme der grundsätzlichen Neuregelung der Sozialversicherung.
Dazu mag der Senat sagen, was er will; der Herr Senator Klein wird Ihnen ja darauf antworten; und morgen wird Ihnen Herr Senator Fleischmann im Ausschuß die Antwort geben. Ich aber sage Ihnen im Auftrage meiner Fraktion: Das ist kein loyales Verhalten, wenn Sie dadurch gewissermaßen einen Zwang ausüben wollen und auf diese Weise nicht die Organisation, sondern die Leistungen in Berlin so verschlechtern.
Frau Kalinke, Sie bekommen wahrscheinlich nicht die Briefe, die alle meine Freunde aus der Fraktion und ich täglich von den Berlinern bekommen, die jetzt zum 1. Juli in den Renten um 50 DM, um 40 DM, um 60 DM heruntergesetzt worden sind. Das sind ja nicht die Leute, von denen Sie reden, die ein Parteibuch in der Tasche haben und deshalb hohe Renten bekommen haben. Das haben alle bekommen. Das sind zum Teil auch Frauen, die 1945, als unsere Sparkassen und Banken einfach geschlossen wurden, vor dem Nichts standen und gezwungen waren, als Trümmerfrauen auf die Straße zu gehen oder im Büro oder sonstwo zu arbeiten. Das waren zum Teil Frauen im weißen Haar. Diese Personen, auch ich selbst, alle miteinander, vor allen Dingen auch die Hilflosen, bekommen heute den Bescheid, daß die Renten außerordentlich herabgesetzt werden. Das ist ungeheuer bitter. Wir haben es in Berlin gemacht, um uns dem Bund anzugleichen; und nun verlangt man eine zweite Angleichung. Wenn dann das kommt, was der Herr Minister, Storch versprochen hat, nämlich die Neuregelung der gesetzlichen Rentenversicherung, dann machen wir eine dritte Angleichung. .Das bedeutet doch auch Kosten, auch einen Verschleiß an Arbeit und Zeit, die wir wirklich viel besser nutzen könnten, wenn uns Herr Minister Storch sagte: „Das neue Gesetz werden Sie in wenigen Wochen" — oder meinetwegen in wenigen Monaten — „erhalten", und wenn wir dann an eine wirkliche Neuregelung herangingen.