Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Grundsätzlich kann ich im Namen der Fraktion der Deutschen Partei sagen: wir begrüßen es, daß endlich dieses Rentenzulagegesetz zur ersten Lesung in den Bundestag gekommen ist. Ich möchte gleich vorweg sagen, auch meine Freunde — und darin stimme ich mit den hier abgegebenen Erklärungen überein — wünschen, daß die zweite und dritte Lesung unbedingt noch in der nächsten Woche stattfinden, damit die so lang erwartete Auszahlung der erhöhten Renten nicht verzögert wird.
Andererseits bedauern wir, daß mit diesem Gesetz eine Reihe von sehr wichtigen Regelungen der Rentenversicherung nicht miterledigt werden konnten. Wir bedauern auch, daß die vom Arbeitsminister gegebene Zusage und der Beschluß des Bundestags in dem Gesetz nicht so den Niederschlag gefunden haben, wie das meine Freunde wünschen. Wir werden daher, sobald das Gesetz in der nächsten Woche verabschiedet ist, initiativ werden und hoffen, daß die Bundesregierung alles tun wird, um die notwendigen Wünsche, die hier nach dem gemeinsamen Willen des Bundestags schon einmal formuliert worden sind, ihrer Verwirklichung entgegenzuführen.
Der Herr Arbeitsminister hat in erfreulicher Deutlichkeit heute zum Ausdruck gebracht, daß alles geschehen soll, um bei der Neuordnung die Rentenleistung und die Rentenhöhe an die zu erbringenden Beiträge und ihre Höhe anzupassen. Ich hoffe, daß auch im Ausschuß die Formulierung noch so klar erfolgt, daß gar kein Zweifel darüber besteht, daß wir zum echten Versicherungsprinzip zurückkehren wollen.
Ich freue mich auch darüber, daß der Herr Bundesarbeitsminister in ebenso bemerkenswerter Klarheit erkannt hat, daß die Grundlagen des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes hinsichtlich der Berechnung der Renten nicht die gegebenen sind, um eine Versicherungsgerechtigkeit zu garantieren. Wenn der Herr Kollege Renner geglaubt hat, die Ausführungen des Herrn Arbeitsministers, daß die Sozialversicherung keine Wohlfahrtsinstitution des Staates sein solle, angreifen zu müssen, so möchte ich den Worten des Herrn Bundesarbeitsministers noch hinzufügen: wir unterstreichen diese Ausführungen nicht nur, sondern möchten zum Ausdruck bringen, daß die hier aus Mitteln aller deutschen Steuerzahler zur Verfügung gestellten Summen für die notwendige Zulage aus Gründen der Anpassung an das veränderte Lohn- und Preisniveau keine Wohlfahrtsunterstützung des deutschen Staates an die Rentenempfänger sein sollen, sondern nur eine Vorabzahlung der Bundesregierung und eine Vorableistung auf die den Sozialversicherungsträgern zu erstattenden Verluste zweier Kriege und der Währungsreform sein können.
Wir legen ganz besonders Wert darauf, dies darzulegen, weil wir nicht wünschen, daß in den Köpfen derjeniger, die in der oppositionellen Publizistik draußen wirken, vielleicht aus nicht vermögendem Verstehen oder aus nicht gewolltem Verstehen der Gedanke entsteht, dies sei der erste Weg, die deutsche Sozialversicherung in eine Staatsbürgerversorgung zu überführen.
Das brennendste Problem — Herr Kollege Arndgen hat es schon gesagt — ist zwar die Verabschiedung des Rentengesetzes. Das zweitbrennendste Problem ist für. uns aber das, was Herr Kollege Horn ausgedrückt hat, die endliche einheitliche Ge-
setzgebung für alle deutschen Staatsbürger im Bundesgebiet einschließlich Berlins.
Gottlob hat der Herr Arbeitsminister seine Vorlagen
nicht nach dem Vorbild der SED, wie es in Berlin
verwirklicht ist,
und nicht nach dem Vorbild, wie es dem Deutschen Gewerkschaftsbund oder den sozialistischen Parteien vorschwebt, gestaltet,
sondern entsprechend der guten deutschen Sozialgesetzgebung, die in der ganzen Welt auch heute noch ein gutes Vorbild ist.
Wir bedauern es, daß der Bundestag die Doppelrenten beseitigt hat, und zwar gegen die berechtigten Ansprüche der berufstätigen Frauen, sowohl der weiblichen Angestellten wie der Arbeiterinnen, die ihre Beiträge gezahlt haben und die für ihre eigene Beitragsleistung im Falle der Verheiratung oder der Verwitwung nur eine Rente bekommen und um ihre eigenen Beiträge betrogen werden. Es mag berechtigt sein, daß der Staat sagt, er könne in der Invalidenversicherung den Grundbetrag nicht zweimal zahlen. Darüber kann man diskutieren. Es ist aber ganz unberechtigt, in der Angestelltenversicherung denjenigen, die ihre Beiträge in Zwangs- oder freiwilliger Versicherung weitergezahlt haben, das Ergebnis ihrer Beitragsleistung zu nehmen und sie darum zu betrügen. Wir glauben, daß es eine der wichtigsten Forderungen ist, auch im Hinblick auf die vollkommen veränderte Situation der berufstätigen Frauen in Deutschland, zu überlegen, ob wir nicht auch die Elternrente, die alte Forderung der weiblichen Angestellten, endlich einzuführen haben. Meine Fraktion wünscht, daß alle diese Fragen unverzüglich nach Verabschiedung dieses Gesetzes angeschnitten werden.
Mit diesem Gesetz wird auch die Frage der Krankenversicherung der Rentner berührt. Es erscheint uns dringend notwendig, daß dieses so ernste Problem einer Neuordnung zugeführt wird. Wir wollen nicht, daß die Ortskrankenkassen weiter damit belastet sind, allein die Krankenversicherung der Rentner durchführen zu müssen. Wir wollen, daß die gesamte deutsche Sozialversicherung und die gesamte Krankenversicherung, die ihre Bereitwilligkeit erklärt hat, zu dieser solidarischen Haftung für ihre Rentner verpflichtet wird.
Nun zum § 5. Ich bin eigentlich erstaunt, woher Herr Kollege Richter den Mut genommen hat, solche Worte über die auch von seinen Freunden in Berlin getroffenen Vereinbarungen zu finden. Noch mehr bin ich aber erstaunt, daß er als Kenner der Materie und als Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbundes nicht auf die echten Probleme eingegangen ist, um die es hier geht. Ich glaube, jeder Bürger in Berlin hat das gleiche Recht wie jeder Bürger im Bundesgebiet. Ich weiß auch, daß die Entscheidung der politischen Wahlen in Berlin in keinem Falle so klar und die Diskussion in keinem Punkt so brennend war wie in der Anpassung der Sozialversicherung an das Bundesgebiet. Ich weiß, und mit mir jeder Sachkenner, daß man in einer Stadt keine Rentenversicherung machen kann. Selbst die Vertreter der VAB haben längst eingesehen, daß die Erhaltung dieser Rentenversicherung ohne den notwendigen und von uns gewollten westdeutschen Lastenausgleich nicht möglich ist. Sie sprechen aber von der „Leistung" und meinen „die Organisation". Sie sprechen von Verminderung der Leistungen und verschweigen die Verbesserung da, wo sie in den meisten Fällen eintreten wird, wenn die echte Anpassung vollzogen ist.
Sie veröffentlichen Einzelfälle, und Sie möchten die Neuordnung verewigen, die Sie im Zuge politischer Revolutionen nach dem Beispiel der SED in Berlin verwirklicht haben. Sie sprechen heute von der zweimaligen Rentenkürzung. Meine Herren, Sie wissen sehr genau, daß die Rentenkürzung am 1. Juli in Berlin deshalb in Kraft tritt, weil Sie Ihre Tabellenrenten auf die übliche Versicherungsrente umstellen müssen.
Die Anhänger der VAB wissen auch, daß sie auf Grund ihrer 1946 eingeführten Tabellenrenten in Berlin nicht Leistungen nach bezahlten Beiträgen, sondern auf Grund des in den letzten fünf Jahren gehabten Verdienstes gezahlt haben.
Wer das Glück hatte, in Berlin durch das richtige Parteibuch in den letzten fünf Jahren viel zu verdienen, der bekommt eine hohe Rente, und wer das Unglück hatte, zur falschen Partei zu gehören und nichts zu verdienen — —
— Warum sind Sie so auffällig erregt?
— Die Wahrheit ist immer etwas unangenehm.
— Es ist der Auftrag der politischen Diskussion, die Fackel der Wahrheit durch das Gedränge zu tragen, auch wenn Sie sich an ihrer Fackel, Herr Richter, verbrennen sollten. Wir wünschen diese totale Auseinandersetzung mit Berlin in aller Deutlichkeit, und wir werden sie im Ausschuß mit aller Sachlichkeit fortsetzen.