Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich kann mich bei der Begründung dieser Gesetzesvorlage sehr kurz fassen, weil wir uns in der Sitzung am 1. März über die grundsätzlichen Fragen, die hier zu behandeln sind, bereits ausführlich unterhalten haben. Es handelt sich darum, daß wir denjenigen Menschen, die ihr Leben von den Renten der Sozialversicherung fristen müssen, ihre Bezüge erhöhen, und zwar so, daß sie halbwegs zu leben in der Lage sind.
Der damalige Beschluß des Hohen Hauses sprach nicht allein von einer Erhöhung der Renten, sondern gleichzeitig auch davon, daß die Rentenleistungen den Beitragsleistungen wieder mehr angeglichen werden sollen. Das finden Sie in diesem Gesetzentwurf in aller Klarheit. Wir wollen in der Sozialversicherung dazu zurückkehren, dem arbeitenden Menschen, der lange Jahre seine Beiträge zahlt, ein gerechtes Äquivalent für diese seine Beitragsleistungen .zu geben. Mit der Schaffung der Sozialversicherung in Deutschland ist man dazu übergegangen, den sozial schwachen Menschen durch die staatliche Hilfe die Möglichkeit der Altersversorgung zu geben. Man ist davon ausgegangen, daß derjenige, der lange Zeit hohe Beiträge zahlt, ein Äquivalent dafür bekommt.
Nun ist in den turbulenten Zeiten der beiden Weltkriege auf diesem Gebiete manches geändert worden. Man hat den Sozialversicherungsträgern auch Wohlfahrtsaufgaben des Staates gegeben, und wir sind allmählich dazu gekommen, daß der Sozialversicherungsbeitrag in einem gewissen Umfang eine Sondersteuer für den arbeitenden Menschen darstellt.
Der Ihnen nunmehr vorliegende Gesetzentwurf ist bereits mehrfach, auch im Bundesrat, angegriffen worden. Man hat gesagt, es sei sozial ungerecht, wenn man die niedrigen Renten um einen viel geringeren Betrag erhöhe als die seither schon höheren Renten. Das wäre richtig, wenn alle Rentenbezieher ihre Altersversorgung nur in der gewerblichen Arbeit und damit in der Sozialversicherung gesucht hätten. Ich habe hier einige Aufrechnungen machen lassen. Ich will Sie aber heute nicht damit langweilen, sondern werde in dem Ausschuß, der sich in den nächsten Tagen mit diesen Fragen beschäftigen wird, diese Dinge völlig klarlegen.
— Herr Kollege Richter, es ist nicht langweilig. Wenn man einmal auf die Dinge wirklich eingeht und nicht nur mit allgemein formulierten Redensarten davon spricht,
dann kommt man ein ganzes Ende weiter.
Ich habe hier eine Aufrechnung, wonach wir auf Grund des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes einem Mann, der 10 Jahre als landwirtschaftlicher Arbeiter tätig war, der dann selbst Landwirt wurde und vielleicht 20 oder 30 Jahre auf seinem Bauernhof doch wohl an erster Stelle seine Altersversorgung gesichert hat, bei einem Gesamtbetrag von noch nicht einmal 300 Mark, den er selbst geleistet hat, heute eine jährliche Rente von 600 Mark bezahlen. Das Geld muß aus den Beiträgen genommen werden, die diejenigen Leute zahlen, die eben in ihrem ganzen Leben als gewerbliche Arbeiter tätig sind.
Es ergeben sich sehr große Unterschiede, wenn ich mir die Rente eines Mannes ansehe, der 10 oder 15 Jahre bei der Post oder der Eisenbahn als Arbeiter tätig war und dann Beamter wurde und der heute neben seiner Pension, die er als Beamter zu beanspruchen hat, seine Invalidenrente bekommt.
Derartige Dinge sehen, wenn man sie oberflächlich behandelt, natürlich wesentlich anders aus, als wenn man ihnen einmal auf den Grund geht. Die deutschen Arbeitnehmer können vom Parlament mit Recht verlangen, daß ihre Sozialversicherung nicht zu einer Wohlfahrtsinstitution des Staates entwickelt wird,
sondern zu einer Sozialversicherung, die für einen gerecht geleisteten Beitrag nachher auch ein gerechtes Äquivalent in der Rente gibt.
Der vorliegende Gesetzentwurf wird an zweiter Stelle wegen der Bestimmungen angegriffen, die für das Land Berlin darin enthalten sind. Ich darf Ihnen sagen, daß der Gesetzentwurf, wie er Ihnen vorliegt, in engster Verbindung mit dem Senat in Berlin erarbeitet worden ist. Wir hatten zunächst einen Gesetzentwurf fertiggestellt, in dem Berlin nicht in die Gemeinlast der Versicherungsträger des Bundesgebietes aufgenommen war. Dann kam Herr Senator Klein mit dem Herrn Senator Fleischmann zu mir und sagte: Ja, Herr Minister, soll denn jetzt das Verhältnis in Berlin so bleiben, wie
es seither war? Sind wir nicht so weit, daß wir Berlin auf dem Gebiet der Sozialversicherung in die Gemeinlast des Bundes aufnehmen können? — Ich habe damals Herrn Senator Klein gesagt, persönlich sei ich schon lange dieser Meinung. Der staatspolitische Zustand Berlins sei ja nicht auf das Wollen der Berliner Bevölkerung oder der deutschen Bevölkerung im Bundesgebiet zurückzuführen. Des weiteren habe ich gesagt, es sei meines Erachtens zweckmäßig, wenn man auf allen Gebieten der Sozialversicherung dafür sorge, daß das einheitliche Recht und die innere Verbundenheit von Berlin mit dem Bundesgebiet herbeigeführt werde. Herr Fleischmann war der Meinung, daß er vielleicht bei der einen oder anderen Seite in Berlin Schwierigkeiten hätte. Dann haben sich die beiden Herren darüber verständigt und sich abends mit dem Herrn regierenden Bürgermeister von Berlin, der in Bonn war, in Verbindung gesetzt. Auf Grund der dann geführten Aussprache ist mir mitgeteilt worden, der regierende Bürgermeister in Berlin, Herr Professor Reuter, wünsche, daß in diesem Gesetzentwurf Berlin in die Lastengemeinschaft der Sozialversicherungsträger aufgenommen werde.
Wir haben daraufhin das Gesetz, soweit die Bestimmungen für Berlin in Frage kommen, noch einmal grundsätzlich umarbeiten lassen. Der Berliner Senat hat selbst einen seiner besten Sozialversicherungskenner hierhergeschickt, um gemeinschaftlich mit meinen Beamten diesen Gesetzentwurf, soweit er Berlin betrifft, aufzustellen. Der Gesetzentwurf ist dann dem Magistrat nach Berlin telefonisch durchgegeben worden. Der Herr regierende Bürgermeister von Berlin hat mir dann sagen lassen, daß der kleine Senat diesem Gesetzentwurf, soweit Berlin in Frage kommt, einmütig zugestimmt habe. Ich will das hervorheben, damit nicht die Meinung entsteht — die im Bundesrat bei einigen Herren, die diese Zusammenhänge nicht kannten, aufgekommen war —, als wenn wir heute mit einem politischen Druck Berlin zwingen wollten, in der Sozialpolitik etwas zu tun, was der Berliner Senat nicht will.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, die Begründung für die Einzelheiten des Gesetzes haben Sie in der dem Gesetz beigegebenen schriftlichen Begründung gelesen. Ich wollte nur diese kurzen grundsätzlichen Ausführungen dazu machen, damit nicht gewisse politische Meinungen, die sich draußen gebildet haben, die Beratungen im Ausschuß allzu sehr belasten.