Meine Damen und Herren! Ich mochte mich auf einige wenige kurze Bemerkungen beschränken. Ich möchte mich zunächst gegen eine Bemerkung unseres Kollegen Kiesinger verwahren, daß wir hier den Antrag eingebracht hätten, um ohne zwingenden sachlichen Grund eine lärmvolle Debatte zu führen.
Sie können in der Sache anderer Meinung sein, aber es gibt eine Reihe von Vorschlägen, die in der Begründung meines Antrags enthalten sind, die eine sachliche Diskussion hier jedenfalls als zweckmäßig hätten erscheinen lassen. Was ich bedauere, ist, daß der Herr Bundeskanzler im wesentlichen polemisch geantwortet hat. Ich wünschte, daß wir bei solchen Gelegenheiten doch auch von der Regierung auf konkrete Vorschläge der Opposition eine konkrete Antwort bekämen.
Das ist in diesem Falle wie in anderen Fällen nicht geschehen.
Mindestens zwei Fragen hätte der Herr Bundeskanzler wohl in der einen oder anderen Richtung beantworten sollen und müssen. Erstens die Frage, die ich hier konkret gestellt habe: „Ist die Bundesregierung der Meinung, daß es nicht zweckmäßig ist, angesichts der neuen Umwandlungsbestrebungen an der Saar in Richtung auf einen autonomen Staat einen neuen Schritt zu unternehmen?" Ich habe darüber nichts von dem Herrn Bundeskanzler gehört. Zweitens habe ich die Frage aufgeworfen, ob es nicht die Aufgabe der Bundesregierung sei, auch das Mittel des Europarats zu benutzen, um eine Herstellung demokratischer Zustände an der Saar zu fördern. Darauf hat der Herr Bundeskanzler erklärt, er halte überhaupt nichts davon, daß die Saar im Europarat sei.
Sie haben den Europarat wesentlich positiver beurteilt als die Sozialdemokratie, und was ich erwartet hätte, wäre, daß mindestens Sie und die Bundesregierung nun auch den Europarat als ein Instrument für eine Politik der Sicherung demokratischer Zustände in diesem bestimmten Teil Europas benutzen würden.
Zur Sache selbst möchte ich noch folgendes sagen. Der Herr Bundeskanzler hat erklärt, daß der Schumanplan-Vertrag die Vertretung des Saargebiets durch Frankreich nicht festgelegt und zumindest diese Vertretung nicht anerkannt habe. Ja, meine Damen und Herren, vor welcher Situation stehen wir denn hier? Was wir haben, sind zwei Briefe, ein Brief des Herrn Bundeskanzlers und ein Brief des französischen Außenministers, in denen beide Partner ihren Standpunkt festlegen, mit dem Effekt, daß es bei der Festlegung des gegensätzlichen Standpunkts geblieben ist, während aber im Vertrag völlig eindeutig klargemacht ist, daß in allen Fragen, die den Schuman-plan betreffen, Frankreich die Saar vertritt. Ich bringe hier den Art. 79 über den Geltungsbereich zur Kenntnis:
Dieser Vertrag findet auf dem europäischen Gebiet der hohen vertragschließenden Teile Anwendung. Er findet ebenso auf die europäischen Gebiete Anwendung, deren auswärtige Angelegenheiten von einem Signatarstaat wahrgenommen werden.
Dazu heißt es in einer Fußnote der Redaktion, daß sich diese Bemerkung auf die Saar sowie auf Andorra, Monaco und San Marino bezieht. In diese Position ist die Saar durch den Vertrag gekommen. Um die Sache völlig klarzumachen, ist
außerdem in Art. 21, der hier schon erwähnt wurde, bei der Festsetzung der Zahl der Abgeordneten in der sogenannten Versammlung ausdrücklich gesagt worden:
Die Vertreter der Saarbevölkerung sind in die Zahl der Frankreich zugewiesenen Abgeordneten eingerechnet.
Das steht im Vertrag, das ist unterschrieben, und davon haben wir auszugehen. Damit war sicher eine gewisse Berechtigung von unserem Standpunkt aus gegeben, auf die Konsequenzen dieses Tatbestandes gerade im Zusammenhang mit dieser Debatte ausdrücklich aufmerksam zu machen. Ich muß Ihnen sagen, daß unter diesem Gesichtspunkt nicht Herr Grandval — lassen wir ihn aus dem Spiel —, sondern der Herr Außenminister Schuman in seiner Pressekonferenz vom 21. völlig eindeutig und korrekt dem Geiste und dem Wortlaut des Vertrages nach alle Ansprüche Frankreichs in bezug auf seine Saarpolitik trotz des Briefwechsels geltend gemacht hat und daß die deutsche Position so ist, daß wir nicht in der Lage sind, diese Ansprüche nach dem Wortlaut des Vertrages zu bestreiten.
Das war meine Argumentation und ich bedauere, daß der Herr Bundeskanzler nichts Entscheidendes gegen diese Argumentation sagen konnte.
Schließlich ein drittes und letztes Wort, meine Damen und Herren! Ich muß sagen, daß wir mit einigem Erstaunen und einiger Überraschung die Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers betreffend seine heutige Auffassung über die Stellung des Saargebiets im Europarat zur Kenntnis genommen haben, nämlich seine Bemerkung, daß nach seiner Auffassung die Saar im Europarat überhaupt nichts zu suchen habe. Wenn wir in dieser Sache bei der Beratung über den Beitritt zum Europarat die Vertretung dieser Auffassung hier gehört hätten, dann wäre die Position des Deutschen Bundestages gegenüber dem Europarat wesentlich anders gewesen.
— Das ist kein Irrtum. Ich will Ihnen noch etwas sagen. Ich glaube, wir müssen uns doch in solchen Debatten daran gewöhnen, daß wir die Fakten im Auge behalten. Zum Beispiel: Der Herr Bundeskanzler hat hier erklärt, es sei nicht wahr, daß das Saargebiet in der gleichen Position im Europarat sei wie die Bundesrepublik, denn wir seien jetzt im Ministerrat. Als wir die Beschlußfassung über den Beitritt zum Europarat hatten, waren wir nicht im Ministerrat, und die Ausgangsposition — —
— Entschuldigen Sie, wir sprechen jetzt von Tatsachen, nicht von Wissen und Glauben.
Wir standen damals vor der Situation, das stelle ich nur fest, daß das Saargebiet in dem Augenblick, als hier die Entscheidung zu fällen war, in genau derselben Position wie die Bundesrepublik war,
und ein wesentliches Argument der sozialdemokratischen Fraktion war die Ablehnung der Gleichstellung mit dem Saargebiet. Sie haben damals dieses Argument nicht anerkannt.
Das ist doch der Ablauf gewesen.
— Entschuldigen Sie! Es gibt noch einen zweiten Punkt. Ich will ihn auch nennen, damit wir ihn nicht vergessen. In einem Zwischenstadium ist die Bundesregierung eingeladen worden, einen. Beobachter in den Ministerrat zu senden. Gleichzeitig hat der Ministerrat beschlossen, auch die Saarregierung einzuladen, einen Beobachter in den Ministerrat zu bringen.
Ich will nur daran erinnern, daß die Bundesregierung zwar damals gegen diese Gleichstellung des Saargebiets protestiert hat,
aber in einer Form, die es außerordentlich schwer machte, daß dieser Protestschritt ein konkretes Resultat haben konnte. Man kann heute die Dinge nicht so hinstellen, als seien die Regierungsparteien und die Regierung in bezug auf das Verhältnis zwischen Saargebiet und Europarat von vornherein der Meinung gewesen, man solle es überhaupt nicht akzeptieren. Das festzustellen, erscheint mir wichtig, weil ich glaube, daß nur dann eine wirklich sachliche Auseinandersetzung über derart schwerwiegende politische Fragen möglich ist, wenn wir uns an die Fakten halten
und wenn wir versuchen, bei einer Debatte über bestimmte praktische Vorschläge in einer aktuellen Situation uns mit ihnen auch tatsächlich auseinanderzusetzen.