Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen, die bisher von den Rednern gemacht worden. sind — ich sehe von Herrn Bundeskanzler Dr. Adenauer ab —, lassen doch manche Vergleiche zu. Ich möchte gerade aus der Erfahrung, die wir hier am Rhein in den letzten Jahrzehnten mit der französischen Politik gemacht haben, einige Vergleiche ziehen; dann werden Sie feststellen, daß das Bild des Herrn Seelos vom Floh doch etwas zu kurz und zu harmlos ist, obschon ein Floh manchmal sehr peinlich wirken kann. Er sieht die Sache meines Erachtens aus der Ferne seiner bayerischen Heimat. Aber ich vergleiche jetzt einmal Herrn Grandval mit Herrn Tirard. Was Grandval zur Zeit für die Saar ist, das war nach dem ersten Weltkriege Herr Tirard für das Rheinland. Der Herr Bundeskanzler wird mir bestätigen,
daß uns damals die Persönlichkeit des Herrn Tirard sehr große Sorge und sehr viel Arbeit gemacht hat.
Er wird mir weiter bestätigen, daß alle politischen Parteien des Rheinlandes trotz ihrer gegenseitigen und manchmal in die Tiefe gehenden Spannungen bei der Behandlung der Rheinlandfrage sich nicht nur zu einer, sondern zu vielen Kundgebungen zusammengefunden haben, und daß diese Kundgebungen, die manchmal Hunderttausende von Teilnehmern hatten, auf die öffentliche Meinung in der Welt, vor allen Dingen auf England, einen starken Eindruck gemacht haben. Ich erinnere daran, daß damals die Rheinlandfrage von dem früheren englischen Hauptmann Geddye, dem späteren Mitarbeiter der „Times", so in die öffentliche Meinung der Welt hineingetragen worden ist, daß man diesem Mann für die Aufklärung, die er damals gebracht hat, heute noch ein Denkmal setzen müßte; denn durch diese öffentliche Meinung, durch die Kundgebungen, durch die Artikel in der „Times" bekamen wir endlich einmal Gehör in der Welt, und man fing an, sich für die Rheinlandfrage zu interessieren und für das Rheinland etwas zu tun.
Damals ging es nicht nur um 12 Millionen Menschen und die Wirtschaft am Rhein, sondern um die unbedingt notwendige Beibehaltung der Verbindung zwischen Reich und Rhein. In Berlin mußte alles geschehen, und ich erinnere wiederum den Herrn Bundeskanzler daran, welch wesentliche Mitarbeit er gerade in Berlin durch sein Auftrumpfen — das ist milde ausgedrückt, er hat viel schärfer geredet und gehandelt als nur aufgetrumpft — geleistet und wie er erreicht hat, daß der Plan, das Rheinland abtrennen zu lassen, wie man einen kranken Arm amputieren läßt, von Berlin aufgegeben worden ist. Nur durch das Schreien, Rufen, Reden und Handeln des Rheinlands ist schließlich
der große innen- und außenpolitische Erfolg erzielt worden, daß das Rheinland beim Reich blieb.
Was damals im großen erreicht worden ist, das muß bei der Saar, geographisch gesehen, im kleinen erreicht werden.
Aber in der Saarfrage, meine sehr verehrtern Damen und Herren, liegt ein schmerzhafter Punkt, nicht nur für die Saarbevölkerung selber und für das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich. Die Saarfrage kann vielmehr zu einer schwärenden und eiternden Beule werden, die das ganze, auf Europa eingestellte Verhältnis der beiden Völker, Deutschlands und Frankreichs, vergiften und unmöglich machen kann. Ich erinnere an das Wort, das vorhin erwähnt worden ist: Immer daran denken und nie davon reden! Frankreich hat beim Elsaß gedacht und gehandelt, und schließlich hat es den Dauererfolg gehabt. Auch beim Saargebiet können wir feststellen, daß Frankreich doch handelt und immer wieder handelt. Das kann schon derjenige ermessen, der sich einmal nur wenige Tage im Saargebiet aufhält, dort mit den maßgebenden Persönlichkeiten eine Aussprache hält und durch das Land fährt.
Ich möchte jedem Mitglied des Bundestages raten, auf diese oder jene Weise ins Saargebiet zu kommen, selbst wenn uns vor wenigen Wochen der Weg dorthin versperrt worden ist. Es gibt nämlich auch andere Möglichkeiten, die Verbindung mit dem Saargebiet zu pflegen, dergestalt, daß wir das tun, was vor wenigen Tagen ein Gesangverein aus der Nähe von Saarbrücken gemacht hat. Er stattete dem Dorf Menden in der Nähe von Bonn einen Besuch ab, weil der Präsident zufällig aus diesem Dorf stammt. Die 120 Frauen und Männer haben das Bundeshaus besucht. In Schwarz-Rheindorf haben sie beim Festgottesdienst mitgewirkt. Im Dorfe selbst fand ein großes Volksfest statt, von dem die Saarländer geradezu begeistert waren. Das ist ungefähr dasselbe, was Herr Ministerpräsident Altmeier von Rheinland-Pfalz auch empfiehlt, nämlich möglichst viele persönliche Verbindungen zwischen dem Saargebiet und dem deutschen Heimatland, dem deutschen Vaterland herzustellen. Vielleicht ist das für den Herrn Minister für gesamtdeutsche Fragen eine wertvolle Anregung, auf diesem Gebiete noch intensiver zu arbeiten, als das bisher der Fall gewesen ist.
Ich nenne das Saargebiet eine blutende Wunde, die unbedingt zum Heilen gebracht werden muß, und ich bin der Überzeugung, daß wir nicht genug davon reden können, freilich in gemessener Form, in zielbewußter Sprache. Wenn auch der Herr Bundeskanzler mehr oder weniger auf das Handeln eingestellt ist und weniger reden darf als wir hier, so sind wir doch in diesem Hause für ihn auf jeden Fall eine starke Resonanz, damit er das tun kann, was er vorhin angedeutet hat, nämlich mit England und mit den Vereinigten Staaten diese Frage intensiver zu behandeln, als das nach der Überzeugung meiner Freunde im Europarat möglich ist. Deshalb haben wir auch vor wenigen Wochen den Antrag gestellt, an die Vereinten Nationen heranzutreten.
Ich komme zum Schluß. Ich möchte an dieser Stelle Herrn Kollegen von Merkatz herzlich danken, daß er uns diese Aufklärung gegeben hat, die dann auch von einer Erklärung des Ministerpräsidenten Altmeier unterstützt wird. Ich bin mit ihm und mit Herrn Ministerpräsident Altmeier der
Überzeugung, daß wir jede Rechtsposition, die l wir auf diesem Gebiete haben — sei es von der Geschichte her, sei es von der gegenwärtigen Rechtsauffassung her — ausnützen müssen, um für das Saargebiet das zu tun, was möglich ist.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, mit einem Bild schließen. Ich habe mir die Saarfrage vor wenigen Wochen auch von Paris aus angesehen. Dort las ich auf verschiedenen öffentlichen Gebäuden den bekannten Dreiklang: Liberté, Egalité, Fraternité. Liberté, die Freiheit wo ist die Freiheit für das Saargebiet bei der Saarregierung? Wo ist die Gleichheit im Saargebiet? Wo ist erst die Brüderlichkeit? — Das, was von Paris aus im Saargebiet getan wird, das hat mehr Ähnlichkeit mit den Methoden, die von Moskau her für die Ostzone angewandt werden.
Meine Damen und Herren! Darum komme ich wieder zu dem Bild, das ich in der französischen Kammer lange beobachtet habe. Für das Parlament sagt Mirabeau zum Abgesandten des Königs: „Sagen Sie dem König, daß wir zusammenbleiben, bis das Volk eine Verfassung hat!" — Wir wollen dem Saarvolk sagen: Wir wollen im Bundestag schaffen, denken und handeln, bis dem Saargebiet und dem Saarvolk die Freiheit der Meinung wiedergegeben wird.