Rede von
Dr.
Gebhard
Seelos
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht nur die Saarfrage liegt dem deutschen Volke so sehr am Herzen. Es gibt auch andere Fragen, wie die Kriegsgefangenenfrage, die Ostzone, die Besatzungsfragen. Alle diese Fragen, an die wir taglich denken, wollten wir gern morgen alle lösen. Aber mit den Debatten in diesem Hause und den Wiederholungen ist es eben nicht geschehen. Man darf doch bei der Saarfrage die großen Relationen nicht vergessen. Der Ostblock umfaßt etwa 34 Millionen Quadratkilometer und etwa 800 Millionen Menschen. Der Westblock umfaßt etwa 54 Millionen Quadratkilometer und auch etwa 800 Millionen Menschen. Die Saar umfaßt 2500 Quadratkilometer und 1 Million Menschen. Wenn ich das sage, verkenne ich die Bedeutung der Saar nicht! Aber man muß bei der Behandlung einer Frage auch an die Gesamtrelation denken, und diese ist, in diesem Zusammenhang betrachtet, 1 zu 40 000 geographisch und 1 zu 2000 der Bevölkerung nach! Auch ein Floh kann einen Menschen sehr argern. Aber deshalb schlägt man nicht mit Knüppeln auf ihn und schießt nicht mit Pistolen darauf! Auch ein Auge kann einen Menschen einmal sehr irritieren. Die Reaktion eines kleinen Kindes geht dahin, daß es sich reibt, so lange reibt, bis sich das Auge entzündet und den ganzen Organismus des Menschen schädigt. Um das Kind .von solchen Manieren abzubringen, klopft man ihm auf die Finger. Auch den politischen Kindern!
Ich habe es begrüßt, daß der Herr Bundeskanzler selbst sich schon so scharf gegen die schädigende Wiederholung einer Debatte ausgesprochen hat. Er hat — fast zuviel — noch einmal die Argumente aufgegriffen, die im wesentlichen, so gut und so richtig sie waren, doch nichts Neues gebracht haben. In dieser Wiederholung haben wir nur den glücklichen und glänzenden Eindruck, den die erste Saardebatte in Deutschland und in der Welt gemacht hat, verflacht und herabgesetzt. Tatsächlich hat doch die Regierungserklärung des Bundeskanzlers in der ersten Aussprache am 30. Mai alles enthalten, was zu der Frage zu sagen war, insbesondere — das hat er heute wieder betont — das Argument: Wir haben dort politische und wirtschaftliche Interessen, die Franzosen haben nur wirtschaftliche Interessen. Wir haben a plus b, und die Franzosen a. Eliminiert man durch den Schumanplan auf beiden Seiten a, dann bleibt eben nur auf unserer Seite b stehen. Das ist eine arithmetische Rechnung.
Wenn man aber durch Wiederholungen dieser Debatten, insbesondere politischer Art, auch die politischen Interessen auf der anderen Seite weckt,
dann kann man damit ein dauerndes Faktum schaffen, das für uns sehr schwer aus dem Wege zu räumen sein wird.
Wenn man den SPD-Antrag sehr objektiv prüft, muß man sagen, daß er eigentlich nur Dinge enthält, die bereits durch die erste Regierungserklärung vom 30. Mai gewürdigt worden sind, und daß, wenn man an die Absicht der SPD glauben würde, der Regierung die Möglichkeit zu einer Aussprache zu geben und ihr das Vertrauen auszusprechen, dies in der Fassung der Frage durchaus gegeben ist.
Viel gefährlicher ist dagegen der Antrag der CDU/CSU. Denn er kommt auf die Dinge zu sprechen und hat Wendungen, die meiner Ansicht nach der Regierung sehr unangenehm und peinlich sein müßten.
Tatsächlich hat die Opposition erkannt, daß sie etwas versäumt hat, und Herr Ollenhauer hat die Frage, die im Punkt 2 des Antrags der CDU/CSU enthalten ist, mit Feierlichkeit unterstrichen, um die Regierung zu der Frage zu provozieren, ob die französische Regierung hinter diesen Erklärungen des französischen Hochkommissars stehe. Es ist also schon sehr gefährlich, wenn man bei den Regierungsparteien nur auf die Handlungen der Oppositionsparteien schielt und wenn andererseits die Oppositionspartei innenpolitische Streitigkeiten auf außenpolitische Tatbestände überträgt, gleichgültig ob es zum Schaden oder zum Nutzen der deutschen Nation ist.
Als die Franzosen 1870 Elsaß-Lothringen verloren hatten, sind sie nach der Methode vorgegangen: Nie davon sprechen, immer daran denken! Wir Deutschen sind jetzt im besten Zug, hinsichtlich der Saar genau das Gegenteil zu tun.
Hoffen wir, daß nicht auch noch andere „Ergebnisse" dabei herauskommen, als sie sowieso schon
durch das beständige Gerede und Geschwätz drohen!