Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich nehme an, daß bei der Beratung des Schumanplans noch über die Saarfrage geredet werden wird, und enthalte mich deswegen heute der Ausführungen über diese Zusammenhänge.
Ich will darauf nur insoweit eingehen, als mich einige Angaben des Herrn Abgeordneten Ollenhauer, die von ihm offenbar irrtümlich gemacht worden sind, dazu nötigen.
Meine Damen und Herren, ich möchte voranschicken, daß ich es nicht für eine sehr gute Politik halte, wenn wir hier alle sechs Wochen eine große Saardebatte haben,
und daß ich es noch weniger für eine gute Politik in der Saarfrage halte, wenn wir uns immer wieder durch Reden des Herrn Grandval dazu provozieren lassen.
Herr Grandval hat durch die Behandlung seiner Interviews und seiner Reden in Deutschland allmählich in der Welt ein Ansehen bekommen, das ihm in keiner Weise zukommt.
Ich habe keine Veranlassung, mich mit Herrn Grandval auseinanderzusetzen.
Ich werde mich über die Saarfrage mit denjenigen Stellen zu unterhalten haben, die für das Geschick der Saar zuständig sind.
Das sind Frankreich, England und die Vereinigten Staaten.
— Ich bin eben objektiv, Herr Renner!
Meine Damen und Herren, es ist unrichtig, wenn Herr Abgeordneter Ollenhauer gesagt hat, daß wir, die Bundesregierung, die Vertretung der Saar durch Frankreich im Schumanplan anerkannt hätten. Genau das Gegenteil ist der Fall. Es ist ebenfalls nicht richtig, was Herr Abgeordneter Ollenhauer gesagt hat: meine These sei, daß sich durch die Unterzeichnung des Schumanplans die ganze Saarfrage lösen werde. Ich habe folgendes gesagt. Ich habe erklärt, daß die französische Saarpolitik, die ich von Grund auf für falsch halte,
daß die französische Saarpolitik, die nach dem Zusammenbruch ihren Anfang genommen habe, aus folgender Erwägung heraus beschlossen worden sei. Man habe geglaubt, daß Saareisen und Saarkohle einer deutschen Wiederaufrüstung gegen Frankreich zugute kommen würden. Ich habe weiter gesagt, daß die französische Politik in bezug auf die Saar damals diesen Weg eingeschlagen habe, weil sie in Deutschland ihren potentiellen Kriegsgegner erblickt habe. Ich habe dann ferner
ausgeführt: wenn infolge des Schumanpians die Saarkohle und das Saareisen zu europäischer Kohle und zu europäischem Eisen geworden seien, entfalle diese These der französischen Regierung von 1946. Ich habe weiter ausgeführt — und das bitte ich zu beachten, Herr Kollege Ollenhauer —, daß sich durch die politische Entwicklung seit dem Jahre 1946 in Europa ganz klar und eindeutig herausgestellt habe, daß Deutschland kein potentieller Kriegsgegner Frankreichs sei und daß, wenn erst durch den Schumanplan die Integration Europas wirklich ihren Anfang genommen habe, auch jeder damals von Frankreich für seine Saarpolitik angeführte Grund entfalle.
Das sind meine Ausführungen gewesen, und, meine Damen und Herren, diese Ausführungen halte ich nach wie vor für richtig.
Herr Abgeordneter Ollenhauer hat ferner gesagt, es sei weiter untragbar, daß die Bundesregierung stillehalte und alles gewähren lasse. Meine Damen und Herren, diese Annahme des Herrn Ollenhauer ist völlig unrichtig.
Am 29. Mai dieses Jahres habe ich an die Hohe Kommission, die ja auch nach Ansicht der Partei des Herrn Ollenhauer die Inhaberin der obersten Gewalt an der Saar ist, die offizielle Bitte gerichtet, dafür zu sorgen, daß an der Saar die demokratischen Grundrechte gewährleistet würden. Ich habe bisher eine Antwort darauf nicht erhalten. Das wundert mich nicht, meine Damen und Herren;
denn vergessen Sie nicht, daß seit dem Abgang dieser Note erst sechs Wochen verstrichen sind und es sich dabei um eine Frage handelt, die nicht etwa auf dem Petersberg entschieden wird, sondern die durch Austausch von Meinungen zwischen den drei Hauptstädten der Westalliierten entschieden werden muß.
Es ist auch nicht zutreffend, daß die Bundesregierung die Teilnahme der Saar am Europarat auf gleicher Ebene hingenommen habe. Tatsache ist, daß die Saar im Europarat nicht auf gleicher Ebene wie die Bundesrepublik vertreten ist.
Denn die Saar hat im Ministerrat des Europarats keine Stimme.
Ich bin weiter der Auffassung, daß es nicht richtig sein würde, wie Herr Kollege Ollenhauer gesagt hat, im Europarat klarzumachen, daß die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft des Saargebiets im Europarat deswegen nicht gegeben seien, weil dort die demokratischen Grundrechte nicht beobachtet würden. Ich bin der Auffassung, daß überhaupt keine Voraussetzungen für die Teilnahme der Saar im Europarat in irgendeiner Form gegeben sind.
Meine Damen und Herren, ich möchte dann weiter hier betonen, daß ich bei der letzten Verhandlung dieser Angelegenheit im Bundestag am 30. Mai 1951 ausdrücklich erklärt habe, daß ich die ganze Frage im Ministerrat des Europarates zur Sprache bringen würde;
und ich werde das auch tun.
Es kann also gar keine Rede davon sein, daß die Bundesregierung in der Saarfrage alles passiv hinnehme.
Ich bin der Auffassung, daß wir die ganze Saarfrage in gar nicht so langer Zeit so gelöst sehen werden, wie wir es wünschen.
Aber, glauben Sie mir das eine: wir schaden nur unseren Brüdern und Schwestern an der Saar, wenn wir hier aus mir nicht recht ersichtlichen Gründen ständig Saardebatten hervorrufen.
- Ja, eine Rede des Herrn Grandval ist in meinen Augen kein ersichtlicher Grund!
Ich spreche hier nicht als Mitglied der CDU/CSU-Fraktion, sondern als Bundeskanzler,
und als Bundeskanzler muß ich unter Umständen anders sprechen als als Mitglied einer Fraktion.
Ich bitte Sie, die Debatte nicht zu vertiefen. Glauben Sie mir, sie liegt — auch nach den Besprechungen, die ich darüber mit den maßgebenden Vertretern der Vereinigten Staaten gehabt habe —
nicht im Interesse der Saarbevölkerung. Ich bitte Sie, alle diese Anträge dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zu überweisen.