Rede von
Louise
Schroeder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Herren und Damen! Bei diesen Paragraphen — ganz besonders bei § 27 und § 29 — handelt es sich um die Wahl derjenigen Persönlichkeiten, die in allererster Linie die Bundesanstalt zu schaffen und das Gesetz durchzuführen haben. Es handelt sich also hier darum, die wichtigste Aufgabe von vornherein zu erfüllen, um die gute Durchführung des Gesetzes zu gewährleisten.
Wir haben verschiedentlich bei der Diskussion um dieses Gesetz das Wort „Selbstverwaltung" gehört. Wenn es eine Aufgabe der Selbstverwaltung gibt, die die wichtigste ist, so ist es doch selbstverständlich die, den Präsidenten der Bundesanstalt sowie auch die Präsidenten der Landesarbeitsämter zu bestimmen.
Wenn wir nun daraufhin die Vorlage, wie sie von der Bundesregierung und wie sie aus dem Ausschuß gekommen ist, überprüfen, dann sehen Sie, daß hier das Gegenteil der Selbstverwaltung bestimmt worden ist. Es heißt, daß der Präsident der Bundesanstalt und sein ständiger Vertreter auf Vorschlag des Bundesministers für Arbeit und nach Zustimmung der Bundesregierung ernannt und entlassen werden sollen. Der Bundesminister für Arbeit hort lediglich vorher den Verwaltungsrat.
Ganz ähnlich ist es in dem folgenden Abs. 2 und im § 29, in dem es sich darum handelt, die Präsidenten der Landesarbeitsämter und die Direktoren der Arbeitsämter zu bestimmen. Die Präsidenten der Landesarbeitsämter und ihre ständigen Vertreter sollen vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des Bundesministers für Arbeit und nach Zustimmung der Bundesregierung ernannt werden. Wiederum soll der Verwaltungsrat lediglich gehört werden. Es heißt sodann, daß der Verwaltungsrat den Verwaltungsausschuß des Landesarbeitsamtes zu hören hat. Aus diesem Grunde haben wir bereits im Ausschuß verlangt, daß in diesen Fällen in erster Linie die Verwaltungsausschüsse bzw. der Verwaltungsrat die Entscheidung haben sollen. Gerade bei diesen Bestimmungen sind wir der Ansicht, daß sie der Selbstverwaltung Genüge tun sollen. Wir haben deshalb im Umdruck Nr. 246 für § 27 noch einmal den Antrag gestellt, daß der Präsident der Bundesanstalt und sein ständiger Vertreter durch den Verwaltungsrat der Bundesanstalt gewählt werden sollen und daß die Wahl lediglich der Bestätigung durch den Bundesminister für Arbeit bedürfen soll, die aber nur aus einem wichtigen Grunde verweigert werden kann. Ebenso sollen der Präsident des Landesarbeitsamtes und sein Stellvertreter durch den Verwaltungsausschuß des Landesarbeitsamtes gewählt werden. Auch hier soll wiederum die Wahl lediglich der Bestätigung des Vorstandes der Bundesanstalt bedürfen, die nur aus einem wichtigen Grunde verweigert werden kann.
Dasselbe gilt in § 29. Hier handelt es sich um die unterste Instanz, nämlich den Direktor des Arbeitsamtes, der wiederum vom Verwaltungsausschuß des Arbeitsamtes gewählt werden soll und vom Verwaltungsausschuß des Landesarbeitsamtes dem Vorstand vorzuschlagen ist, der die Bestätigung nur aus einem wichtigen Grunde verweigern kann.
Diese unsere Anträge sind analog den Beschlüssen des Bundesrats. Die Bundesregierung hat aber geglaubt, sich den Bundesratsbeschlüssen
nicht fügen zu sollen. Vielmehr hat der Herr Bundesminister für Arbeit unter dem 22. Mai ein Schreiben an den Ausschuß für Arbeit des Deutschen Bundestages gerichtet, in dem er den nach seiner Ansicht vorhandenen Unterschied zwischen der Sozialversicherung und dem uns jetzt vorliegenden Gesetz auseinandergesetzt hat. Er hat geglaubt, daß es sich, wenn in der Sozialversicherung tatsächlich die Selbstverwaltung diese wichtigsten Entscheidungen in der Hand hat, auch nur darum handele, den Versicherten gegenüber verantwortlich zu sein, während es sich bei diesem Gesetz nicht nur um die Versicherten handelt, wie es zwar bei der Arbeitslosenversicherung der Fall ist, aber in dem übrigen Teil des Gesetzes um eine Verantwortung gegenüber dem Gesamtvolk. Ich glaube, daß dieser Unterschied nicht richtig ist. Einmal ist der Kreis auch in der Sozialversicherung kaum geringer, als er nach diesem Gesetz ist. Zum zweiten aber haben wir doch den Gedanken, daß Arbeitnehmer und Arbeitgeber — und in diesem Fall kommen dazu noch die öffentlichen Körperschaften — nicht etwa nur versicherungsmäßig etwas zu sagen haben sollen. Ich darf Sie an das Mitbestimmungsgesetz erinnern, in dem der ge Samte Bundestag und die Bundesregierung unter Anführung des Herrn Bundeskanzlers ausdrücklich ausgesprochen haben, daß die Sozialpartner, d. h. Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in steigendem Maße an der Gestaltung unserer Wirtschaft und damit am öffentlichen Leben mitarbeiten sollen.
In dem vorliegenden Gesetz ist tatsächlich eine Verantwortung in bezug auf die Schaffung von Arbeit, in bezug auf die Versorgung von Arbeitslosen sowie in bezug auf die Jugend, die in die Arbeit hineinkommen soll, enthalten. Wie schwierig diese Aufgabe ist, das haben wir bei dem vorherigen Gesetz gesehen, wo einer der Herren Abgeordneten noch Ausführungen gemacht hat, die gezeigt haben, daß er nicht verstanden hat, welche sozialen Nöte in der Jugend heute wirklich vorhanden sind. Gerade aus all diesen Gründen, sage ich, ist es richtig, daß in diesem Gesetz eine große Verantwortung enthalten ist. Aber wenn wir uns vergegenwärtigen, daß die wichtigsten Faktoren unseres Wirtschaftslebens, d. h. die Arbeitnehmer und Arbeitgeber, von denen wir jetzt gern als Sozialpartnern sprechen, und die öffentlichen Körperschaften vereinigt sind, dann, glaube ich, können wir ihnen die Verantwortung schon zutrauen, nun auch die wichtigsten Persönlichkeiten zu bestimmen, die dieses Gesetz durchzuführen haben.
Dann hat der Herr Arbeitsminister gemeint, hier läge ein außergewöhnliches finanzielles Interesse vor. Nun, Herr Arbeitsminister, das liegt — Sie haben es selbst in dem Gesetz gezeigt, das wir morgen beraten werden, nämlich bei der Erhöhung der Renten — heute bei allen Gesetzen vor. Heute ist auch die Sozialversicherung nicht mehr in der Lage, die Aufgaben in finanzpolitischer Hinsicht vollkommen allein meistern zu können. Ich glaube, daß das hier überhaupt kein Grund für Ihre Ablehnung sein kann.
Aber, meine Herren und Damen, nun hat ja auch der Ausschuß eine gewisse Milderung beschlossen. Da darauf sicher in der Diskussion hingewiesen wird, will ich gleich etwas dazu sagen. Es ist gesagt worden, daß der Herr Bundesminister für Arbeit den Verwaltungsrat vorher hört, von dessen Stellungnahme er nur bei Vorliegen eines
wichtigen Grundes abweichen kann. Das ist eine Milderung, das gebe ich ohne weiteres zu. Aber es ist eben auch nur eine Milderung. Es ändert an der grundsätzlichen Frage der Selbstbestimmung in diesen so wichtigen sozialpolitischen Fragen nichts.
Zum Schluß darf ich vielleicht noch darauf hinweisen, daß nicht etwa nur unsere Fraktion und die Gewerkschaften auf dem Standpunkt stehen, daß hier die Selbstverwaltung zur Durchführung kommen muß. Ich darf Sie erinnern an einen Artikel des Präsidenten des Arbeitgeberverbandes, Herrn Dr. Erdmann, über die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, aus dem ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten ein paar Zeilen vorlesen darf. In dem Artikel schreibt Herr Dr. Erdmann wie folgt:
Wenn allerdings bei der Wahl der Beamten die zuständigen Verwaltungsausschüsse bzw. der Verwaltungsrat nur gehört werden sollen, so verdient aus den oben dargelegten Gründen unbedingt der Vorschlag des Bundesrats den Vorzug, der das Wahlrecht von den Selbstverwaltungsorganen ihrer Dienststellen ausgeübt zu sehen wünscht.
Nur auf diese Weise kann der Grundsatz der Selbstverwaltung bei der Ernennung der Beamten der Bundesanstalt gewahrt werden. Hiernach müßte also der Präsident der Bundesanstalt vom Verwaltungsrat, die Präsidenten der Landesarbeitsämter von den Verwaltungsausschüssen der Landesarbeitsämter gewählt werden. Die Beschränkung der Selbstverwaltungsorgane lediglich auf ein Anhörungsrecht überträgt das überragende Schwergewicht der Verwaltung der künftigen Anstalt lediglich dann doch wieder auf einen Behördenaufbau, der mit dem Grundgedanken der verantwortlichen Selbstverwaltung der Beteiligten nicht vereinbar ist.
Sie sehen also, daß wir in dieser Frage nicht alleinstehen, daß Arbeitnehmer und Arbeigeber, aber auch die öffentlichen Körperschaften, gemeinsam stehen.
Lassen Sie mich nun der Zeitersparnis in dieser späten Stunde wegen gleich ein Wort über § 28 sagen! Wir haben beantragt, daß im § 28 der Satz, nach welchem der Vorstand seine Befugnisse auf den Präsidenten der Bundesanstalt oder auf die Präsidenten der Landesarbeitsämter übertragen kann — in Verbindung mit Abs. 1 heißt das, daß die Ernennung und die Entlassung der übrigen Beamten durch den Vorstand geschehen soll —, aus den gleichen Gründen gestrichen wird. Wir wollen hier nicht die Befugnis einer Einzelperson, sondern wir wollen hier die Befugnis des Vorstandes, der sich in einer Weise, über die an anderer Stelle gesprochen wird, zusammensetzt, nämlich aus Arbeitnehmervertretern, Arbeitgebervertretern und Vertretern der öffentlichen Körperschaften.
Ich möchte Sie also bitten, meine Herren und Damen, diesen unseren Anträgen zuzustimmen.