Rede von
Oskar
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Wir hatten bei Beginn unserer heutigen Tagung den Antrag gestellt, dieses Gesetz von der Tagesordnung abzusetzen und zurückzustellen, bis das Betriebsverfassungsgesetz behandelt würde. Dabei gingen wir von der Überlegung aus, 1. daß mit diesem Gesetz, das jetzt zur Beratung steht, ein Kündigungsschutz für die Arbeitnehmer praktisch nicht geschaffen wird, 2. daß eigentlich die Überschrift über diesem Gesetz anders lauten müßte, nämlich „Leitfaden für Unternehmer, wie sie am besten und unauffälligsten ihre Entlassungen durchführen können".
— Ich werde es Ihnen sofort beweisen.
Meine Damen und Herren! Warum wir die Forderung erhoben haben und nach wie vor darauf bestehen, daß der Kündigungsschutz unter allen Umständen ein Bestandteil des Betriebsverfassungsgesetzes wird, das erklärt sich aus folgendem, und ich glaube, aus weiten Kreisen der Arbeiterschaft und auch der Gewerkschaftler wird unsere Auffassung unterstützt: Wenn überhaupt über die sogenannte Gleichberechtigung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gesprochen werden kann - eine These, die von den Gewerkschaften vertreten wird: wir sind der Auffassung, daß das bei weitem noch nicht genügt, weil der entscheidende Teil der Produktionskraft die Arbeitskraft ist —, muß in der gesamten sozialen Gesetzgebung die Arbeiterschaft die Mehrheit in allen Organen haben. Diese unsere Auffassung setzt voraus, daß unter allen Umständen das Mitbestimmungsrecht verankert wird. Dieses Gesetz aber greift einem kommenden Betriebsverfassungsgesetz oder einem Gesetz über die Mitbestimmung vor und schaltet die Betriebsräte in ihrem Recht der Mitbestimmung aus.
— Herr Kollege, ich werde Ihnen das an einem Beispiel demonstrieren.
Nun ist es mir eigentlich unverständlich, wie Herr Kollege Preller in seiner Berichterstattung einleitend davon sprechen konnte, mit diesem Gesetz sei ein Fortschritt erzielt worden. Ich glaube, eine eingehende Durchsicht dieses Gesetzes wird das Gegenteil beweisen. Ich möchte nicht nur verweisen auf die jetzt von den Regierungsparteien zum § 1 bereits getätigten Abstimmungen über die Hinausschiebung des Kündigungsschutzes von 3 auf 12 Monate, sondern auch auf die zweifellos von denselben Parteien noch beabsichtigte Durchsetzung ihrer Forderung, daß erst nach dem 25. Lebensjahr ein Kündigungsschutz eintreten soll. Die Begründungen, die hier gegeben worden sind, haben das, was in Wirklichkeit beabsichtigt ist, keineswegs zum Ausdruck gebracht. Den Herren der Regierungsparteien liegt daran, im Zuge ihrer gesamten Politik die Jugend nicht irgendeines Schutzes teilhaftig werden zu lassen, sondern sie
als Freiwild für die Rekrutierungsabsichten der amerikanischen Milliardäre zur Verfügung zu stellen.
— Meine Damen und Herren, daß das zutrifft, haben Sie mir eben bewiesen!
Ich sage also: wir können doch nicht davon sprechen, Herr Kollege Preller, daß hier eine Verbesserung eingetreten sei.
Ich möchte aber auch noch auf folgendes verweisen. In dem zweiten Abschnitt heißt es, daß die Kündigung berechtigt sei, die durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt sei. Wer entscheidet darüber? Darüber entscheidet der Unternehmer! Dazu kommt dann nur das Recht des Einspruchs, der über den Betriebsrat bei Einzelfällen beim Arbeitsgericht oder bei Massenentlassungen bei der Arbeitsverwaltung einzulegen ist. Meine Damen und Herren, wir geben uns keinerlei Illusionen darüber hin, daß angesichts des Charakters dieses Staates, in welchem 200 Millionäre ihre Vertretung hier bei den Regierungsparteien und dort auf der Ministerbank haben,
die Gerichte so besetzt werden, daß sie Fleisch vom Fleische und Blut vom Blute der herrschenden Klasse sind. Wir wollen das doch einmal an einem anderen Beispiel erläutern.
Bei den Opelwerken in Rüsselsheim schwebt nach wie vor die Frage von Betriebseinschränkungen auf Grund von Materialmangel. Wenn daher von einer Massenentlassung von zunächst einmal 1500 Arbeitern gesprochen wird und dann die entsprechenden Anträge vorgelegt werden, dann wird die zuständige Stelle diesen Anträgen der Leitung dieses amerikanischen Betriebes ohne weiteres ihre Zustimmung geben. Hätte dagegen der Betriebsrat das Mitbestimmungsrecht, und zwar nicht nur das wirtschaftliche, sondern selbstverständlich auch das personelle Mitbestimmungsrecht, und wäre, wie wir es fordern, jede Kündigung, wären vor allem Massenentlassungen abhängig von der Zustimmung des Betriebsrates, dann würde dieser seine Zustimmung berechtigterweise verweigern.
— Ich glaube, Herr Kollege Freudenberg, in Ihrem Betrieb wird das Resultat der Produktion, der Betriebsertrag kein anderer sein als in den Opelwerken! — Ich habe bereits einmal darauf hingewiesen, daß allein durch die Aktienumstellung 1 : 1 den Aktionären der Opelwerke 72 Millionen DM geschenkt worden sind. Dieser Betrag würde ausreichen, um pro Kopf der gesamten Belegschaft von 20 000 Mann ein ganzes Jahr monatlich 300 Mark zu zahlen.
— Es gibt noch erhebliche weitere Gewinne, die iii der Bilanz der Opelwerke versteckt sind, Herr Dr. Becker! Daß Sie sich zum Interpreten der General Motors machen, ist allerdings bei der FDP kein Wunder.
Das Mitbestimmungsrecht bei Entlassungen ist entscheidend, wenn wir überhaupt von einem
Kündigungsschutz sprechen wollen. Deswegen fordern wir, daß der § 2 folgende völlig neue Fassung erhält:
Eine Kündigung kann nur ausgesprochen werden, wenn der Betriebsrat hierzu seine Zustimmung gibt.
Auch die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion und die Gewerkschaftler werden sich zu überlegen haben, ob sie mit der Zustimmung zu einem solchen Gesetz den Kampf draußen um ein wirkliches Mitbestimmungsrecht nicht versperren, statt sich mit uns dafür einzusetzen, daß die Frage des Kündigungsschutzes zu einer Angelegenheit des Mitbestimmungsrechtes in wirtschaftlichen, personellen und sozialen Fragen gemacht wird. Bei diesem Gesetz jedenfalls hat der Unternehmer nach wile vor, wenn auch in einigen Fällen etwas verbrämt, aber praktisch jede Möglichkeit, seine Absichten bei einer Entlassung durchzusetzen. Dagegen wenden wir uns. Wir glauben deshalb, daß es notwendig ist, unserem Antrag zu § 2 zuzustimmen.