Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte davor warnen, in diesem Gesetz alles in einen Topf zu werfen. Es ist von den Hattenheimer Beschlüssen die Rede gewesen. Damals haben sich doch bloß die Großen unterhalten,
die Großindustrie -und die Gewerkschaften.
Wo sind z. B. die freien Berufe gewesen? Die hat man doch gar nicht einmal zur Teilnahme aufgefordert. Man muß doch auch auf sie Rücksicht nehmen. Wo ist denn die Landwirtschaft in Hattenheim gewesen? Auch sie ist nicht vertreten gewesen.
Und gerade für sie will ich bei § 1 sprechen. Sehen
Sie sich doch einmal die Verhältnisse im Betrieb an!
Das kann man doch ganz ohne besondere Erregung machen, lieber Herr Kollege. Nehmen wir es doch, wie es ist! Da lernen Sie einen Mann kennen; der wird während der Erntezeit eingestellt. Weiß man denn, ob er auch für die Bestellungsarbeiten im Frühjahr zu gebrauchen ist? Wenn er ein Vierteljahr da ist, trifft das Gesetz für ihn zu. Dann wird die Folge sein, daß er zwangsweise entlassen werden muß, bevor es soweit ist.
Nehmen wir einen freien Beruf, den Architekten! Der Mann hat einen größeren Auftrag, er arbeitet eine gewisse Zeit daran und stellt einen Stab von 12 technischen Mitarbeitern ein. Soll er die entlassen, weil die Leute nach einem Vierteljahr Rechte erwerben, die einem anderen, älteren Mitarbeiter im Wege stehen? Gerade bei den freien Berufen, auch bei den künstlerischen Berufen, handelt es sich um Individualleistungen; da kann man nicht einen Mann wegschicken und einen andern für ihn hineinsetzen, weil er vielleicht mehr Kinder hat oder andere soziale Gründe vorliegen. Wenn man die Arbeitgeber aber dazu zwingt, so zu verfahren, dann verleitet man sie dazu, sozial Schwache erst überhaupt nicht einzustellen, damit diese den Älteren, die sie bisher schon beschäftigt haben, nachher nicht im Wege stehen.
Denken Sie einmal an den Fall meines eigenen Bürovorstehers! Ich habe seit Jahr und Tag einen Mann, der kinderlos verheiratet ist. Wenn ich nun aus Gefälligkeit jemanden einstelle, der viele Kinder hat, um ihm vorübergehend zu helfen, soll ich dann gezwungen sein, späterhin den älteren Getreuen, der mir, als es mir schlecht ging, geholfen hat, zu entlassen, weil der nachträglich Aufgenommene Kinder hat? Das geht doch nicht!
— Doch, das steht drin! Das kann man in der Großindustrie machen, wo mit einer größeren Zahl von
Teilnehmern zu rechnen ist und man den einen durch den andern mehr oder weniger ersetzen kann. Das können Sie aber überall dort nicht, wo es sich um Vertrauensverhältnisse handelt, also in allen Kleinbetrieben, und das sind; wenn man generalisieren will, alle Betriebe bis zu 10 Beschäftigten. Wer übernimmt unter anderem auch die Haftung für den Angestellten, wenn sich -nach Ablauf von drei Monaten herausstellt, daß der Mann weniger geeignet ist und faul wird? Die drei Monate lang hat er sich zusammengerissen, und jetzt bringt er seinen Dienstherrn laufend in die Gefahr von Regreßverpflichtungen. Nimmt das Gesetz dem Dienstherrn die Regreßpflicht ab? Wenn ich einen Stift habe — so etwas ist vorgekommen; er war nicht mehr Lehrling —, der geruht, Berufungsbegründungen mit Porto in den Briefkasten zu stecken, statt sie persönlich abzugeben, muß ich für die Folgen aufkommen. Aber bei Gericht muß ich den Nachweis führen, daß der Mann untragbar ist!
Nun stellen Sie sich einmal vor, wie das in einem Handwerksbetrieb oder in einem Einzelbetrieb mit wenigen Angestellten geht Anderswo haben Sie einen Sozialdirektor, der Karteien führt und schöne Listen macht, in denen sauber zu lesen steht, wie der betreffende Mann sich 23 Jahre oder 1, 2 oder 3 Jahre benommen hat. Da ist es zu beweisen. In einem großen Büro sind viele Leute vorhanden, die dem Mann auf die Finger sehen. Aber bei einem Bauern, bei einem Handwerker oder bei einem Freiberufler mit einer kleinen Beschäftigtenzahl ist derjenige, der es beweisen könnte, in der Lage der Partei. Er kann es nicht beweisen, hat keine Zeugen, er wird also bei Gericht unterliegen. Dann steht er da und muß bezahlen. Jetzt zeigt sich, daß der Mann, der hier kurzerhand als der sozial Stärkere hingestellt wird, in sehr vielen Fällen der sozial Schwächere ist. Da ist überhaupt gar nicht das soziale Gefälle, das wirtschaftliche Gefälle vorhanden, von dem man hier generalisierend ein für allemal ausgeht. Gerade der Inhaber eines Kleinbetriebes mit ein, zwei oder drei Gehilfen ist doch nicht ein Krösus, der einen Mann ein ganzes Jahr umsonst durchziehen kann. Bei fünf oder sechs Gehilfen wird er auch noch kein großer Unternehmer sein, bei dem es keine Rolle spielt, ob er einen Mann durchzieht. Bei ihm spielt eine solche Abfindung eine erhebliche Rolle. Die Rentabilität, unter Umständen sogar die Existenzmöglichkeit hängt gerade bei einem Angehörigen des freien Berufes davon ab.
Denken Sie einmal an den Fall des Architekten, der für ein bestimmtes Objekt eine größere Zahl von Technikern eingestellt hat. Er muß entweder seine alten Stammarbeiter vielleicht aus sozialen Gründen entlassen, oder aber er muß so viel dafür aufbringen, daß seine eigene Existenz gefährdet wird.
Ich wünsche hier nicht mehr, als daß gerade auch auf die kleinen Betriebe, die kleinen Unternehmer, auf die individuellen Verhältnisse Rücksicht genommen wird. Gerade bei den kleinen Betrieben — die Zahl der Beschäftigten liegt praktisch zwischen 3 und 10 — muß man noch bedenken, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Beteiligten ohnehin so eng und so vertraulich ist, daß überflüssige Entlassungen praktisch nicht erfolgen, weil die Beteiligten viel zu sehr mit ihrer Existenz aufeinander angewiesen sind.
— Ich möchte wissen, wo Sie wohnen, wenn Sie
unterstellen, daß in einem kleinen Betrieb die Leute von vornherein so feindlich und so uninteressiert aneinander vorbeigehen. Da, wo ich zu Hause bin, in Münster, ist das nicht Sitte. Da lebt man so miteinander, daß man füreinander Interesse hat. Das kann man aber auseinandertreiben, wenn man die Leute durch solche Gesetze zwingt, egoistisch zu denken. Es besteht die Gefahr, daß das, was man gutherzig sozial gemeint hat, hinterher sehr zum Nachteil derer ausschlägt, für die es nützlich sein soll. Letzten Endes ist der Unternehmer sich selber der nächste. Er kann es, je kleiner der Betrieb ist, im Interesse seiner Existenz und der Existenz seiner Familie gar nicht verantworten, daß er sich da in ein Abenteuer begibt und hinterher ein Jahr lang eine Kraft mit durchziehen muß, ohne daß er von ihr eine Arbeitsleistung hat.
In einem kleinen Betrieb ist noch eine Gefahr vorhanden. Wenn ein Mann lebenslängliche Rechte bekommen soll, setzt man im allgemeinen eine längere Erfahrung mit ihm voraus. Man bezeichnet jemanden als leichtfertig, wenn er heiratet, nachdem die Partner sich erst ein Vierteljahr kennengelernt haben. Man bezeichnet im zivilen Leben jemand als leichtfertig, wenn er eine Einstellung für einen wichtigen Posten vornimmt, ohne den Mann ausreichend lange untersucht zu haben. Man läßt ihn deswegen haften. Wenn aber in dem vorliegenden Fall nach einem Vierteljahr schon eine so gut wie lebenslängliche Anstellung erfolgen soll, so geht das zu weit.