Rede von
Adolf
Ludwig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Wir waren außerordentlich überrascht über die Häufung von Anträgen gerade zum § 1 dieses Gesetzes, und wir waren noch mehr überrascht, unter den Anstragstellern sogar Kollegen zu finden, die im Ausschuß nicht nur mitgearbeitet, sondern auch dieser Formulierung zugestimmt haben.
Wir waren auch weiter überrascht über die Widerstände, die hier aufgetreten sind, weil gerade Vertreter dieser Parteien sehr oft die Auffassung vertreten haben, daß es eigentlich Aufgabe der Sozialpartner sei, sich zu einigen.
Hier liegt nun ein typischer Fall vor, wo die Sozialpartner sich tatsächlich geeinigt haben.
Selbstverständlich bleiben auf beiden Seiten noch Wünsche übrig. So ist das ja immer, wenn man über etwas verhandelt und sich dann verständigt. Es ist sicher keiner restlos befriedigt; aber die Tatsache steht doch fest, daß der Inhalt dieses Gesetzes auf Abmachungen beruht, die beide Sozialpartner bei verschiedenen Besnrechungen miteinander getroffen haben. Es ist bereits erwähnt worden — und das stimmt auch —, daß auch das Handwerk in Hattenheim bei diesen Beratungen vertreten war und daß auch der Vertreter des Handwerks zugestimmt hat.
Wenn nun der Einwand gemacht wird, man könne in drei Monaten nicht wissen, mit wem man es zu tun hat, so stellt sich gerade das Handwerk ein Armutszeugnis aus,
wenn es derartiges sagt.
Denn die Zusammenarbeit beim Handwerk ist
doch so eng, ja man kann sagen familiär, daß
wirklich jeder weiß, mit wem er es zu tun hat.
Meistens hat sich ja jeder schon vorher sehr genau erkundigt, mit wem er es bei dem Einzustellenden zu tun hat. Dieses Argument kann also nicht stechen. Ich kann nicht annehmen, daß sich in diesem Hause eine Mehrheit ergibt, die einen hohen Prozentsatz Schutzbedürftiger von diesem Schutze ausschließen will. Denn stellen Sie sich vor, was es bedeutet, wenn Sie die Frist auf ein Jahr verlängern! Sie schließen damit Millionen von diesem Schutz aus, und — das ist schon betont worden — Sie stellen viele schlechter, als sie nach den Ländergesetzen bisher standen. Draußen herrscht sowieso schon eine Mißstimmung, weil bei der Bundesgesetzgebung verschiedenes gegenüber der Ländergesetzgebung verschlechtert worden ist. Sie schließen also sehr viele Menschen aus, und zwar gerade diejenigen, die des besonderen Schutzes bedürften.
Wenn Sie das Gesetz genau lesen, dann können Sie doch feststellen, daß es Handhaben genug bietet, um die Härten zu vermeiden, die hier befürchtet sind. Über die Bestimmung der sogenannten betrieblichen Erfordernisse bestehen wirklich Möglichkeiten für die kleineren Betriebe, über Härten hinwegzukommen. Es ist also genügend Rücksicht genommen, um den Wünschen entgegenzukommen, die hier geäußert worden sind. Wenn das Gesetz seinem Namen Ehre machen soll und wenn Sie vor allem den unverschuldet längere Zeit nicht Beschäftigten helfen wollen — denn das wissen auch Sie, daß es Menschen gibt, die unverschuldet ausscheiden, entweder weil technische Änderungen vorgenommen wurden oder weil der Betrieb aus anderen Gründen stillgelegt werden mußte —, dann können Sie doch nicht wünschen, daß die Menschen, die in neue Arbeitsverhältnisse eintreten müssen, in der Weise benachteiligt werden sollen, wie das geschehen würde. Wenn Sie also das nicht wollen, dann müssen Sie diese fünf gestellten Anträge ablehnen.
Nachdem hier auch gleich die Abänderungsanträge zum § 21 begründet worden sind und nachdem auch schon darüber gesprochen worden ist, möchte ich bitten, auch diese Anträge abzulehnen. Hier liegt der Fall vielleicht noch krasser als bei dem Antrag zu § 1. Denn es kann nachgewiesen werden — und ich glaube, das sind sogar offizielle Zahlen —, daß mindestens 4 Millionen Menschen dadurch diesen Kündigungsschutz verlieren würden. Ich glaube, es widerspricht sogar den Interessen derjenigen, die hier diese Anträge vertreten. Denn es ist doch klar: wenn soundsoviele Menschen von dem Schutz ausgeschlossen sind, dann werden sie das Bestreben haben, in solche Betriebe nicht hineinzugehen. Das kann sich sehr nachteilig auswirken; denn ich kann mir sehr gut vorstellen, daß sich dann nicht gerade die besten Facharbeiter in Betriebe begeben, in denen sie dieses Schutzes nicht teilhaftig werden. Auch hier muß man sagen, daß das Gesetz auch für die kleinen Betriebe genügend Schutz bietet. Denn es ist an verschiedenen Stellen immer wieder betont, daß auch die Richter darauf Rücksicht nehmen müssen.
Wir dürfen also nicht so weit gehen, meine Damen und Herren, daß wir weite Teile des Volkes unter Ausnahmerecht stellen, daß wir weite Teile des Volkes von einem Gesetz ausschließen, das wir Kündigungsschutzgesetz nennen. Deshalb bitte ich Sie, die Anträge zu § 1 und § 21 abzulehnen.