Worin bestehen die Verpflichtungen, die der Herr Bundeskanzler in seinem sogenannten Brief vom 6. März unterschrieben hat? Erstens in der Anerkennung aller deutschen Vorkriegsschulden. Zweitens in der Anerkennung der Schulden, die aus der sogenannten Nachkriegswirtschaftshilfe, insbesondere also aus den Segnungen des Marshallplans für die Bundesrepublik entstanden sind. Drittens hat der Herr Bundeskanzler die Verpflichtung unterschrieben, daß allen finanziellen Verpflichtungen, die sich hieraus ergeben, der Vorrang gebührt gegenüber allen anderen Verpflichtungen privater oder öffentlicher Natur; und viertens erklärt die Bundesregierung durch die Unterschrift Adenauers ausdrücklich, daß sie einverstanden ist, daß die Erlöse aus dem deutschen Export herangezogen werden, ja dem Pfandrecht unterliegen, um alle Verpflichtungen zu erfüllen, die sich aus dem Schuldenanerkenntnis ergeben. In dem Brief ist das zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen, aber mit der Zitierung des Abkommens, das die Bundesregierung mit den USA am 15. Dezember 1949 unter der Bezeichnung ECA-Abkommen geschlossen hat, wird indirekt die Zustimmung zum Pfandrecht der amerikanischen Bankhyänen gegenüber den Erlösen aus dem deutschen Export gegeben. Schließlich hat sich die Bundesregierung bereit erklärt, den Zahlungsdienst für Tilgung und Zinsen baldigst aufzunehmen.
Es handelt sich, wie gesagt, keineswegs nur um einen einfachen, unverbindlichen Briefwechsel. In dem Schreiben, in dem die Alliierte Hohe Kommission die Schuldverschreibung Adenauers bestätigt, erklärt sie, daß der sogenannte Briefwechsel als Beurkundung eines Abkommens zu betrachten sei. In der gleichen Weise, wie dieses Abkommen ohne Zustimmung des Bundestags, ohne Informierung der Öffentlichkeit getroffen worden ist, soll auch der Plan für die Leistung der Zahlungen aufgestellt und verabschiedet werden. Auch dieser Zahlungsplan soll sich eindeutig nach dem Diktat der drei Westmächte oder vielmehr nach deren wichtigstem Partner, nach den Vereinigten Staaten von Amerika richten.
Am 26. Mai wurde bekanntgegeben, daß eine Drei-Mächte-Kommission für deutsche Schulden eingesetzt worden sei. Sie werde am 25. Juni erstmals in London, zusammentreten. Deutsche Vertreter werden aber erst zu einem Zeitpunkt .;u diesen Verhandlungen geladen, nachdem die Kommission ihre Vorschläge fertig formuliert hat, nämlich etwa zwei bis drei Wochen später. Man soll doch nicht den Eindruck zu erwecken versuchen, als ob die sogenannten Schuldenbesprechungen, die vor einigen Tagen in Bad Godesberg unter Beteiligung des Herrn Finanzministers stattgefunden haben, irgend etwas mit einer echten Beratung des Schuldenproblems zu tun haben. Seitens der Alliierten Kommission wird bekanntgegeben, daß es sich bei dieser Aussprache lediglich um die Bekanntgabe des technischen Verfahrens an die Vertreter der Bundesregierung gehandelt habe und nicht um irgendeine Beratung der sachlichen Probleme. Ich möchte mich hierzu auf eine Schweizer Zeitung berufen, die „Neue Züricher Zeitung", die am 4. Juni dieses Jahres erklärte, daß die sogenannten Vorschläge der Studiengruppe der drei westlichen Okkupationsmächte weit mehr als bloße Anregungen darstellen.
Sie sind
— so schreibt diese Zeitung, wie zunächst festzuhalten ist —
von den drei Regierungen bereits gutgeheißen
worden. Sie kommen also schon einer sehr
positiven Verständigung zwischen den Okkupationsmächten darüber gleich, wie das deutsche Schuldenproblem gelöst werden soll.
Wiederum wie schon oft vorher wird den Vertretern der Adenauer-Regierung lediglich das Recht eingeräumt, zu fertig formulierten Texten nachträglich ihre Unterschrift herzugeben.
Man muß doch sagen: es ist wirklich ein eigenartiges Verfahren, das seitens der Bundesregierung bei einer so eminent wichtigen Angelegenheit eingeschlagen wird. Am 23. Oktober richteten die Hohen Kommissare an die Bundesregierung ihre offizielle Aufforderung, gemäß den Beschlüssen der New Yorker Außenministerkonferenz eine formelle Anerkennung der Auslandsschulden, insbesondere der Vorkriegsauslandsschulden zu geben. Dieser Brief war eigenartigerweise von einem Vordruck der Hohen Kommission für ein Antwortschreiben begleitet, zu dem sich der Bundeskanzler bequemen sollte.
Ich habe das glücklicherweise hier, und ich möchte gern, daß sich die Herren der Regierungskoalition einmal dazu äußern, wie sie ein solches Verfahren mit der Würde der Bundesregierung vereinbaren wollen oder wie sich das mit den Prinzipien der Gleichberechtigung verträgt, wenn der Petersberg an die Bundesregierung die Vorlage eines Antwortbriefs gleich mitschickt. Es heißt nämlich hier: „Alliierter Entwurf einer Antwort des Bundeskanzlers an die Hohe Kommission".
Am 5. März hat die Bundesregierung zum erstenmal eine Erklärung darüber abgegeben, wie sie sich die Anerkennung der Auslandsschulden denkt. Zugegebenermaßen tat sie das darum so schnell, weil sie für die bevorstehenden militärischen Verhandlungen in Brüssel eine Vorleistung in der Form geben wollte, daß die Brüsseler Mächte von vornherein der unbedingten Gefolgschaft der Bundesregierung und der Anerkennung jeglichen wirtschaftlichen, finanziellen und personellen Beitrags sicher waren, dessen Leistung zur Wiederaufrüstung Westeuropas von der Bundesregierung verlangt wird.
Am 16. Februar schließlich hat sich der Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten mit der Sache befaßt und, wie man hört, den Standpunkt der Bundesregierung einstimmig gebilligt, folglich auch — das verdient festgehalten zu werden — mit den Stimmen der sozialdemokratischen Vertreter, die zwei Monate vorher noch ausdrücklich erklärt haben, sie würden unter keinen Umständen dem Schulden-anerkennungsverfahren des Bundeskanzlers ihre Zustimmung geben.
Schließlich hat der Herr Bundeskanzler in seinem Brief vom 6. März erklärt, er werde sehr bald den gesetzgebenden Körperschaften der Bundesrepublik sein Abkommen mit dem Petersberg zur Genehmigung vorlegen. Das war am 6. März. Seitdem sind fast vier Monate vergangen. Der Bundeskanzler denkt nicht daran, sein Abkommen den gesetzgebenden Körperschaften zur Genehmigung vorzulegen. Er weiß auch, warum. Er weiß, daß, wenn bekannt würde, zu welcher Anerkennung von Schulden er sich bereit erklärt hat, die Bevölkerung ihrer Empörung Ausdruck geben würde, und zwar in einer Art, daß der Bundesdeskanzler es nicht mehr wagen könnte, zu seiner Unterschrift zu stehen. Darum wird dieser Akt vor der Öffentlichkeit verschwiegen. Es wird verschwiegen, daß noch nicht einmal die genaue Höhe der Schuldverschreibung fixiert ist, daß sozusagen eine Blankoverpflichtung im vorhinein gegeben wurde. Es steht noch nicht fest — die technischen Einzelheiten soll die Dreierkommission ja erst beschließen und fixieren —, ob die Summe nach der Goldklausel des Dollars oder nach einem abgewerteten Dollar bewertet wird. Es steht noch nicht fest, ob die westdeutsche Abwertung von 1948 angerechnet wird oder nicht. Es steht noch nicht fest, ob die amerikanischen Herren Zinseszinsen berechnen wollen oder nicht.
Somit sind auch die Berechnungen der eingegangenen Schuldverschreibungen außerordentlich verschieden. Sie schwanken bei den Auslandsschulden zwischen 2 Milliarden und 17,4 Milliarden, nämlich unter Einrechnung aller Vorkriegsschulden der Hitlerregierung, der Weimarer Regierung, der Schulden aus der Dawes- und Young-Anleihe usw. und außerdem der Anerkennung auch der Summen, die die Anerkennung der privaten Schulden nach sich zieht. Alles zusammen -
wenn auch die Schulden dazu gezählt werden, die sich aus den Marshall-„Geschenken" in der Höhe von über 15 Milliarden ergeben — ergibt sich eine vorläufige Mindestsumme der von Adenauer anerkannten Auslandsschuld von über 33 Milliarden Mark. Es handelt sich wohl um die ungeheuerlichste Belastung, die jemals eine deutsche Regierung mit einem Federstrich eingegangen ist, ohne die gesetzgebenden Körperschaften zu befragen.
Ich weiß, daß nicht nur von unserer Seite her ernste Bedenken gegen diese Schuldenanerkennung geltend gemacht werden. Ich weiß, daß auch in den Kreisen der Regierungsparteien mit großer Sorge den Folgen entgegengesehen wird, die sich aus diesem Akt ergeben. Man weiß dort sehr gut, daß mit diesem Akt die Ausfuhrerlöse für Tilgung und Zinsleistungen in Anspruch genommen werden sollen. Man weiß sehr gut, daß damit eine weitere Drosselung desjenigen Teils unserer Einfuhr verbunden sein wird, der nicht unbedingt kriegswichtig ist, der aber für die zivilen Bedürfnisse unserer Bevölkerung von Bedeutung ist. Man weiß, daß von außen her, seitens der Gläubiger, eine gewaltige Forcierung der Ausfuhr zu dem Zweck vor sich gehen wird, die Zahlungen für die Tilgung und die Zinsen aufzubringen. Man weiß sehr gut, daß sich das in einer weiteren Einengung des inländischen Konsums, in einem starken Lohndruck bei unserer inlandischen Industrie auswirken wird. Man weiß außerdem, daß die Bestimmung, daß zwar der Hauptteil der Zahlungen in Devisen, ein gewisser Rest aber in D-Mark erfolgen soll, dazu ausgenutzt werden soll, der Überfremdung mit ausländischem Kapital Tür und Tor zu öffnen. Denn es heißt ausdrücklich, daß diese D-Mark-Zahlungen in langfristige Kapitalanlagen mit allen ihren Folgen umgewandelt werden können.
Meine Damen und Herren, diese Willfährigkeit, die die Adenauer-Regierung gegenüber den ausländischen Gläubigern bewiesen hat,
hat nichts mit einer deutschen Politik zu tun. Man muß sagen: die Adenauer-Regierung hat nicht das geringste Recht dazu, solche Verpflichtungen einzugehen,
sie ist von niemandem dazu beauftragt, und sie hat erst recht nicht die Berechtigung, im Namen des gesamten deutschen Volkes zu sprechen.
Wir wissen, warum sich die Adenauer-Regierung so beeilt hat, diese Verpflichtungen einzugehen. Es handelt sich, wie man sagt, um die Wiederherstellung der Kreditwürdigkeit . der westdeutschen Bundesregierung und der westdeutschen Industrie. Jawohl, Wiederherstellung der Kreditwürdigkeit zu dem einen Zweck, um amerikanische Kapitalströme ins Land zu lenken, die ausschließlich und allein der Mehrung des westdeutschen Rüstungspotentials dienen,
die ausschließlich dazu dienen, den gleichen Geldgebern der amerikanischen Banken zusätzliche
Profite aus Rüstungsinvestitionen zu gestatten,
die sich auch in der Hitlerzeit an den Rüstungsanleihen, an den Krupp-, Thyssen- und Vereinigten Stahlwerken bereichert haben.
Meine Fraktion hat beantragt, daß die Schuldenanerkennung des Bundeskanzlers zurückgezogen, vom Bundestag für null und nichtig erklärt wird. Ich hoffe, daß es sich die verantwortungsbewußten Mitglieder des Hauses bei dieser Sache nicht etwa wieder so einfach machen werden, wie das üblich geworden ist, nämlich: Übergang zur Tagesordnung zu beantragen.
— Ich weiß, der Herr Strauß sitzt schon bereit, um diesen Antrag zu stellen. Aber Sie werden sich dafür vor dem Volk rechtfertigen müssen, ob Sie das Recht haben, eine Schuldverschreibung in der Höhe von Dutzenden von Milliarden auszugeben, ohne das Volk zu befragen.
Sie wissen, daß diese Verschuldung die Mehrung des sozialen Elends unseres Volkes und die Organisierung der wirtschaftlichen Katastrophe bedeutet.