Rede von
Dr.
Hans
Reif
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein Akt der Solidarität aller Deutschen, wenn Sie der Ausdehnung des Notaufnahmegesetzes auf Berlin zustimmen. Damit ist zwar auch eine Hilfe für Berlin verbunden, aber ich glaube, daß der Hilfscharakter hierbei eine weniger entscheidende Rolle spielt als die organisatorische Bedeutung der Tatsache, daß nämlich die Bedingungen der Aufnahme vereinheitlich werden. Von Herrn Dr. Tillmanns ist hier schon darauf hingewiesen worden, daß wir auch aus der Schwierigkeit unserer Lage heraus gezwungen gewesen sind, in Berlin einen viel schärferen Maßstab bei der Auslese der politischen Flüchtlinge anzuwenden. Das ist aber nicht nur ein Akt der Sparsamkeit, sondern wir haben in Berlin auch die Möglichkeit, die Frage des politischen Charakters der Flucht sehr viel kritischer zu prüfen. Wir — und ich glaube, auch unsere deutschen Landsleute in der sowjetischen Besatzungszone — sehen manchmal mit Verwunderung und Besorgnis manchen hier in Westdeutschland herumlaufen, von dem wir uns gar nicht recht denken können, wieso der eigentlich durch die Prüfung in bezug auf den Charakter als
politischer Flüchtling hat durchkommen können. Ich glaube, das kann in Berlin nicht passieren. Deshalb, meine Damen und Herren, wird mit der Erstreckung des Gesetzes auf Berlin nicht nur eine Rechtsvereinheitlichung, nicht nur eine Vereinheitlichung der Organisation, geschaffen, sondern Berlin selbst wird auch mehr als bisher in den Dienst der Gesamtorganisation gestellt. Ich glaube, daß die Möglichkeiten, die Berlin in der Beurteilung von Personen als politische Flüchtlinge hat, durch diese Vereinheitlichung dem Ganzen zugute kommen werden. Worauf es letzten Endes ankommt, ist doch dieses: Wir wollen keinen Anreiz dafür schaffen, daß Menschen — aus verständlichen Gründen —, denen es in der sowjetischen Zone nicht mehr gefällt, nach dem Westen kommen. Das können wir uns auch nicht leisten. Wir wollen aber denen, die im Freiheitskampf als Verwundete — d. h. Verwundete an ihrer Existenz — auf der Strecke geblieben sind, helfen. Deshalb müssen wir gerade um dieser Menschen willen die Maßstäbe der Auslese besonders scharf wählen. Das ist bisher im Westen vielfach nicht geschehen. Berlin wird, wenn es jetzt in die Gesamtorganisation eingeordnet ist, mit dazu beitragen können, daß hier allmählich wirklich eine echte Auslese entwickelt wird. Denn auf die kommt es an. Das sind wir denen schuldig, die wirklich Leib und Leben und ihre Existenz riskiert haben und für die die Solidarität der deutschen Nation einzustehen hat.