Herr Kollege Renner, das war nur versilbert, das war kein Silber! Ich glaube, Sie essen zu Hause auch mit versilberten Bestecken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich noch einmal das Wort ergreife, dann tue ich das nicht mehr als Berichterstatter, sondern als Sprecher für meine Fraktion. Ich stelle mit großer Genugtuung fest, daß diese Diskussion sich gewissermaßen mit gedämpftem Trommelklang abspielt. Das ist sehr erfreulich, weil es den tatsächlichen Verhältnissen gerecht wird. Sie alle wissen, daß die Fragen, die der Ausschuß zu untersuchen hatte, besonders in der ersten Zeit unserer Tätigkeit hier im Bundestag in der breitesten Öffentlichkeit geradezu ungeheures Aufsehen erregt haben. Es schwirrten mehr oder weniger phantasievolle Gerüchte über den angeblich unverantwortlichen
Luxus in Bonn, über die Vergeudung von ungeheueren Millionen von Steuergroschen unserer armen Bevölkerung in der Gegend herum, wobei es den Verbreitern solcher Gerüchte auf ein paar Dutzend Millionen, ja in einigen Berichten auf ein paar Hundert Millionen gar nicht ankam. Die Unruhe, die durch alle möglichen unkontrollierbaren Gerüchte Nahrung erhielt, wurde leider auch durch die teilweise unsachlichen und vielleicht auch etwas frühzeitigen Kommentierungen in einzelnen Zeitungen wesentlich gestärkt. Ich muß das einmal sagen, selbst auf die Gefahr hin, daß ich von einzelnen Zeitungen, die sich getroffen fühlen, in tausend Stücke gerissen werde. Denn dies alles hat dazu beigetragen, daß in weiten Kreisen unseres Volkes das Vertrauen zu unserer jungen Demokratie und zu seiner Repräsentanz, eben dem Bundestag, untergraben wurde.
Ich glaube, wir alle erleben es noch heute, daß wir sowohl als Abgeordnete als auch hinsichtlich unserer sehr ernsthaften Tätigkeit in diesem Hohen Hause draußen Berge von Mißtrauen zu überwinden haben. Leider haben auch einzelne politische Parteien aus der unbestrittenen Tatsache, daß die Einrichtung Bonns wesentlich mehr gekostet hat, als man noch im Hauptstadt-Ausschuß vermutet hat, Kapital zu schlagen oder, wenn ich mich der Terminologie unseres sehr verehrten Kollegen Schoettle bedienen darf, parteipolitischen Honig zu saugen versucht. Ich meine dabei nur, daß der Honig, den man aus solchen Dingen saugt, die etwas nach Stank riechen, nicht gut schmeckt.
Nun, man ist im politischen Kampf ja allerhand gewohnt, und es ist meist auch nicht besonders schwer, das Hintergründige dabei zu entdecken. So scheint es mir auch hier zu sein, Ich habe das Gefühl, daß durch die Entrüstung hindurch immer ein klein wenig die Enttäuschung über das Ergebnis der Hauptstadtwahl schimmerte, etwa wie das Hemd durch einen zerschlissenen Rock. Wir alle — ich betone das mit Nachdruck — hatten seinerzeit größtes Interesse daran, festzustellen, aus welchen Gründen die Kosten in Bonn eigentlich höher geworden waren, als man in den Beratungen des HauptstadtAusschusses angenommen hatte. Es trat ja der in diesem Hause seltene Fall ein, daß der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion einstimmig angenommen wurde. Wäre es dann nicht besser gewesen, man hätte das Ergebnis des Ausschusses erst einmal abgewartet, anstatt ein mögliches oder vielleicht sogar erwünschtes Ergebnis im Wahlkampf oder auch sonst irgendwie als parteipolitischen Honigspender zu benutzen? Ich habe eine Menge von Presseberichten und auch Wahlzettel in meiner Mappe. Da muß man entweder den Kopf schütteln, oder es muß einem der Papierkragen platzen. Ich wähle das erstere; denn ich stehe auf dem Standpunkt: die Wahrheit kommt doch an den Tag. Der hier vorliegende Bericht ist eben die Wahrheit.
Was ist nun dabei herausgekommen? Unser Freund Renner hat schon bei den Beratungen des „Spiegel"-Ausschuß-Berichtes ein Wort gebraucht, das mir gefallen hat — der Herr Kollege Schoettle hat es gestern bei den Beratungen des Haushalts wiederholt —: das Wort von den Bergen, die kreißen und ein Mäuslein gebären. Ja, ich glaube, daß unsere Mäusefamilie hier wieder einem freudigen Ereignis entgegensieht. Es wird heute schon wieder ein Mäuslein geboren; denn viel mehr ist es nicht, was dabei herausgekommen ist.
— Oder vielleicht ein kleines Häslein. Die Häslein
kennen auch sehr niedlich sein. Gewiß, wir haben
festgestellt, daß gewisse organisatorische Mängel e vorhanden waren, daß Ausschreibungen nicht ordnungsgemäß stattgefunden haben und dergleichen Dinge mehr. Wir wissen alle und wir waren uns im Ausschuß völlig darüber klar, daß es wünschenswert und für einen geregelten Gang im Staatsmechanismus für die Zukunft zumindest auch erforderlich ist, anders zu verfahren. Aber sprechen wir doch auch einmal von den mildernden Umständen. Sie alle erinnern sich noch an die Turbulenz der ersten Zeit. Sie alle werden noch wissen, welches Unmaß von Arbeit auf die mit der Einrichtung der Bundesbehörden beauftragten Dienststellen gewissermaßen eingestürzt ist. Ist es da verwunderlich, wenn unter dem Zwang der Eilbedürftigkeit und der ständigen Terminnot hier und da sonst gültige und sicherlich richtige Vorschriften nicht eingehalten wurden? Und ich glaube, meine Damen und Herren, nicht viele von uns allen wären bereit gewesen, die Arbeit und die Verantwortlichkeit des Herrn Staatssekretärs Dr. Wandersleb oder auch die des Herrn Oberregierungsrats Dr. Becker zu übernehmen. Ich persönlich muß für meinen Teil erklären: ich hätte das nicht sehr gerne getan. Aber bitte, mißverstehen Sie mich nicht; ich will nichts verkleinern. Ich wehre mich aber auch dagegen, daß etwas vergröbert wird. Denn es ist doch so, daß die Bundesbehörden sehr schnell eingerichtet werden mußten, und Herr Kollege Hoogen hat schon angedeutet, daß es nicht zweckmäßig wäre, etwa einen Vergleich mit der Errichtung des alten Reichstagsgebäudes hier anzuführen, das zehn Jahre geplant wurde und weitere zehn Jahre lang dann gebaut wurde. Im alten Deutschen Reich hatte man etwas mehr Zeit. Wir standen aber vor dem Zwang, daß die neu geschaffenen Bundesorgane arbeiten mußten, und deswegen mußte zum Teil auch mit Mitteln der Improvisation gearbeitet werden, so wenig erfreulich diese Verfahren manchmal sind und so sehr sie manchmal verteuernd wirken.
— Lieber Herr Kollege Renner, wenn der Herr Bundeskanzler einmal mit Ihnen spazieren geht, muß der Weg etwas breiter sein.
Meine Damen und Herren! Die Antwort auf die Frage — und das ,ist die entscheidende Frage —, weshalb hat Bonn nun mehr gekostet, als vorgesehen war, liegt wohl darin, daß man vorher etwas geschätzt hatte, was nachher nicht einzuhalten war, und zwar nicht nur hinsichtlich des Preises, sondern auch hinsichtlich des Umfangs der zu errichtenden Bauten. Die ersten Schätzungen gingen auf das Gutachten der Ministerpräsidenten in Schlangenbad zurück; und ich kann unserem Kollegen Erler nicht ganz folgen, wenn er sagt, der Herr Finanzminister hätte das besser voraussehen müssen. Im Gegenteil, wir hatten uns nur auf eine Angabe zu stützen, nämlich auf das Gutachten- der Sachverständigenkommission der Ministerpräsidenten-Konferenz. Und schon während der ersten Beratungen im Hauptstadtausschuß haben sowohl wir im Ausschuß wie auch der Herr Finanzminister eingesehen, daß die Arbeit mit diesen damals vorgesehenen rund 3400 Köpfen einfach nicht zu bewältien war. Wir sind dann auf 5100 gegangen, und für diese 5100 war damals ja auch Raum da. Allerdings sind dann im Haushaltsplan 1950 die von
lem Herrn Kollegen Erler zitierten fast 6000 Bundesbediensteten erschienen. Ja, meine Damen und Herren, wenn das Parlament seinen Ministerien 6000 Bedienstete bewilligt, müssen zwangsläufig für diese Bediensteten auch Arbeitsplätze geschaffen werden. Das hat mit Illusionen des Herrn Finanzministers nichts zu tun. Das ist eine Realität, der Bonn gegenüberstand, genau wie Frankfurt oder irgendeine andere Stadt diesen Realitäten gegenübergestanden hätte. Ich bin davon überzeugt, daß es auch Frankfurt nicht möglich gewesen wäre, diese erhöhte Zahl von Bundesbediensteten unterzubringen. Auch da hätte man ganz zweifellos Neubauten errichten müssen.
Ich hatte vorhin in meinem Bericht schon ganz kurz die fünf Hauptgründe angegeben, wozu auch z. B. die Einrichtung von Küchen und Kantinen gehört; das ist eine soziale Maßnahme, die sicherlich die Billigung des ganzen Hauses findet, genau so wie die Tatsache die Billigung des Hauses findet, daß man für viele Millionen Wohnungen gebaut hat, um die Bundesbediensteten unterzubringen. Das ist kein verlorenes Geld; selbst dann nicht, wenn sich die Wohnraumlage mal etwas lockern sollte, was sicherlich noch sehr lange Zeit dauern wird. Dann sind die Räume nicht etwa nutzlos ausgebaut, sondern sie werden zusätzlich als Büroräume zur Verfügung stehen können.
Aber nun die beiden Objekte, meine Damen und Herren, für die wohl, das Gefühl habe ich, alles andere ein Stück Kulisse ist, das sind das Palais Schaumburg und die Villa Hammerschmidt. Herr Kollege Hoogen hat sich schon weitgehend über den Komplex Palais Schaumburg geäußert, so daß ich nicht viel hinzuzufügen brauche. Warum ereifert man sich eigentlich so sehr? Daß etwa das Bautempo so stark forciert wurde? Sie wissen doch alle, daß die Zeit drängte. Der Bundeskanzler mußte arbeiten. Im Museum Koenig waren für ihn die Arbeitsmöglichkeiten eigentlich nicht gegeben. Ich erinnere mich noch, daß einer der Herren Minister mir vor einiger Zeit gesagt hat, daß sogar Kabinettssitzungen im Mantel abgehalten wurden, weil das Museum Koenig eben nur auf Museumstemperatur zu heizen ist und nicht darüber hinaus. Im übrigen ist es doch meiner Meinung nach eine Frage der elementarsten Höflichkeit und auch der elementarsten Vernunft, daß man Rücksicht nimmt auf das Alter und die Gesundheit des Kanzlers, nicht des Herrn Adenauer, sondern des Kanzlers, genau wie man das getan hätte, wenn der Kanzler Dr. Schumacher geheißen hätte. Ich bin überzeugt, daß man auch dann Rücksicht genommen hätte. Es ist ebenso selbstverständlich, daß der Kanzler als Amtsträger — auch wieder nicht als Person Adenauer — für offizielle Gelegenheiten repräsentative Empfangsräume braucht. Und, meine Damen und Herren, wir haben uns durch Augenschein davon überzeugt, daß alle Räume im Palais Schaumburg ohne jeglichen Prunk sind, wenn man von diesen paar vielbesungenen Kirschbaumtüren absieht, die effektiv den einzigen Schmuck dieses Hauses darstellen. Aber diese Räume stellen nun auch wohl das Mindeste dar, was ein Volk für sich selbst und seinen ersten Staatsdiener an Repräsentanz braucht. Wir wissen alle: das Palais Schaumburg ist ein ganz alter Kasten, der viel Geld verschlungen hat; aber, meine Damen und Herren, der Ausbau war immerhin noch die billigste Lösung, und das ist meiner Ansicht nach das Entscheidende. Irgendwo mußte das Bundeskanzleramt untergebracht werden, und da war der
Ausbau des Palais Schaumburg wesentlich billiger, als wenn man beispielsweise einen Neubau aufgeführt hätte; denn den Neubau hätte man auch mit gewissen repräsentativen Möglichkeiten ausstatten müssen.
Nun ist da diese Diskrepanz zwischen den ersten Zahlen und den zum Schluß erschienenen großen Zahlen. Da fällt mir ein sehr einprägsames Wort des Herrn Dr. Wandersieb ein, der einmal gesagt hat: „Das war doch nur für ein Bürohaus gedacht, also gewissermaßen für eine Arbeitshose, und wenn das nachher ein Maßanzug geworden ist, kostet das natürlich etwas mehr Geld". Ich bin der Auffassung, daß man dem Kanzler für seine Arbeit ruhig einen Maßanzug zubilligen darf.
Und nun noch das Arbeitstempo, das auch viel angefochten worden ist, und das sicherlich verteuernd gewirkt hat. Auch hier steht ja immer der Zwang zur Eile dahinter, und ich darf in aller Bescheidenheit doch wohl darauf hinweisen, daß man sich auch anderorts einer großen Eile befleißigt hat, wenn nicht einmal ein solcher Zwang dahinter stand. Ich entsinne mich noch sehr gut, daß wir uns bei der Besichtigung Frankfurter Bauten durch Augenschein davon überzeugt haben, daß an dem Bau der Frankfurter Kongreßhalle bzw. eines Plenarsaales fieberhaft Tag und Nacht gearbeitet wurde und daß man auch bei einem Teil dieses Bauvorhabens auch auf Ausschreibungen usw. verzichtet hat, um das Tempo zu beschleunigen. Ich habe aber nirgendwo gelesen oder gehört, daß man sich darüber entrüstet hätte. Ich mache den Frankfurtern daraus keinen Vorwurf — ich möchte da nicht mißverstanden werden — aber ich wehre mich doch gegen zweierlei Maß.
Nun noch ein Projekt, das mir gerade auf Grund von Zeitungsmitteilungen und Zeitungsartikeln, die ich jetzt gelesen habe, ein wenig am Herzen liegt, nicht nur, weil es den aus meiner Partei hervorgegangenen Herrn Bundespräsidenten betrifft, sondern weil es die sachliche Diskrepanz einfach erfordert, darüber noch ein paar Worte zu sprechen. Es werden einfach die Zahl von 160 000 DM, die dem Hauptstadtausschuß genannt wurde, und auf der andern Seite die mehr als 2 Millionen gegenübergestellt, die das Projekt nachher verschlungen hat. Ja, meine Damen und Herren, wie kommt denn diese Summe zustande? Auch die Villa Hammerschmidt war zunächst nur als Büroraum vorgesehen, aber man stand später der Notwendigkeit gegenüber, den Herrn Bundespräsidenten statt in Viktorshöhe anderswo unterzubringen, weil in, Viktorshöhe pro Jahr eine Miete von sage und schreibe 114 000 Mark gezahlt werden mußte. Und wenn Sie diese Summe kapitalisieren, meine Damen und Herren, dann sehen Sie ein, daß, à la longue gesehen, der Ausbau der Villa Hammer-schmidt zum Präsidentenpalais einfach schon deswegen vorgenommen werden mußte, weil es die billigste Lösung war.
Nun stolpert man draußen im Volke aber immer über diese Summe von 2 Millionen und ich glaube, daß ein fairer Chronist nicht nur zwei nackte Zahlen gegenüberzustellen hat, sondern auch sagen muß, wie nun die letzte, scheinbar so ungeheuer große Zahl zustande kommt. Da möchte ich darauf hinweisen, daß in dieser Summe der Erwerb eines sehr großen Grundstücks von 43 000 qm, rund gerechnet, steckt, wofür mit den darauf befindlichen Gebäuden 750 000 DM erforderlich waren. Die Summe erscheint hoch; wenn man sie aber auf die Fläche umrechnet, läßt sich errechnen, daß je
Quadratmeter dieser Fläche nur 11 DM bezahlt werden mußten, während er bei jedem anderen Grundstück in der Koblenzer Straße etwa 25 DM kostet, während uns die Stadt Bonn für Gelände um das Bundeshaus herum sogar 30 DM je qm abfordert. Also, ich glaube, daß das sogar ein einigermaßen gutes Geschäft ist. — Ich komme sofort zum Schluß, Herr Präsident.
In dieser Summe stecken noch 500 000 DM für das Präsidialamt, 180 000 DM für das Garagengebäude mit Wohnung und dergleichen Dinge mehr. Was bleibt übrig? Für den Ausbau des Sitzes des Bundespräsidenten sind ganze 248 000 DM aufgewandt, also umgerechnet nur 24 DM je Kubikmeter umbauten Raumes. Das ist ein Betrag, der wirklich nicht zu hoch ist. Denn wenn man einen Neubau errichtet hätte, hätte es mindestens 70 DM je Kubikmeter gekostet.
Ich will zum Schluß kommen. Von den technischorganisatorischen Mängeln bei der Beschaffung und in der Auftragsvergabe abgesehen, auch abgesehen von der erklärten Erhöhung der Gesamtaufwendungen für die Bauten hat sich nun doch herausgestellt, daß alle Vermutungen und Kombinationen, wie arglistige Täuschung, Vorspiegelung falscher Tatsachen, betrügerische Manöver und dergleichen, nicht den Tatsachen entsprechen. Es ist meiner Ansicht nach im Interesse des Ansehens des Bundestages erforderlich, daß die Presse — und das ist ein Wunsch, den ich an die Presse richte — bei der Besprechung dieser draußen im Volke mit größtem Interesse verfolgten Angelegenheit dieser Kommentierung etwas mehr Raum gibt, damit nicht nur die nackten Zahlen genannt werden, sondern damit auch die ganzen Zusammenhänge, die zu diesen Zahlen geführt haben, ein wenig besser aufgeklärt werden.