Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Antrag wurde von verschiedenen meiner Vorredner unter dem Gesichtspunkt „hie Föderalismus — hie Unitarismus" entweder verteidigt oder angegriffen. Ich glaube, daß die Erörterung dieser Frage im gegenwärtigen Zeitpunkt bei diesem Antrag keineswegs angebracht ist.
Ich erinnere an das Gesetz über die Bundesfinanzverwaltung. Damals haben wir dem Bund die bundeseigene Unterverwaltung genommen und als unterste Instanz die Oberfinanzdirektion für die Verwaltung der Umsatzsteuer und zur Amtshilfe die ländereigenen Finanzverwaltungen eingesetzt, ohne uns darum zu kümmern, ob hierdurch das föderalistische Prinzip vielleicht überspitzt werden und das unitarische Prinzip vielleicht zu sehr Schaden leiden könnten. Wir haben es einfach unter dem Gesichtspunkt getan, daß es sich bei der Erhebung von Steuern um Gelddinge handelt und in Gelddingen die Gemütlichkeit aufhört. Hier kommt es darauf an, daß tatsächlich nach rationalen Verwaltungserfordernissen und nach dem Grundsatz der Gleichbesteuerung festgestellt wird, welcher Weg in der Finanzverwaltung der zweckmäßigste ist. Dieses Objekt wäre das denkbar ungeeignetste, um daran große föderative und unitarische Prinzipien zu erproben.
Der Antrag der FDP ist von Herrn HöpkerAschoff zunächst einmal damit begründet worden, daß die Verwaltungskosten bei der doppelten Verwaltung erheblich höher wären als bei einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung. Der Herr Bundesfinanzminister hat dieses Argument entschieden bestritten und in einem kühnen, allzu kühnen Vergleich auf die Jahre nach 1933 hingewiesen. Das Bundesfinanzministerium hat auch schon in einer Verlautbarung mitgeteilt, daß die Verwaltungskosten des „Dritten Reiches" höher gewesen seien als die jetzigen Verwaltungskosten in der Bundesrepublik Deutschland. Es ist aber aus dieser Verlautbarung nicht im einzelnen zu erkennen gewesen, ob in den Verwaltungskosten insbesondere auch die Ausgaben für die Wehrmacht enthalten waren. Solange man nicht die Einzelheiten kennt und die Zahlengrundlagen miteinander vergleichen kann, kann man sich ein Urteil darüber nicht erlauben, welche Verwaltung teurer und welche billiger ist. Man müßte diese Dinge einmal genau untersuchen. Der erste Anschein spricht allerdings dafür, daß die jetzige Verwaltungsform erheblich teurer ist als die einheitliche Bundesfinanzverwaltung. Wir sollten einmal die Kosten der früheren Finanzverwaltung und der heutigen miteinander vergleichen und nicht alle übrigen Verwaltungen einbeziehen. Wenn wir das täten, würde sich meiner Ansicht nach sehr schnell ergeben, wie die Dinge wirklich liegen.
Ich habe mir aus den Etats der einzelnen Länder die Zahlen darüber geben lassen, was die einzelnen Finanzministerien kosten. Die Sache ist gar nicht so einfach; denn hier in Bonn haben wir zwar Landeshäuser und Landesvertretungen von allen Ländern, aber ich konnte die Haushalte nur von insgesamt sechs Ländern erhalten. Die übrigen Landesvertretungen und auch unser Archiv haben nicht einmal die Länderhaushalte. Wir sind also
überhaupt nicht in der Lage, hier den Dingen auf den Grund zu gehen.
— Sehr richtig, G-Kdos! — Aus der von mir gemachten Zusammenstellung ergibt sich, daß beispielsweise das Finanzministerium in. Bayern einen Kostenaufwand von 5,3 Millionen DM, das Finanzministerium in Hessen einen solchen von 3,5 Millionen DM, in Nordrhein-Westfalen — man höre und staune — nur von 2,3 Millionen DM, in Schleswig-Holstein von 1 Million DM, in Württemberg-Baden von 1,7 Millionen DM und in Württemberg-Hohenzollern von 907 000 DM erfordern. Man muß nun berücksichtigen, daß daneben die Oberfinanzdirektionen bestehen und daß die Finanzministerien in ihren Steuerabteilungen weiter nichts zu tun haben, als die Anordnungen, die von Bonn kommen, zu vervielfältigen und weiterzugeben und eigene Erläuterungen dazu zu schreiben, daß also damit eine neue Instanz geschaffen worden ist, die sich — das hat eine jahrzehntelange Praxis erwiesen — als überflüssig oder jedenfalls als nicht notwendig gezeigt hat. Ein ganz großer Teil dieser Kosten, die in den Länderfinanzministerien entstehen, ist also sicherlich überflüssig und ohne weiteres einzusparen.
Wenn wir dem Antrag auf den Grund gehen wollten, müßten wir einmal genau untersuchen, ob das Argument des Herrn Bundesfinanzministers richtig ist, daß eine Ausdehnung der Zentralinstanz tatsächlich notwendig wäre, wenn wir hier die Länderinstanzen abschaffen würden. Es ist sicher nicht richtig, daß diese Länderinstanzen notwendig wären; denn früher haben die Oberfinanzpräsidenten ihre Weisungen ebenfalls unmittelbar vom Reichsfinanzministerium bekommen, und das hat nie Schwierigkeiten gemacht. Es ist völlig überflüssig, dazwischen die Länderfinanzministerien einzuschalten, die hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereichs zum großen Teil identisch sind mit den Oberfinanzdirektionen. Hier könnte man wesentliche Ersparnisse erzielen.
Es kommt aber ein zweiter Gesichtspunkt hinzu, der ebenso wichtig ist und ebenso genau untersucht werden muß. Es handelt sich um die Frage, welchen Einfluß die Länderfinanzverwaltung auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung hat. Unser oberstes Prinzip als Parlament darf doch nicht sein, daß wir sagen: ja, die Instanz schadet uns nichts; unser oberstes Prinzip muß vielmehr sein, daß wir fragen, ob die Gleichmäßigkeit der Besteuerung unter dieser Finanzverwaltung tatsächlich noch gewährleistet ist. Die Steuerpflichtigen haben ein Recht, und zwar ein sehr wichtiges Grundrecht darauf, daß sie gleichmäßig zu den Steuern herangezogen werden. Wir würden als Gesetzgeber unsere Aufgabe verfehlen, wenn wir die Organisation so einrichten würden, daß nicht mehr alle Deutschen vor dem Gesetz, nämlich vor dem Steuergesetz gleich behandelt würden, sondern die Steuern in dem einen Staat infolge der Verwaltungshandhabung sehr viel niedriger wären als in dem andern; denn dadurch würde das Recht des einzelnen deutschen Staatsbürgers auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung verletzt. Dieser Gesichtspunkt scheint mir von wesentlicher und entscheidender Bedeutung zu sein, jedenfalls entscheidender als die bloße Frage, ob wir mit dieser Verwaltungsform, wie wir sie bisher haben, operieren können.
Der vielleicht entscheidendste Einwand ist der, daß die gegenwärtigen staatsrechtlichen Verhältnisse sehr schwierig seien und daß wir nicht erneut mit dem Bundesrat anbinden sollten, nachdem wir uns nicht einmal über den Anteil haben einigen können, den der Bund von der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Anspruch nehmen soll. Der Hinweis auf die außerordentlich schwierige staatsrechtliche Konstruktion unseres Staatswesens ist sehr ernst zu nehmen. Wenn ich hoffen könnte, wie wohl der Herr Bundesfinanzminister hofft, weil er sich entweder als Dornröschen oder als Prinz fühlt - ich denke, er fühlt sich eher als Prinz —, daß die rechte Stunde ,in absehbarer Zeit kommt, in der er das Dornröschen wachküssen könnte und in der er dann die Bundesfinanzverwaltung aus der Taufe heben könnte, dann würde ich sagen: Gut, wir würden noch etwas warten. Aber ich glaube, diese Angelegenheit verträgt keinen zeitlichen Aufschub, zumindest dann nicht, wenn es richtig ist, daß durch die unterschiedliche Verwaltungshandhabung in den einzelnen deutschen Ländern tatsächlich eine sehr verschiedene Heranziehung der einzelnen Steuerpflichtigen erfolgt. Wenn nämlich das der Fall ist, sind wir meiner Ansicht nach verpflichtet, entsprechend vorzugehen.
Meine Damen und Herren, wir haben schon wiederholt darauf hingewiesen, daß im Grundgesetz in diesem Punkt eine ganze Reihe von Fehlerquellen verborgen liegt. Wir haben deshalb u. a. damals vor allem einen Bundessparkommissar verlangt — Sie werden sich daran erinnern, daß ich damals den Antrag auf Einsetzung eines Bundessparkommissars begründen durfte —, damit wir eine dem Parlament verantwortliche Stelle hätten, die diesen Dingen auf den Grund gehen konnte, die überprüfen konnte, ob und in welcher Höhe sich hier Verschiedenheiten in der Besteuerung ergeben hätten. Hätten wir damals bereits einen derartigen Bundessparkommissar eingesetzt, so würden wir jetzt nicht in solchem Maße auf Vermutungen und Schätzungen angewiesen sein, die in der Presse ja außerordentlich weit auseinandergehen. Während die einen sagen: es ist ein Objekt von 300 Millionen im Spiel, sagen andere: es sind mehrere Milliarden hierbei zu gewinnen oder zu verlieren. Würden wir deshalb diese Frage schon länger untersucht haben, würden wir heute über bessere Zahlenunterlagen verfügen. Jetzt, nachdem dieser Antrag der FDP vorliegt, wird uns nichts anderes übrig bleiben, als diese Ermittlungen, die wir bisher nicht haben anstellen können, und die Untersuchungen, die unbedingt notwendig sind, um ein klares Bild zu gewinnen, durchzuführen.
Die Schwierigkeiten dabei dürfen aber nicht verkannt werden. Denn welches Landesfinanzministerium wird freiwillig alle Dinge aufdecken, die es gemacht hat, um dem einen oder anderen Industriezweig oder dem einen oder anderen Betrieb besondere steuerliche Vorteile zu gewähren? Das sind doch Dinge, die ungewöhnlich schwer zu entdecken sein werden. Wir werden uns dieser Aufgabe aber nicht entziehen können, wenn die Behauptung des Bundesfinanzministers aufrechterhalten bleiben sollte, daß durch die Einrichtung einer einheitlichen Finanzverwaltung keinerlei zusätzliche finanzielle Reserven erschlossen werden könnten. Hier scheint mir das entscheidende Argument zu liegen. Dieses Argument können wir nur durch eine eingehende Untersuchung klären.
Ich bitte deshalb, diesen Antrag dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen.