Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der hier zur Debatte stehende Antrag verlangt eine Änderung des Grundgesetzes in einer seiner entscheidendsten Grundlagen. Zur Begründung dieses Antrages hat der Kollege HöpkerAschoff eine Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der einheitlichen Finanzverwaltung gegeben. Sie steht im Zusammenhang mit diesem Antrag nicht zur Debatte, sondern zur Debatte auf Grund des Antrags steht nur der Nachweis, daß die jetzige Regelung nicht funktioniert. Dazu hat der Kollege Höpker-Aschoff erklärt, daß die Position
der jetzigen Finanzverwaltung unhaltbar geworden sei. Warum soll sie, nach seinen Ausführungen und nach den Ausführungen in der Presse, unhaltbar geworden sein?
Erstens: Einzelne Länder hätten den Versuch gemacht, ab 1. April 1950 für den Bund angefallene Verbrauchsteuern für sich zu verwenden. Zweitens: Die Länderfinanzverwaltungen hätten den Bundesfinanzgesetzen eine verschiedene Auslegung gegeben; sie hätten darüber hinaus eine mildere Besteuerung großer Unternehmen zu Lasten des Bundes durchgeführt, um diese Unternehmen in ihr Land zu locken. In der „Zeit" schreibt drittens die Gräfin Dönhoff heute, daß die bundeseinheitliche Personalverwaltung eine Einsparung von einer halben Milliarde ergebe. Der Kollege Höpker-Aschoff sagte weiter zur Begründung, Finanzexperten aus dem Bundesfinanzministerium seien viertens der Meinung, daß eine bundeseinheitliche Finanzverwaltung besser sei. Nun, zum Teil sind es schwerwiegende und gewichtige Gründe, die uns veranlassen könnten, einmal zu überlegen, ob die jetzige Finanzverwaltung die richtige ist. Es heißt immer, vor allen Dingen bei den Verfehlungen, die man den Länderfinanzverwaltungen vorwirft, daß es „so sein solle". Wir wünschen und verlangen, um hier der Wahrheit die Ehre zu geben, daß im Ausschuß, wo ja diese Vorlage behandelt werden muß, nun einmal exakt nachgewiesen wird, ob diese Vorwürfe überhaupt der Wahrheit entsprechen, und daß sie auf ihr richtiges Maß zurückgeführt werden.
Wenn von der Gräfin Dönhoff von einer verbilligten Personalverwaltung gesprochen wird, so müßte auch das untersucht werden. Aber ich möchte gleich dazu bemerken, daß wir daran nicht glauben. Im Gegenteil, wir glauben, daß, weil ja eine Landesfinanzverwaltung beibehalten werden muß, eine ungeheuere Verteuerung eintritt. Wenn Finanzbeamte meinen, daß die Vereinheitlichung in der Finanzverwaltung besser sei, so kann ich das verstehen; sie sind ja in diesem System erzogen. So schnell kann man nicht umlernen. Es wird jedoch höchste Zeit, daß die Betreffenden umlernen.
— Herr Kollege Greve, wir haben in einem Ausschuß kürzlich erleben müssen, daß uns von einer Verwaltung erklärt wurde: Wir haben zwar kein Weisungsrecht, aber die Verwaltung in der Verständigung mit den Ländern ist tadellos, reibungslos verlaufen; allerdings müssen wir bemerken, wir müssen uns eines anderen Tones befleißigen, wir müssen sehr vorsichtig und höflich sein. — Es wäre wünschenswert, daß. der Unteroffizierston aus der Verwaltung verschwindet und daß wir nicht nur Unteroffiziere, einen zivilen Militarismus, haben, sondern daß wir eine Verwaltung haben, die es auch lernt, mit den Einzelverwaltungen und mit dem Volke anders umzugehen, als es in der Vergangenheit oft der Fall war. Es wäre sehr, sehr gut, wenn da ein Wandel vor sich ginge. Wir wünschen keine Uniformierung und wünschen nicht, daß nur Befehle erteilt werden, die befolgt werden müssen, vor allem nicht in der zivilen Verwaltung.
— Ich weiß nicht, das müßte Ihnen doch recht sein, Herr Kollege Greve.
— Ach so. Also haben w i r uns verstanden.
Nun etwas Grundsätzliches. Meine Freunde und ich sind keineswegs so ohne weiteres bereit, bei allen auftretenden Mißhelligkeiten sofort nach einer Verfassungsänderung zu rufen.
Das Grundgesetz besteht jetzt knapp zwei Jahre. Wir versuchen, nach ihm unseren Staatsaufbau durchzuführen.
Wir versuchen überhaupt erst einmal, das Grundgesetz zu leben. Wir Deutsche sind eigenartige Menschen. Kaum haben wir etwas geschaffen, dann sind wir schon meilenweit darüber hinweg, bei etwas ganz anderem, dann denken wir nicht mehr daran; wir leben es gar nicht. Man bezeichnet das als faustisch. Aber im Staatsleben ist dieser faustische Zug äußerst gefährlich, das Gefährlichste in der Vergangenheit gewesen und das Gefährlichste in unserer jetzigen Entwicklung. Ich glaube, wir haben die Aufgabe, erst einmal unseren Staat nach den Grundsätzen, die wir im Grundgesetz geschaffen haben, aufzubauen, den Versuch zu machen, danach zu leben und nicht bei der geringsten Kleinigkeit sofort nach einer Änderung zu rufen.
Wir sträuben uns grundsätzlich gegen jede Änderung, mag es hier oder sonstwo sein. Wir verlangen erst einmal den Nachweis, daß wirklich Mißstände vorhanden sind. Es ist entscheidend, daß die Grundlage unseres ganzen Staatswesens nicht labil gestaltet wird, sondern es muß überhaupt erst einmal die Voraussetzung zu einem stabilen Staatsleben geschaffen werden. Wenn uns nachgewiesen wird, daß wirklich Mißstände vorliegen, dann wollen wir nicht so primitiv sein, daß wir gleich nach dem Letzten rufen, sondern uns zutrauen, erst einmal andere Möglichkeiten zu finden, statt gleich alles zum alten Eisen zu werfen. Es ist kein Zeichen von geistiger Qualität und Höhe, wenn man sofort wieder nach der Uniform ruft
und hier etwas schaffen will, was diesen ganzen zivilen Sektor uniformiert — etwas anderes ist es ja nicht, Herr Dr. Greve! —, um "einheitliche Befehle bis nach unten hin durchzuführen.
Es ist vom geistigen Standpunkt aus höher zu bewerten, wenn wir endlich einmal lernen, auf geistiger Ebene neue Gedanken zu finden. Ich traue es unserem Finanzminister zu, daß er diese Gedanken findet, und ich traue es auch den meisten im Hause zu, daß sie einen Ausweg finden werden, um die Mißstände, die angeblich so groß sind, abzustellen und Ordnung zu schaffen.
Wir wünschen, daß das Gesetz dem Finanzausschuß sowie dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Beratung überwiesen wird.