Rede von
Dr.
Conrad
Fink
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einigen Wochen hat hier Herr Kollege Koch einmal davon gesprochen, wir sollten dem Finanzminister bei seinen Plänen und bei seinen Arbeiten nicht in den Rücken fallen. Ähnlich hat sich vor kurzem auch Herr Kollege Lausen geäußert. Ich möchte diese Anregung, die damals gegeben wurde, heute aufgreifen und sagen: wir sollten dem Herrn Finanzminister in dem, was er heute hier ausgeführt hat, und in seinen diesbezüglichen Arbeiten und Planungen wirklich nicht in den Rücken fallen. Wenn er den Weg zu einer friedlichen Lösung in diesen strittigen Dingen gefunden und wenn er wirklich irenische Töne angeschlagen hat, dann glaube ich, könnten wir ihm nicht nur, sondern dann müßten wir ihm hierin beipflichten. Wir sind glücklich darüber, daß heute nicht nur der Herr Finanzminister, sondern auch der Herr Abgeordnete des Wahlkreises Passau von diesem Platz aus gesprochen hat. Nach den Ausführungen des Herrn Finanzministers und Abgeordneten Schäffer, eines solchen Finanzexperten, glaube ich, müßten nun wahrlich auch die düsteren Prophezeiungen und die Ausführungen des ehemaligen preußischen Finanzministers, der auch von diesem Platz aus heute gesprochen hat, in den Hintergrund treten.
Nun ganz kurz eine Antwort an Herrn Kollegen Greve. Herr Kollege Greve, das Ansehen des deutschen Volkes hat nichts, aber auch gar nichts mit einer unitaristischen Gestaltung der deutschen Verfassung zu tun. Und berühren Ihre heutigen Einwände gegen diese Verfassung, gegen das, was Sie heute in dieser Verfassung nicht als gut und glücklich empfinden und was Sie nun auf die Schuld der Besatzungsmächte zurückführen, nicht etwas merkwürdig? Wir haben im Mai 1949 nichts von solchen Einwänden auf ihrer Seite gehört.
Damals haben Sie sehr stark die Werbetrommel gerade für diese Verfassung gerührt, und ich glaube, wir „wilden" Bayern waren mit unserem klaren und ehrlichen Nein vielleicht auch damals wieder die besseren Menschen.
Der uns mit Antrag Drucksache Nr. 2260 vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes muß das tiefste Befremden, aber auch die höchste Aufmerksamkeit und Wachsamkeit aller derjenigen hervorrufen, die darauf achten wollen und müssen, daß das Grundgesetz in seinem an und für sich nicht allzu ausgeprägten föderalistischen Prinzip nicht immer noch weitere Aushöhlungen erleidet. In der Tat liegen dem vorliegenden Antrag solche Absichten klar erkennbar zugrunde.
Lassen Sie mich auf das Wesentliche der in diesem Antrag gegenüber der bisherigen Fassung vorgesehenen Änderungen eingehen. Art. 108 Abs. 1 Satz 1 erwähnt neben den Zöllen und Finanzmonopolen „die der konkurrierenden Gesetzgebung unterworfenen Verbrauchsteuern, die Beförderungsteuer, die Umsatzsteuer und die einmaligen Vermögensabgaben". Dieser Katalog wird durch den neuen Entwurf beseitigt und soll durch die Fassung „Zölle, Finanzmonopole und die auf Bundesgesetzen beruhenden Steuern" ersetzt werden. Auf den ersten Blick hin mag dies vielleicht unwesentlich und harmlos erscheinen. Aber der Pferdefuß, meine Damen und Herren, der sich schamhaft unter der Verhüllung verbirgt, ist für die durch die Erfahrung Gewitzigten unschwer erkennbar.
Man vergleiche dazu dann nur Art. 107 des Grundgesetzes, der die endgültige Steuerverteilung auf Bund und Länder spätestens bis zum 31. Dezember 1952 vorsieht, und vergegenwärtige sich, wie großzügig im Hinblick auf die Bundeskompetenz diese Regelung gehandhabt werden kann — entsprechende Anträge kann man, ohne sich besondere prophetische Begabung anmaßen zu wollen, schon vorausahnen —; dann wird man sich über das Ergebnis im klaren sein können.
In dieser neuen, vom bisherigen Text abweichenden, allgemein gehaltenen Fassung von Abs. 1 Satz 1, die jede, aber auch jede Möglichkeit einer unbegrenzten Ausdehnung auf alle jetzt noch den Ländern zustehenden Steuern, eröffnet, ist die Tendenz einer solchen Ausweitung klar ersichtlich. Wenn man z. B. schon darauf hingewiesen hat, daß die gegenwärtige Regelung bei den den Ländern zustehenden Realsteuern eine Änderung erfahren müsse und daß die im Jahre 1936 erfolgte reichsrechtliche Regelung kein nationalsozialistischer Willkürakt gewesen sei, da schon in den zwanziger Jahren das Reichsfinanzministerium an eine diesbezügliche Änderung gedacht habe, so kann dies nicht als Beweis für die Notwendigkeit einer solchen Regelung gewertet werden, sondern nur als Tatsache und Beweis dafür, daß man schon damals mehr und mehr dem Zentralismus gehuldigt hat und nun heute jede Gelegenheit wahrnehmen will, um ihn auch auf diesem Gebiete, das schließlich an den Lebensnerv der Länder greift, endgültig zu verwirklichen.
Fallen gelassen ist sodann in dem neuen Gesetzentwurf die derzeit geltende Bestimmung, daß der Bund die Verwaltung der einmaligen Vermögensabgaben den Landesfinanzbehörden als Auftragsverwaltung übertragen kann. Wenn man dazu in Betracht zieht, daß die jetzt in Abs. 6 enthaltene Bestimmung über die allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die im neuen Entwurf als letzter Satz von Abs. 1 aufgenommen ist, nunmehr des Zusatzes „und zwar mit Zustimmung des Bundesrates, soweit die Verwaltung den Landesbehörden obliegt", entbehrt, so wird über die Konsequenzen kein Zweifel mehr herrschen können. Wieder einmal soll der Bundesrat, das föderalistische Organ des Bundes, der Bundesrat, der von Ihnen, Herr Dr. Höpker-Aschoff, bezeichnenderweise schon einmal als der „Erzstiefvater des Bundes" bezeichnet worden ist, ausgeschaltet werden. Wie will man das mit Art. 50 des Grundgesetzes in Einklang bringen, demzufolge die Länder durch den Bundesrat bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mitwirken sollen?
Interessant war es auch, aus dem Munde von Herrn Dr. Höpker-Aschoff die Apologie der Erzbergerschen Steuer- und Finanzpolitik zu hören, dann sein Eintreten für eine unumschränkte Finanzhoheit des Bundes, was j a nur die Befürchtungen bestätigt hat, die wir hier immer aussprechen.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich Art. 85 Abs. 2 ansehen, durch den bestimmt wird, daß die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen kann, dann müßten Ihnen doch wohl eigentlich schwerwiegende Bedenken verfassungsrechtlicher Natur gegenüber der vorliegenden Neufassung von Art. 108 Abs. 1 des Grundgesetzes kommen; denn in Art. 85 ist doch wohl, der zweifelsfreien Intention des Gesetzgebers entsprechend, sinngemäß und logisch das Wörtlein „nur" zu ergänzen. Also: „Die Bundesregierung kann nur mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen." Will man Art. 108 ändern, dann müßte somit auch eine Verfassungsänderung bei Art. 85 erfolgen. Ohne diese Änderung, vor der man sich aber in dieser Verallgemeinerung doch wohl hüten wird, wäre die hier für Art. 108 vorgesehene Änderung verfassungswidrig.
In § 1 Abs. 2 des Gesetzentwurfs konnte wohl mit Rücksicht auf Art. 105 Abs. 3 des Grundgesetzes auf die Zustimmung des Bundesrates nicht verzichtet werden. Dafür tritt nun aber an die Stelle der Länder ein Bundesgesetz, wodurch die Ermächtigung des Landesgesetzgebers zur Übertragung der Verwaltung der den Gemeinden zufließenden Steuern auf diese Gemeinden fallen gelassen werden soll.
Meine Damen und Herren! Wenn wir alle diese jetzt kurz skizzierten und erläuterten Änderungen des vorliegenden Gesetzentwurfes kritisch betrachten und in ihren Konsequenzen überdenken, dann können wir von den Vorteilen, die Herr Dr. Höpker-Aschoff angeführt hat, wirklich nichts wahrnehmen. Und zu dem -von Ihnen gebrachten Zitat: „in omnibus caritas — in allem die Liebe", da ist nicht das sonst im Lateinischen übliche Wort „amor" gebraucht, sondern da ist von der „caritas" die Rede, die auch in unseren deutschen Sprachschatz übergegangen ist. Meine Damen und Herren, ich kann mir nicht helfen, ich weiß nicht, ob es um den amor, um die Liebe im Hause unserer deutschen Brüder wirklich so bestellt ist,
wie wir es nach den Worten des Herrn Dr. HöpkerAschoff eigentlich annehmen sollten, oder ob wir nicht zu fürchten brauchten, daß wir eines Tages nur mehr die Kostgänger des Bundes als CaritasEmpfänger sein würden.
Vom föderalistischen Standpunkt aus müssen uns, wenn wir all das betrachten, wirklich schwerste Bedenken gegenüber der vorgeschlagenen Änderung kommen, und wir müssen uns mit aller Entschiedenheit dagegen wenden, daß immer und immer wieder versucht wird, auf dem Wege oder, sagen wir doch lieber gleich ehrlich: auf dem Umwege und durch die Hintertür eine Änderung des Grundgesetzes herbeizuführen, um den Zentralismus schrittweise, aber sicher zu verwirklichen. Kann man es verantworten, diese Versuche so lange fortzusetzen, bis vom föderalistischen Grundgedanken der Bundesverfassung schließlich nichts mehr übrig bleibt als der Name „Bund", der dann zur bloßen Farce wird?
Unsere Befürchtungen sind nicht grundlos, meine Damen und Herren, denn wir haben diesbezüglich schon genug erlebt. Mit den Methoden zentralistischer Vergewaltigung der Länder sollte nun wirklich einmal ein Ende gemacht werden. Wir können wahrlich sagen: Genug des bösen Spiels, wenn wir beispielsweise an die Anträge anläßlich der Frage der Bundespolizei, der Bundesverwaltung des Kriegsopferwesens, neulich wieder des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen, an das sogenannte Blitzgesetz, -an das Gesetz über den Südweststaat usw. usw. denken. Uns geht es um mehr als den gerade heute wieder zur Debatte stehenden Antrag. Uns geht es um Fragen von. grundsätzlicher Bedeutung. Ich möchte wirklich eine Warnung dahingehend aussprechen, daß es als Untergrabung des Verfassungsgedankens überhaupt angesehen werden muß, wenn jede als opportun erscheinende Gelegenheit wahrgenommen wird, um die Verfassung zu ändern. Wir geben gern dem Bunde, was des Bundes ist. Aber, meine Damen und Herren, geben Sie oder lassen Sie auch den Ländern das, was sie in an und für sich nicht mehr so reichlichem Maße heute noch besitzen!