Rede von
Dr.
Wilhelm
Laforet
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche im Namen meiner näheren politischen Freunde. Der Gegenstand wirft grundsätzliche Fragen auf, die an das Grundgefüge des Bundesstaates rühren. Das Grundgesetz geht in Art. 83 von dem Grundgedanken aus, daß die Bundesgesetze von den Ländern zu vollziehen sind. Die Länder sind berechtigt — nicht nur verpflichtet —, durch ihre Behörden in der mittleren und unteren Stufe die Gesetze des Bundes auszuführen. Auch soweit der Bund die Gesetzgebung hat, führen, von den oberen Bundesgerichten abgesehen, Länderbehörden die Gesetzgebung aus. Das wird in der allgemeinen Verwaltung nicht bestritten. Nur in der Finanzverwaltung soll es etwas Besonderes sein. Warum soll hier beim Finanzwesen ein Besonderes bestehen?
Ist es richtig, daß die Finanzgesetze mangelhaft vollzogen werden müssen, wenn sie von den Ländern durchgeführt werden?
Die Gesetzgebung gibt doch alle Grundlagen für eine einheitliche
Durchführung. Es handelt sich nicht darum, daß die Finanzgesetze einheitlich durchgeführt werden müssen — darüber besteht, wie für alle anderen Gesetze auch für das Finanzwesen völliges Einverständnis —, sondern es handelt sich darum, ob dazu das einzige Mittel ist, die Finanzverwaltung allein in die Hände von Bundesbehörden zu legen und das ganze Grundgefüge dadurch zu ändern.
Überlegen Sie sich doch: die entscheidende Gesetzgebungsgewalt im Finanzwesen liegt beim Bund, und, was vielfach übersehen wird, zur Gesetzgebung gehört auch der Erlaß der Ausführungs-
verordnungen, der Veranlagungs-, Erhebungs- und Stundungsvorschriften.
Diese können vom Bund geregelt werden, auch wenn das Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden ganz oder zum Teil zufließt. Wenn sich die Veranlagung nach Rechtsgrundsätzen vollzieht — und sie muß sich nach diesen Rechtsgrundsätzen vollziehen —, so können die Rechtsgrundsätze abschließend vom Bund gegeben werden. Geschieht dies nicht, dann liegt ein Mangel im Vollzug vor. Auch die allgemeinen Verwaltungsvorschriften für die Steuergesetze des Bundes werden durch die Bundesregierung erlassen. Sie bedürfen nur, soweit der Vollzug bei den Landesfinanzbehörden liegt, der Zustimmung des Bundesrats.
Es wird weiter nicht genug beachtet, daß nach der jetzigen Regelung des Art. 106, auch soweit die Landesfinanzbehörden die Verwaltung führen, wenn die Steuern dem Bund zufließen, Auftragsverwaltung gegeben ist. Wir haben diese Auftragsverwaltung im Parlamentarischen Rat ganz scharf herausgeholt als ein System völliger Unterordnung der Landesbehörden unter die allgemeine Anordnungsgewalt der in Frage stehenden Bundesstelle, hier des Bundesfinanzministeriums. Übrigens kann der Finanzminister nach Art. 108 Abs. 4 die ordnungsmäßige Verwaltung durch Bundesbevollmächtigte überwachen lassen — wir haben es im Kaiserreich gehabt —, dann haben auch diese das Weisungsrecht gegenüber den Mittel- und Unterbehörden. Die bestimmende Macht der Bundesfinanzverwaltung ist also, wenn die Möglichkeiten des Grundgesetzes nur ausgenutzt werden, in vollem Umfang gegeben, und es ist nicht ersichtlich, welche verfassungsrechtlichen Hindernisse der Durchsetzung des Willens der Bundesfinanzverwaltung zum einheitlichen Vollzug der Steuergesetze — da sind wir uns alle einig — im Wege stehen. Ich halte es für völlig verfehlt, deswegen, weil im Vollzug des jetzt gegebenen Rechts sich irgendwo Mängel ergeben, die allein richtige Grundlage, die Verfassung, zu ändern.
In Frage steht, daß nicht nur die in Art. 108 Abs. 1 Satz 1 und in Abs. 2 genannten Steuern, sondern sämtliche Steuern, für die der Bund nach Art. 105 die Befugnis der Gesetzgebung hat, durch Bundesfinanzbehörden verwaltet werden; ein Gebiet, das im Parlamentarischen Rat sehr umstritten war. Es geht weiter um die entscheidende Frage, ob denn bei der heutigen Geldlage neben der Bundesfinanzverwaltung eine Landesfinanzverwaltung überhaupt geldlich möglich und durchführbar ist.
Es waren nicht nur süddeutsche Vertreter, Herr Minister, es war der niedersächsische Finanzminister Dr. Strickrodt, der in nachdrücklichster Weise
unseren Standpunkt vertreten hat.