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    Deutscher Bundestag — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1951 5993 151. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1951. Geschäftliche Mitteilungen 5993D Mandatsniederlegung des Abg. Dr. Oellers 5994A Änderungen der Tagesordnung 5994A Rücktritt des Schriftführers Abg. Freiherrn von Aretin und Benennung des Abg. Dr. Fink als Schriftführer 5994B Fortsetzung der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (Nr. 2234 der Drucksachen) 5994B Beschlußfassung 5994C Beratung des Antrags der Zentrumsfraktion betr. UKW-Programm Westfalen (Nr. 2225 der Drucksachen) 5994D Dr. Bertram (Z) 5994D, 5996A Dr. Vogel (CDU) 5995C Brunner (SPD) 5995D Dr. Horlacher (CSU) 5996A Übergang zur Tagesordnung 5996B Fortsetzung der Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU betr. Einsetzung einer Sachverständigenkommission zur Vorbereitung der Neugliederung des Bundesgebietes (Nr. 2222 der Drucksachen; Änderungsantrag (Umdruck Nr 224) 5996B Dr. Preusker (FDP) 5996B, D Heiland (SPD) 5997A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 5997B Beschlußfassung 5997C Dritte Beratung der Ersten und Zweiten Ergänzungsvorlage der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nrn. 1784, 2092, 1928 der Drucksachen), in Verbindung mit der Dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nrn. 1500, 1900 bis 1927 der Drucksachen; Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung; Umdruck Nr. 218) . 5997D, 5998A Dr. Wuermeling (CDU) 5997D Schoettle (SPD) 6003D Dr. Schäfer (FDP) 6010C Renner (KPD) 6013C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 6016B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 6017B Abstimmungen 6018B Beratung des Antrags der Abg. Dr. Preiß, Neber u. Gen. betr. Fortführung der Phosphatdünger-Subventionen im Düngerwirtschaftsjahr 1951/52 (Nr. 2294 der Drucksachen) 6020C Dr. Preiß (FDP), Antragsteller . . 6020C Beschlußfassung 6021B Beratung des Antrags der Fraktion der BP betr. Versorgung mit Hausbrandkohle und Nutzholz (Nr. 2295 der Drucksachen) . . 6021B Fürst zu Oettingen-Wallerstein (BP), Antragsteller 6021B Dr. Kreyssig (SPD) 6022A Zur Geschäftsordnung: Mellies (SPD) 6023D Matthes (FDP) 6024A Weiterberatung vertagt 6024C Beratung der Übersicht Nr. 29 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 203) 6024C Beschlußfassung 6024C Nächste Sitzung 6024C Die Sitzung wird um 14 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Erwin Schoettle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    — Ich danke schön. Das gibt mir die tröstliche Gewißheit, daß Sie mich nicht hier vom Pult herunterfegen.
    Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten wünschen den Aufbau einer Verwaltung, die jeder demokratischen Regierung ohne Rücksicht auf ihre politische Zusammensetzung dient, und ich hoffe, daß wir in der praktischen Arbeit diesem Ziel näherkommen ohne die gelegentlichen rhetorischen


    (Schoettle)

    Kraftleistungen, die in diesem Hause offenbar zum
    Verhältnis von Regierung und Opposition gehören.

    (Abg. Albers: Das gilt aber für beide! — Abg. Dr. Wuermeling: Wie es hineinschallt, schallt's heraus!)

    — Genau so, Herr Kollege Wuermeling.
    Nun gestatten Sie mir einige Bemerkungen zu den Anträgen, die die sozialdemokratische Fraktion für die dritte Lesung und vor allem für die Schlußabstimmung vorgelegt hat. Wir haben Ihnen zwei Anträge vorgelegt, die sich zwar nicht unmittelbar auf den vorliegenden Haushaltsplan beziehen, die aber im Zusammenhang damit behandelt und verabschiedet werden müssen.
    In einem Antrag Umdruck Nr. 227 zum .Haushaltsplan 1950 verlangt die sozialdemokratische Fraktion beschleunigt eine Aufstellung über diejenigen Beamten der Bundesregierung, die im Nebenamt Aufsichtsratssitze innehaben. Dabei ist die Höhe der Bezüge aus dieser Aufsichtsratstätigkeit und die entsprechend den Bestimmungen vorgenommene Abführung an die Bundeskasse anzugeben. Ich möchte eine Korrektur anmelden: Es handelt sich nicht um Aufsichtsratssitze, die im Nebenamt wahrgenommen werden, sondern um eine Nebentätigkeit. Jemand, der hauptamtlich in einer Verwaltung tätig ist, kann nicht noch ein Nebenamt ausüben, aber er kann eine Nebentätigkeit ausüben. Wir wünschen eine solche Aufstellung, weil wir wissen — und ich nehme an, andere Mitglieder dieses Hauses wissen es auch —, daß die Praxis, die durch die Haushaltsordnung vorgeschrieben ist, nicht überall innegehalten wird und daß gelegentlich solche Nebenbezüge von Angehörigen der Verwaltung nicht abgeliefert, sondern dazu benutzt werden, Angestellte in den Bundesverwaltungen zu bezahlen, die dann sozusagen als persönliche Referenten oder in irgendeiner anderen Eigenschaft dem betreffenden Bezieher von nebenamtlichen Einkünften dienen, und wir glauben', daß das nicht in Ordnung ist.
    Wir glauben, daß alle diejenigen, die in Bundesdiensten beschäftigt sind, auch in irgendeiner Weise mit ihren Bezügen und mit ihrer Stellung durch den Bundeshaushalt legitimiert werden müssen. Es darf keine anderen Beschäftigungsverhältnisse geben. Wir wünschen also, daß hier strikt nach den gesetzlichen Bestimmungen verfahren und der Bundestag darüber unterrichtet wird, in welcher Weise das geschieht.
    Die Ziffer II unseres Antrages Umdruck Nr. 227 verlangt die beschleunigte Aufstellung aller im Haushaltsjahr 1950 erstatteten Sachverständigengutachten und die Vorlage an das Parlament mit Nennung des Verfassers und der Höhe des gezahlten Betrages. Es ist der bekannte Titel 20 der Haushaltspläne, unter dem die Sachverständigengutachten und die dafür notwendigen Aufwendungen etatisiert sind. Warum verlangen wir das, meine Damen und Herren? Weil wir wissen und erfahren haben, daß gerade über den Titel 20 manchmal Dinge finanziert werden können, die nicht in das Kapitel der Sachverständigengutachten gehören. Es ist begründeter Anlaß zu der Annahme, daß dieser Titel 20 nicht immer seinen haushaltsrechtlichen Zwecken dient, und wir wünschen, daß das aufhört. Wir wünschen, daß die Heranziehung von Gutachtern nur dort erfolgt, wo sie sachlich notwendig ist, und daß ihre Entschädigung in einem Rahmen geschieht, der sich auch vor der Öffentlichkeit rechtfertigen läßt. Wir wünschen nicht, daß etwa, dadurch eine Kaschierung bestimmter Beziehungen
    eintritt, daß man den Nachweis nur bis zu einer gewissen Grenze verlangt. Denn wir sind uns klar darüber, daß man dann einfach Aufgaben teilt und kleinere Beträge für geteilte Gutachten auswirft, so daß sich auf diese Weise die Kontrolle schwieriger gestaltet.
    Derselben Absicht dient auch Ziffer 3 unserer Entschließung Umdruck Nr. 226, die wir dem Hause vorlegen, wonach Ausgaben aus Tit. 20, die im Einzelfall den Betrag von 3000 DM übersteigen, der Genehmigung des Haushaltsausschusses bedürfen. Dieser Antrag ist für den Haushaltsplan 1951 gedacht. Wir verlangen vor allem in der Ziffer 1 — das ist eine Wiederholung dessen, was wir schon bei der Haushaltsberatung 1950 gefordert haben — die Herabsetzung des Betrages des Titels 24 bei allen Einzelplänen mit Ausnahme der Einzelpläne I bis IV, nämlich Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident, und Bundeskanzleramt, auf die Hälfte des im Haushaltsjahr 1950 ausgeworfenen Betrages. Wir glauben, daß die Verfügungssummen in der Hand einzelner Ministerien nicht im bisherigen Maße nötig sind. Wir sind der Auffassung, daß die Repräsentation der Bundesrepublik und der Bundesregierung nicht auf alle Ministerien zersplittert werden soll, sondern daß sie bei denjenigen Organen der Bundesrepublik liegen soll, die kraft ihrer besonders hervorgehobenen Stellung in erster Linie repräsentative Verpflichtungen haben. Das ist der Bundespräsident, das ist der Bundestag als Ausdruck des politischen Willens des Volkes, das ist der Bundeskanzler als Chef der Regierung und dias ist in gewissem Umfang der Bundesrat als die Zusammenfassung der einzelnen Glieder des Bundes. Ich glaube, eine solche Maßnahme läßt sich für 1951 rechtfertigen, und wir bitten das Haus, diesem Antrag zuzustimmen.
    Ebenso wünschen wir, das Haus möge sich mit uns darauf einigen, daß in Zukunft die persönlichen Referenten und die Dienstwagen zur persönlichen Verfügung nur noch für Minister und Staatssekretäre im Haushaltsplan vorzusehen sind. Wir glauben, das es nicht möglich ist, diese Dinge auch auf die Ministerialdirektoren auszudehnen. Man weiß, wo es anfängt, aber man weiß nicht, wo es aufhört. Hier muß eine Grenze gesetzt werden.
    Meine Damen und Herren! Soviel zu unseren Anträgen. Gestatten Sie mir noch eine Schlußbemerkung. Wir haben in den vergangenen Jahren, vor allem in der Anfangsperiode unserer eigenen Staatlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland, durch die Zeitereignisse und durch den Ablauf der Dinge gezwungen, ein zunehmendes Auseinanderklaffen der Haushaltsgesetzgebung und der finanzpolitischen Entscheidungen erlebt. Wir erleben es jetzt wieder. Wir beraten einen Haushaltsplan, dessen eigentliche Geltungsperiode längst abgelaufen ist. Wir sind mit dem Haushaltsplan für das laufende Haushaltsjahr gerade bei den ersten Anfängen und wissen nicht, wann wir ihn abschließen können. Wir hoffen, daß es uns gelingt, mit 1952 endlich gleichzuziehen. Aber was erleben wir heute? Wir beraten immer wieder mitten im Haushaltsjahr entscheidende und tief einschneidende Finanzgesetze, die auf die Dauer in diesem unorganischen Verhältnis zum Haushaltsplan einfach unmöglich sind. Ich glaube, es ist ein zentrales Interesse all derer, die in Deutschland entweder wirtschaften oder arbeiten, zu Beginn des Haushaltsjahres zu wissen, wo sie stehen.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Ich stelle keinerlei utopische Forderungen. Ich er-


    (Schoettle)

    kläre es als das Ziel der sozialdemokratischen Fraktion — und ich hoffe, daß wir da viele Bundesgenossen in diesem Hause finden werden —, daß wir zu einer Art von Nationalbudget kommen, das alle Aufwendungen der öffentlichen Hand nicht im Sinne der Zentralisierung bei einem Gesetzgeber, aber im Sinne der Koordinierung der Belastung des einzelnen Staatsbürgers so aufstellt, daß jeder, der an öffentlichen Dingen ein Interesse hat, auch tatsächlich weiß, aus welchen Gründen Bund, Länder und Gemeinden immer wieder zum gleichen Steuerzahler kommen und von ihm Leistungen zugunsten des Gesamten verlangen.

    (Beifall bei der SPD und FDP.)

    Ich glaube, auf diesem Gebiet dürfen wir von der Bundesregierung noch viel mehr Aktivität erwarten, und ich befürchte, daß wir zu diesem Ziele nicht kommen werden, solange diese Bundesregierung auf dem Standpunkt steht: Um Gottes willen ja keine Planung und Lenkung! Um Gottes willen keinen Eingriff in Bereiche, in denen wir etwa in Verruf kommen könnten, daß wir in die Nähe der planwirtschaftlichen Ideen der Sozialdemokratie geraten! Ich glaube, daß die Bundesregierung nolens volens — meistens gegen ihren eigenen Willen — im Laufe der nächsten Zeit gezwungen sein wird, auf manchem Gebiet ihre ehernen Grundsätze zu durchbrechen und Dinge zu tun, die sie nicht tun möchte. Sie wird es dann mit halbem Herzen tun. Sie wird's kaschieren; aber sie wird es tun müssen, und sie wird vor allem — und jede Bundesregierung wird das tun müssen, wenn dieses Land endlich zu geordneten Verhältnissen kommen soll — endlich einmal einen Querschnitt durch die öffentlichen Bedürfnisse, durch alle Organe der öffentlichen Hand hindurch ziehen müssen, damit der Steuerzahler weiß, wenn der 1. April neunzehnhundert-x kommt: Ich werde nicht im Laufe des Jahres plötzlich mit neuen Steuergesetzen, weder auf dem Gebiet der indirekten noch der direkten Steuern, überfallen, die alle meine Planungen und alle meine guten Absichten über den Haufen werfen.

    (Zuruf von der FDP.)

    — Die Steuerzahler sind überall die gleichen, ob der Bund, die Länder oder die Gemeinden etwas fordern, und sie verdienen eine klare Ubersicht über die Bedürfnisse der öffentlichen Hand.
    Das, meine Damen und Herren, ist unabhängig von propagandistischen Bedürfnissen die Stellung der sozialdemokratischen Opposition zu diesem Bundeshaushalt. Aus der Kritik, die meine Fraktionsfreunde an den Einzelplänen geübt haben, aus der Kritik, die ich in einem ganz anderen Zusammenhang an einzelnen Handlungen der Regierung hier geübt habe, und aus der Gesamthaltung der sozialdemokratischen Fraktion ergibt sich, daß unsere Stellung gegenüber dem Haushalt 1950 keine andere sein kann als gegenüber den Haushalten der Vorjahre. Wir lehnen diesen Haushalt ab, nicht, weil wir nicht im einzelnen wissen, daß die Bedürfnisse- des Staates, die Bedürfnisse der Verwaltung unausweichlich sind und daß die Leistungen, die der Staat für zahllose Menschen in der Bundesrepublik zu erbringen hat, notwendig sind, sondern weil wir mit der Ablehnung dieses Haushalts unsere politische Ablehnung gegenüber dieser Bundesregierung zum Ausdruck bringen wollen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aussprache zur dritten Lesung unseres Haushalts hat ja nun einen gewissen gesamtpolitischen Charakter bekommen. Sie hat sich weniger mit den Einzelheiten des Haushalts beschäftigt als mit allgemeinen Dingen der Politik, insbesondere den Ergebnissen der Politik der Bundesregierung. Da ist im bisherigen Verlauf der Aussprache mancherlei Werturteil über das gesprochen worden, was der einzelne hier in diesem Hause tut und läßt, über seine Art und Weise, sich zur Geltung zu bringen. Und es ist auch über das Zusammenspiel oder die Gegensätze zwischen den Kräften, die in diesem Hause politisch wirksam werden, geredet worden.
    Ich möchte eine Feststellung voranstellen. Ich bin mit dem Herrn Kollegen Schoettle völlig einer Meinung, wenn er gesagt hat, daß es ein Kernstück überhaupt unserer ganzen Haushaltsentwicklung sein müßte, eine bessere Synchronisation zwischen den finanzpolitischen Entscheidungen und den Ansätzen des Haushalts zu erreichen. Darin steckt allerdings ein entscheidendes Maß des politischen Reifegrades, das wir anstreben müßten; denn darin würde sich ausdrücken, daß dieser Staat aus dem ersten Stadium des Werdens, über die ersten Ansätze einer demokratischen Ordnung überhaupt, allmählich hinausgewachsen ist.
    Wir stehen in einer besonderen Art der politischen Entwicklung! Das ist eine Einsicht, die, glaube ich, in der ganzen Auseinandersetzung, in der oppositionellen Kritik an der Regierung und in der Gegenkritik der Koalitionsparteien eine erhebliche Rolle spielen sollte. Wir stehen doch in einem ganz ungewöhnlichen Abschnitt des staatlichen Lebens. Wir bauen einen neuen Staat auf, nachdem die Vorgängerstaaten praktisch nicht mehr existent gewesen sind. Aus dem Nichts einen Staat zu entwickeln, ist keine alltägliche Kleinigkeit. Staaten sind nämlich keine mechanischen Vorrichtungen. Staaten sind keine Maschinen, die man am Zeichenbrett konstruiert und die man aus irgendwelchen Konstruktionsteilen dann montiert, sondern Staaten sind gewachsene Gebilde. Und nun stehen wir vor dieser ungeheuer schweren und entscheidenden Aufgabe, den Reifeprozeß, den Wachstumsprozeß dieses Gebildes Bundesrepublik zu beschleunigen, d. h. die Wachstumsphasen dieses neuen Staates zu schnellerem Verlauf zusammenzuraffen, als das im normalen Werdegang einer Demokratie üblich ist. Daß sich aber aus dieser Notwendigkeit eine Fülle von Überstürzungen, Phasenverschiebungen, also administrativen und politischen Schwierigkeiten für die Regierungsarbeit schlechthin ergibt, ist selbstverständlich.
    Mir scheint es deshalb ein sehr billiges Spiel mit dem mangelnden Verständnis der Menschen für die Besonderheiten geschichtlicher Wachstumsprozesse und staatlicher Wachstumsvorgänge zu sein, wenn man eine politische Kritik betreibt, die alles das, was in Wirklichkeit Wachstumsschwierigkeit ist, auf das Konto irgendwelcher angeblicher Unterlassungen oder Fehlentscheidungen der Regierung bucht. Weil das so oft geschehen ist, entsteht nun dieses verhängnisvolle Mißtrauen, dieses Spannungsverhältnis auch hier im Hause und außerhalb des Hauses. Und es entstehen allmählich Stimmungen in der Bevölkerung, die nicht mehr gegen diese Regierung, gegen die jeweilige Regierung — mag sie so oder so zusammengesetzt sein —, gerichtet


    (Dr. Schäfer)

    sind, sondern allmählich zu Abneigungen gegen das staatliche System und gegen die demokratische Ordnung schlechthin überspitzt werden. Hier liegt eine entscheidende Gefahr der innerpolitischen Auseinandersetzung.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Nun handelt es sich nicht darum, meine Damen und Herren, zu moralisieren; aber man muß darauf aufmerksam machen, daß man, wenn man schon politische Kritik betreibt, dabei selbst sehr sorgfältig zwischen Regierungspolitik und Staatssystem unterscheiden muß, damit nicht das mangelnde Unterscheidungsvermögen derjenigen, die von kritischen Außerungen gern und vorzugsweise das Negative behalten, zu Haltungen gelangt, die jeder Seite dieses Hauses — wenigstens der weit überwiegenden Mehrheit dieses Hauses, glaube ich — politisch denkbar unerwünscht sein werden. Dazu gehört z. B., daß man den Unterschied zwischen Bankrotteur und Konkursverwalter nicht völlig verwischt.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Viele Dinge — wie die bedauerlichen Mangel- und Elendserscheinungen, Notzustände, Verwaltungshindernisse und Unzulänglichkeiten auf allen möglichen Gebieten — beruhen doch nicht darauf, daß diejenigen, die nun die Funktion des Sachwalters unglückseliger Erbmassen der Vergangenheit ausüben müssen, versagen, sondern beruhen darauf, daß sie schlechte Restbestände aus der Vergangenheit zunächst noch abzuwickeln haben. Sie dürfen, wenn sie sich dieser mühsamen Aufgabe unterziehen, nicht für die Schäden und Mängel verantwortlich gemacht werden, die die Bankrotteure von einst hinterlassen haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der Herr Kollege Wuermeling hat in seinen Darlegungen eine ganze Reihe von großenteils doch sehr eindrucksvollen Zahlen über die Entwicklung gebracht, die auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet in den letzten Jahren zu verzeichnen ist. Diese Zahlen beweisen zumindest, daß erhebliche Fortschritte gemacht worden sind. Wenn man nun bestreiten will — und da, Herr Kollege Schoettle, scheint mir Ihre Gegenantwort nicht ganz zureichend zu sein —, daß diese Zahlen für den Erfolg der Regierungspolitik beweiskräftig sind, dann muß man doch wohl schlüssig den Beweis führen, daß Maßnahmen, wie die Opposition sie sich denkt, zu besseren Ergebnissen führen würden. Sehen Sie, diesen Beweis ist man uns bisher schuldig geblieben; diesen Beweis möchten wir gern einmal hören. Wir möchten die politische Diskussion wirklich einmal herunterbringen von dem Sich-gegenseitig-Herabsetzen. Wir möchten die Möglichkeit haben, folgerichtig zu erkennen, ob das eine oder das andere Verfahren mit Sicherheit zu besseren Ergebnissen führt. Man kann Feststellungen über gewisse fortschrittliche Entwicklungen, die die Statistik unbestreitbar liefert, nicht einfach damit beiseite schieben, daß man sie anzweifelt, sondern man muß den Beweis der eigenen Überlegenheit führen, indem man nachweist, daß man mit den eigenen Vorstellungen zu noch besseren Ergebnissen hätte kommen können.
    Meine Damen und Herren, es kommt noch eines hinzu. Man möchte sehr vieles tun; aber die Kriegsfolgen, mit denen sich diese Regierung nun in eindreiviertel Jahren hat auseinandersetzen müssen, sind ja angesichts ihrer Vielseitigkeit und Massenhaftigkeit nicht alle von heute auf morgen
    und nicht alle auf einmal zu beseitigen, sondern es ist nötig, eine gewisse Reihenfolge einzuhalten. Ich möchte hier an das anknüpfen, was Herr Wuermeling ausgeführt hat. Er hat auseinandergesetzt, wie nach und nach gewisse Probleme gelöst worden sind, z. B. mit dem Kriegsopfergesetz, dem 131er-Gesetz. Er erwähnte die verschiedenen sozialpolitischen Maßnahmen, die durchgeführt worden sind. Da zeigt sich, glaube ich, eine klare Tendenz in der Entwicklung und ein Beweis für die Aufrichtigkeit der Absichten der Bundesregierung, ein Beweis dafür, daß sie nach und nach bestimmte soziale Bedürfnisse befriedigt hat.
    Ich bin der Überzeugung, daß wir alle gewillt sind, auf diesem Wege fortzuschreiten. Aber dafür, meine Damen und Herren, müssen die Voraussetzungen vorliegen. Und hier nenne ich eine Voraussetzung: Wenn man etwas verteilen will, muß es vorher geschaffen sein.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sehr richtig!)

    Die Voraussetzung ist also eine Wirtschaft, die durch steigende Erträge die Realisierung von wachsenden sozialen Leistungen möglich macht.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Etwas anderes zu sagen, ist zwar vielleicht agitatorisch sehr wirksam, aber wer die sozialpolitische Verpflichtung ernst nimmt, dem kommt es nicht auf den sozialen Vorwand, sondern immer nur auf den sozialpolitischen Effekt an. Wenn ich die Möglichkeiten eines sozialen Fortschritts, einer Weiterbildung der sozialen Verhältnisse in unserem noch mit ungeheuren Notständen belasteten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben unter diesem Gesichtspunkt betrachte, dann komme ich eben letzten Endes auf die Frage nach d e r Wirtschaftspolitik, mit deren Hilfe die Güter und Werte wachsen, weil die Antriebskräfte zu diesem Wachstum stetig angereizt werden durch das Leis tungs-streben, durch den Erfolgswillen und durch den Wettbewerb, der die Kräfte entfesselt. Das ist die Aufgabe einer dynamischen Sozialpolitik im Gegensatz zu einer Sozialpolitik, die sich lediglich darauf beschränkt, eine bloße Statik der genormten Güterverteilung schon als die Lösung sozialer Probleme und Erfüllung sozialer Verpflichtungen anzusehen.
    Das, meine Damen und Herren, ist das Entscheidende in der Auseinandersetzung auch mit vielen Verstimmungen und Mißverständnissen und Mißdeutungen, die sich in der breiten Öffentlichkeit zeigen: daß wir davon abkommen, mit Illusionen und mit Ungeduld politische Geschäfte machen zu wollen. Es gibt begreiflicherweise viele, für die Geduld zu üben etwas sehr schwer ist, die sehr schlecht warten können, bis auch sie mal an die Reihe kommen; und es gibt noch viele mehr, die sich überhaupt das Maß und die Möglichkeiten solch komplizierter Vorgänge, einer solch komplizierten Wirtschaft, einer solch verwickelten Wirklichkeit, wie sie unser politisches Leben mit tausend Verhängnissen und Zusammenhängen darstellt, im Grunde genommen gar nicht vorstellen können. Es ist furchtbar leicht, an diese Ungeduld und an dieses Mißverstehen mit Worten agitatorischer Entrüstung anzuknüpfen. Ich glaube, in dieser ganz besonderen Lage unseres staatlichen Lebens, in diesen Zeitläuften des ersten Wachstums des neuen Staates und bei dieser merkwürdigen Lage, in der wir ja noch nicht die ganze Wachstumsfreiheit haben und noch treibhausartige Fenster und Gitter diesen wachsenden Staat beengen, in der die Belichtungs-, Erwärmungs- und" sonstigen Klima-


    (Dr. Schäfer)

    Bedingungen dieses Staates keineswegs immer nur förderlich beeinflußt und geregelt werden, sollten wir es uns eigentlich abgewöhnen, immer nur Unverstand und Ungeduld zu umschmeicheln.
    Meine Damen und Herren! Es ist dann von der Koalition gesprochen worden, und es ist von ihr gesagt worden, daß sie zuweilen nicht eine geschlossene Formation gewesen wäre. Ich möchte dazu sagen: Die Koalition ist keine Gleichschaltungs-Einrichtung; die Koalition ist aber auch kein esoterischer Mysterienkult, in der es nun — sagen wir einmal — Rangstufen der Adepten gäbe, die sich daran beteiligen, sondern eine solche Koalition ist ein Zweckgebilde, getragen von bestimmten gemeinsamen Absichten und gemeinsamen politischen Grundauffassungen und in diesem Falle von der Grundabsicht getragen, einen Staat zu entwickeln, der geordnet ist und in dem die Deutschen wieder vernünftige und erträgliche Lebensverhältnisse haben. Ein Staat, der so anziehend ist, daß er auch die Auseinandersetzung an der Front des abendländischen Westens gegen die anderen Staatsvorstellungen führen kann, die vom Osten her sehr feindselig an diese westliche Welt herangetragen werden, ein Staat, in dem die sozialen Erfordernisse verwirklicht werden können und in dem darum eine Wirtschaftspolitik betrieben wird, bei der die Güter und Werte wachsen — ich muß es noch einmal sagen — durch die Entfesselung der dazu wirksamen Antriebskräfte, das ist die Aufgabe dieser Koalition! Wenn man sie sich so vorstellt, dann glaube ich, kommt man zu dem Ergebnis, daß doch bei allen Divergenzen, die in Einzelheiten eingetreten sein mögen, und bei dem durchaus klaren Bewußtsein, daß nicht immer in allen Einzelheiten Übereinstimmmung besteht, im ganzen der Erfolg erreicht worden ist, der für die politische Entwicklung unseres Volkes nützlich und dienlich ist.
    Meine Damen und Herren! Über das Verhältnis zwischen Koalition und Opposition eine ganz kurze Bemerkung. Man kann Auseinandersetzungen sehr scharf, sehr schroff führen; man kann sie dabei aber unter zweierlei Zielsetzungen betreiben, nämlich entweder unter der Zielsetzung, sich immer mehr auseinanderzureden, oder unter der, im Laufe der Auseinandersetzung bin möglichst hohes Maß von verbindenden Gedanken und Erkenntnissen herauszuschälen. Ich glaube, daß es der Typenbildung oder, sagen wir, der Entwicklung unseres politischen Lebens dienlich wäre, wenn man mal an einen Vorgang dächte, den es in der Chemie gibt, an die Katalyse. Das ist jener geheimnisvolle, noch heute von der Wissenschaft wenigstens in seinen Ursächlichkeiten nicht ganz enträtselte Vorgang, daß zwei Elemente, die sich sonst überhaupt nicht miteinander verbinden lassen, durch die Anwesenheit eines dritten plötzlich miteinander verbunden werden. Ich erinnere die Älteren hier unter uns an den schönen automatischen Zünder für Gaslampen, der da oben einen Platinschwamm hatte, der den Wasserstoff und den Sauerstoff des Leuchtgases verband. Aber das geht etwas über den Rahmen der Haushaltsberatung hinaus.

    (Heiterkeit.)

    Es sollte ja auch nur ein Beispiel für das dritte Element sein, das hinzutritt, um zu verbinden. Das heißt: Es gibt Menschen, die sehr erfolgreich in der Betonung von Gegensätzen wirken, Menschen, die das Sich-Auseinanderreden herrlich finden; und es gibt verbindende Wesen. Ich könnte mir vorstellen, daß die deutsche Öffentlichkeit gut daran täte,
    ganz besonders darauf zu achten, welche Politiker katalytische Begabung haben; denn ich meine, das Entwickeln eines katalytisch begabten Führungstypus, eines verbindenden Elementes im deutschen politischen Leben könnte unserer Entwicklung im ganzen nur nützlich und förderlich sain.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Da, meine Damen und Herren, liegt, glaube ich, die Aufgabe. Dieser Weg ist durchaus nicht verbaut durch das, was die Koalition tut und was sie anstrebt. Ich glaube auch, daß man das durchaus gelten lassen kann; was sie bisher getan hat, sollte sie fortsetzen. Ich glaube, es wäre gut, daß wir in der Wirtschaftspolitik auch da, wo sich Zwangslagen ergeben, wo die Verhängnisse der durch eine Rüstungswirtschaft gestörten Weltwirtschaft immer wieder Zwangslagen für uns bringen, die uns auch nicht ganz an interventionistischen Entscheidungen vorbeigelangen lassen, trotzdem immer wieder das Ziel verfolgen, die Leistungswirtschaft, die Wirtschaft mit dem höchsten sozialen Effekt, zu fördern und weiterzubetreiben. Es gilt dabei darauf zu achten, daß eben dieser Effekt in erster Linie auf Persönlichkeitswerten beruht und daß die Handlungsfreiheit der für die Wagnisse und für den Einfallsreichtum einer fortschrittlichen Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Dinge Verantwortlichen nicht erneut verkümmern darf oder beengt oder überfremdet werden kann.
    Es wird weiterhin in diesem Rahmen notwendig sein, die begonnene Linie der deutschen Außenpolitik fortzusetzen. Darüber ist eine Debatte kürzlich gewesen; ich möchte sie nicht wiederholen. Nur das eine möchte ich sagen: Im Rahmen unserer gesamten Wirtschaftspolitik und unserer Außenpolitik wird es von ausschlaggebender Bedeutung sein, daß die Entwicklung, Herausbildung und Errichtung von deutschen Auslandsvertretungen in einem schnelleren Tempo verwirklicht wird, als es bisher der Fall gewesen ist. Dazu diesmal ein Wort an den Haushaltsausschuß und nicht an den Finanzminister, eine Bitte an den Haushaltsausschuß um das nötige Verständnis für die Bildung dieser Dinge. Bei der Entwicklung von Auslandsvertretungen, ihrer Bestückung, ihrer Ausstattung, ist es nicht mit inlandgemäßen Rechenexempeln getan. Es wäre verhängnisvoll, wenn diese Auslandsvertretungen aus Gründen der Sparsamkeit nicht so ausgerüstet, nicht so zahlreich besetzt und nicht auch qualitätsmäßig so entwickelt werden könnten, wie es erforderlich wäre, so daß es sich letzten Endes als wirtschaftlicher Mißerfolg auswirken könnte. Die Errichtung von Auslandsvertretungen ist nämlich nicht nur ein Mittel der Repräsentation des eigenen Staates oder der Wahrnehmung von irgendwelchen Verhandlungen, sondern sie ist ein außerordentlich wichtiges Element der Außenhandelspolitik überhaupt. Ich mache vor allen Dingen darauf aufmerksam, daß bei dem wachsenden Einfluß der staatlichen Instanzen auf wirtschaftliche Vorgänge in vielen Ländern, mit denen wir Güteraustausch zu treiben haben, nicht mehr allein die Möglichkeit besteht, Außenhandelsbeziehungen zu erweitern, durch ausschließlich privatgeschäftliche Bemühungen.
    Dann noch eine dritte, eine letzte Bemerkung zu dem, was natürlich in diesem Zusammenhang überhaupt für unsere staatliche Entwicklung sehr wesentlich und entscheidend ist: das ist die Sicherheit dieses Staates. Soweit das wieder einmal die Frage der Außenpolitik berührt, ist heute in diesem Zusammenhang nicht darüber zu sprechen. Ich meine jetzt die innere Sicherheit


    (Dr. Schäfer)

    gegenüber Versuchen, dieses Staatsleben irgendwie zu stören oder zu verwirren durch demagogische Haltlosigkeiten oder durch Bestrebungen, die auf irgendeine Weise eine Restauration von autoritären und totalitären Staatsformen erreichen möchten. Darin, meine Damen und Herren, sind wir mit der Bundesregierung, vor allem auch mit dem Herrn Innenminister durchaus in voller Übereinstimmung, daß allen diesen Tendenzen in der entschiedensten Form entgegengewirkt werden muß und daß hier jede Form der Aufklärung angebracht ist. Es handelt sich nicht um eine Aufgabe, Herr Kollege Schoettle, bei der die Regierung sich eines Regierungsapparates bedient, um einseitige, — sagen wir — der Koalitionszusammensetzung entsprechende Aufklärung zu betreiben.

    (Abg. Schoettle: Das sollte mich sehr freuen!) Es ist — weiß Gott — nicht der Zweck einer solchen Einrichtung und darf es nicht sein, etwa in parteipolitischem Sinne einseitige, staatlich gelenkte Propaganda zu betreiben. Aber es ist eine Aufgabe des Staates, um seiner Behauptung willen die Prinzipien darzulegen, auf denen er aufgebaut ist, sie zu rechtfertigen, seine Haltung und seine Handlungen zu rechtfertigen, sie vor Mißdeutungen zu schützen und zu bewahren. Das, glaube ich, gehört doch wohl auch dazu, und diesen Dingen wird man nicht widersprechen können. Denn hier handelt es sich einfach um die Frage der Festigung des Staates an sich und nicht um die Defensive einer zeitweiligen — went Sie so wollen — Regierung. Das würde ja zu einem absonderlichen Zustand führen. Da die Demokratie, wie wir sie haben, auf der Möglichkeit des Wechsels beruht, würde sich damit die Unvermeidlichkeit einer wechselnden Umschaltung der Selbstdarstellung des Staates ergeben. Das wäre das beste Mittel, um den Staat fragwürdig erscheinen zu lassen. Da, meine ich, sollte es aber durchaus möglich sein, die Grenzen dieser Aufgabe, aber auch ihre Notwendigkeit so klarzustellen, daß hier eine echte Funktion des Staates möglich ist.

    Meine Damen und Herren, einige wenige Sätze zum Schluß. Etwas, glaube ich, ist doch auch als ein Ergebnis der Politik der Bundesregierung der letzten Jahre zu verzeichnen: daß nämlich die unbestreitbare Belebung der wirtschaftlichen Vorgänge vielfach das Lebensgefühl der deutschen Menschen gekräftigt hat, daß das Gefühl der Unsicherheit gewichen ist und daß vor allen Dingen der Nihilismus — wenn er auch noch nicht ganz überwunden ist — zurückgedrängt worden ist. Immer mehr Menschen sehen doch immer wieder in ihrer Umgebung Möglichkeiten und Mittel, die verderbliche Vergangenheit zu überwinden. Da beginnt vor allen Dingen auch die Resignation der jüngeren Generation, insbesondere der Frontgeneration zu weichen. Sie ist aus einer Vorstellungswelt herausgestürzt worden, in der sie gläubig und vielleicht sogar besessen gewirkt hat, meist nicht bösartig oder böswillig, aber völlig im Bann von irrigen Wertvorstellungen, eine Generation, die nun den Wandel vollziehen muß, die den Schritt zu* der Anteilnahme an unserer demokratischen Entwicklung gehen muß.

    (Zuruf des Abg. Renner.)

    — Ja, Herr Kollege Renner, daß Ihnen das nicht paßt, kann ich mir gut vorstellen.

    (Abg. Renner: Sicherheitsbeitrag!)

    Es ist bis zu einem erheblichen Grade gelungen,
    die Resignation, die weite Kreise unseres Volkes
    ergriffen hatte, zu überwinden. Das ist auch ein politischer Erfolg. Denn es gibt nur einen Weg, aus dem Niedergang wieder zur Höhe der wirtschaftlichen und politischen Entfaltung zu gelangen, den Weg nämlich von der Resignation zur Vitalität.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)