Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben die Worte des Herrn Kollegen Arndt gehört; sie mündeten aus in einem Antrag gegen den Herrn Minister Schäffer, weil angeblich der Argwohn gerechtfertigt wäre, daß hier Gelder zu korruptiven oder konspirativen Zwecken gegeben worden seien. Die Dinge liegen aber anders.
Auch ich stehe auf dem Standpunkt, daß es sich hier in erster Linie um eine Rechtsfrage handelt, nämlich um den Auftrag, den der Untersuchungsausschuß 44 erhalten hat. Der Auftrag des Untersuchungsausschusses 44 lautete: der Untersuchungsausschuß hat Beweise zu erheben, und zwar Beweise im Sinne des Bundestagsbeschlusses vom 5. Oktober 1950, der hieß:
Es ist ein Untersuchungsausschuß einzusetzen. In einem Presseorgan ist die Behauptung aufgestellt worden, es sei im Falle der Hauptstadtfrage Bonn/Frankfurt und bei anderen Gelegenheiten an Abgeordnete aller Fraktionen ein Betrag von insgesamt 2 Millionen DM bezahlt worden. Außerdem wurden in dem Artikel einzelne Abgeordnete unter Andeutung der an sie bezahlten Beträge namentlich genannt.
Das ist das Beweisthema des Bundestagsbeschlusses, den der Ausschuß auszuführen hatte. Dabei möchte ich nicht verhehlen, daß dieser Bundestagsbeschluß insoweit nicht klar gefaßt ist, als es dort heißt, daß zwei Millionen DM für die Hauptstadtfrage und bei anderen Gelegenheiten bezahlt wurden. In Wirklichkeit heißt nämlich die Behauptung, wie sie in dem fraglichen „Spiegel"-Artikel steht, daß in der Hauptstadtfrage 2 Millionen DM gegeben wurden und daß hiervon hundert Abgeordnete Beträge von 20—, 10—, 5 000 und 1 000 DM erhalten hätten. Das ist das echte Beweisthema; und es läßt sich nicht verhehlen, daß der Bundestag sich bei der Fassung seines Beweisthemas etwas unklar ausgedrückt hat. Jedenfalls steht aber fest, daß der Auftrag dahin ging, festzustellen, ob es in der Hauptstadtfrage tatsächlich der Fall war, daß 2 Millionen DM an hundert Abgeordnete gegeben wurden. Das ist einerseits eine ungeheuerliche Behauptung, das ist ein Angriff gegen die Demokratie, wenn es nicht den Tatsachen entspricht; andererseits ist es aber, wenn es erfunden ist, eine außerordentliche Gefährdung der Grundlagen des Parlaments,
weil in der Öffentlichkeit, im Volke damit das
Vertrauen zum Parlament aufs tiefste erschüttert
wird. Infolgedessen ist es von vornherein Verpflichtung des Ausschusses gewesen, in erster Linie feststellen: Sind in der Hauptstadtfrage' 2 Millionen DM
tatsächlich in Bestechungsabsicht an Abgeordnete
gegeben worden oder nicht? — Alles andere ist
meines Erachtens von untergeordneter Bedeutung.
Hier muß ich — ich mache es nicht gern — tatsächlich einen Spruch zitieren, der heute schon einman in diesem Hause gebraucht worden ist: „Berge kreißen, und kaum ein Mäuslein wurde geboren." Und das, was Herr Kollege Arndt soeben gesagt
hat, ist das Mäuslein, das er wieder aufbauschen will, um daraus einen sogenannten Mißtrauensantrag gegen den Finanzminister herauszuholen. Ich persönlich stehe auch auf dem Standpunkt, daß die Aufgabe eines Untersuchungsausschusses so klar und eindeutig im Grundgesetz festgelegt ist, daß wir alle, die wir Teilnehmer dieses Untersuchungsausschusses waren, keine Berechtigung hatten, über das eigentliche Beweisthema hinauszugehen. Die Aufgabe des Untersuchungsausschusses kann nicht die sein, wie es hier der Fall war, Enqueten über alle möglichen Geldvorgänge anzustellen, die seit weiß Gott — —
— Herr Kollege Seuffert, ich definiere soeben die Aufgaben des Untersuchungsausschusses und werde daraufhin auch die Aufgaben des Parlaments darstellen.
Aufgabe des Untersuchungsausschusses ist es jedenfalls nur, Beweise zu erheben. Nicht Aufgabe des Untersuchungsausschusses ist es, irgendwie Werturteile zu fällen oder irgendwie etwas anderes zu tun, als nur Beweise zu erheben.
Es war in der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses; da habe ich im Protokoll beanstandet, daß dort auf Seite 12 eine Wertung hineingesetzt wurde, nämlich in den Worten:
Abschließend muß der Ausschuß feststellen, daß die Möglichkeit einer Beeinflußung der Hauptstadtabstimmung durch die Zahlungen an die sogenannte Gruppe Donhauser zwar nicht ausgeschlossen werden kann, daß aber andererseits die Tatsache . . . auch nicht festgestellt werden kann.
Es ist in sich schon ein Widerspruch, einerseits festzustellen, daß nichts festgestellt wird, andererseits aber hineinzuschreiben, daß es nicht ausgeschlossen ist. Dieser Zwischensatz, daß es nicht ausgeschlossen ist, bedeutet aber eine Wertung, eine Aufnahme eines Gerüchtes, die vorbehaltlose Aufnahme eines Gerüchtes, eines mit böswilliger Absicht in die Welt gestreuten Gerüchtes. Das heißt nicht die öffentliche Meinung entgiften, sondern das heißt, dieses Gift noch weiter wühlen zu lassen. Dazu ist meines Erachtens der Untersuchungsausschuß nicht berufen gewesen. Ich habe meine Vorbehalte in der letzten Sitzung angemeldet. Es war mir leider nicht möglich durchzudringen, weil durch eine Indiskretion der Berichtsentwurf des Untersuchungsausschusses bereits in die Presse gekommen war.
—Es war mir nicht möglich durchzudringen, weil
mir entgegengehalten wurde: Wir ändern nichts mehr; wir dürfen uns überhaupt nicht mehr über die Dinge unterhalten. — Ich stelle das zur Begründung meines jetzigen Vorbehalts fest. Es ist nur ein rein sachlicher, ein rein juristischer, den ich aber vorweg klarstellen will.
Urteil und Wertung des Sachverhalts im Sinne des Beweisthemas hat allerdings das Plenum. Erst heute können wir uns darüber schlüssig werden, ob und inwieweit es ausgeschlossen war, daß in der Hauptstadtfrage durch die Vermittlung des Herrn Finanzministers eine Beeinflussung der DonhauserGruppe denkbar ist oder nicht. Es war nicht Aufgabe des Untersuchungsausschusses, das festzustellen.
— Der Untersuchungsausschuß hat die Verpflichtung, Beweise zu erheben und sonst nichts. Das steht im Art. 44.
— Die Beweise stellt man durch Tatsachen fest. Das ist ja schließlich jedem Juristen bekannt.
Nun, was sagen wir zu diesem Satz, daß eine Beeinflussung in der Hauptstadtabstimmung durch die Zahlung an die Gruppe Donhauser nicht ausgeschlossen ist? Sie gestatten mir hier ganz kurz etwas weiter auszugreifen. Wie kam es überhaupt zu diesem ungeheuerlichen Gerücht, daß 2 Millionen DM an 100 Abgeordnete gegeben wurden, nur damit die Hauptstadtfrage in diesem oder jenem Sinne erledigt Würde Offensichtlich — das beweist das Gedächtnisprotokoll Baumgartner — wurde dieses Gerücht unter einzelnen Mitgliedern der Bayernpartei ausgebrütet und verbreitet. Es steht fest — das hat der Untersuchungsausschuß ebenfalls geklärt, daß in der Bayernpartei schon lange vor den Bundestagswahlen erhebliche Meinungsverschiedenheiten bestanden, und zwar Meinungsverschiedenheiten, die darauf zurückzuführen waren, daß die Gelder, die der Bayernpartei aus dem Wahlfonds zur Verfügung gestellt wurden — der Wahlfonds, der dann später wieder eine Rolle spielt —, nicht restlos zu Wahlzwecken innerhalb der Partei verwendet wurden, sondern von Baumgartner und Falkner für den Bayernverlag oder für andere Zwecke verwendet wurden.
Der Ausschuß ging davon aus, daß es sich dabei mindestens um 60 000 Mark gehandelt hat. Diese 60 000 Mark fehlten innerhalb der Bayernpartei. Die Bayernpartei isst ja nun eine junge Partei, und sie setzt sich vielfach aus jungen Leuten, jungen Politikern zusammen. Die Folge war, daß diese Leute der Bayernpartei sich in einem erheblichen Maße persönlich finanzieren mußten, daß sie sich durch den Wahlkampf außerordentlich in Schulden gestürzt haben. Infolgedessen entstand eine große Kalamität. Es ist klar, daß bei Leuten wie Donhauser und solchen, denen ebenso wie ihm diese Wahlgelder vorenthalten waren, eine sehr verzweifelte Stimmung bestand, weil die Leute wirklich vor dem wirtschaftlichen Bankrott standen. Die Landesleitung hatte sich offiziell mit der Gruppe Donhauser, der damals Landesvorsitzender war, entzweit, und es war jede Möglichkeit, von der offiziellen Bayernpartei irgendwie die Abdeckung der Schulden ermöglicht zu bekommen, ausgeschlossen.
Donhauser wählte den Weg zum Finanzminister. Am Bußtage, dem 27. November 1949, trat er mit der Bitte an den Herrn Finanzminister heran unter Schilderung der Verhältnisse, er möge vielleicht mit Mitteln, die eventuell noch aus diesem bekannten Wahlfonds zur Verfügung stehen, irgendwie helfend eingreifen. Dieser Wahlfonds ist, wie selbst im Ausschußbericht festgestellt ist und wie er wohl als bekannt unterstellt werden darf, ein Fonds, der durch Sammlungen aus Kreisen der Industrie gebildet wurde und der nicht einer Partei zur Verfügung stand — der nicht parteipolitisch gebunden war — , sondern allen Parteien, die nicht marxistisch waren. Aus diesem Wahlfonds — das ergibt sich aus der Zeugenaussage Schäffers – hat die Bayernpartei im wesentlichen die Gelder schon vorher bekommen, die zur Bestreitung des eigenen Wahlkampfes benötigt und von der Parteileitung eingenommen wurden. Infolgedessen ist dieser Weg etwas Natürliches und Normales. Es ist ein Ab-
deckungsversuch, der den einzigen Ausweg für diese Leute bedeutete, die in echter Not waren, hier auf regulärem Wege zur Abdeckung ihrer Schulden zu kommen.
— Ich meine, wenn jemand eine Wahlschuld aus einer Bundestagswahl hat, so hat er das Recht, sich an einen Fonds zu wenden, der für diese Zwecke zur Verfügung steht. Und wenn das der Betreffende nicht über seine offizielle Parteileitung tat, so deshalb,
weil nachgewiesenermaßen feststand, daß diese offizielle Parteileitung jede finanzielle Unterstützung dieser Leute von vornherein abgelehnt hat, und zwar deshalb, weil sie einen` großen Betrag von diesen Geldern für sich und für andere Zwecke verwendet hat. So erklärt sich der Vorgang natürlich. Ich glaube, auch ein Empfinden für Anstand und für Moral in dieser Richtung zu haben, weil ich im Leben stehe. So erklärt sich also ganz natürlich, wie diese Vorsprache bei Schäffer möglich wurde.
Dabei möchte ich Herrn Arndt entgegenhalten, daß nicht übersehen werden darf, daß die Bayernpartei und die CSU aus Bayern stammen und daß Herr Schäffer ebenfalls einer bayerischen Partei angehört. Ich möchte dabei auch darauf hinweisen, daß Herr Finanzminister Schäffer selbst der Bayernpartei bislang nahestand und daß fast kein Mitglied der Bayernpartei hier im Hause und auch kein führendes Mitglied der Partei in Bayern nicht vor Gründung der Bayernpartei bei der CSU war. Sie mögen daraus ersehen, ,daß Ihre Theorie von Regierungspartei und Opposition hier paßt wie die Faust aufs Auge.
— Sie können es doch schließlich den bayerischen Politikern nicht verwehren, ihre bayerische Politik, die sich eben auch hier im Bundestag abspielt, in ihrem Sinn auszubauen. Sie können es doch schließlich den Leuten, die sich vorher nahestanden und sich auch heute noch nahestehen, nicht verwehren
— es sollte Ihnen doch schließlich nicht verborgen geblieben sein, daß sich die Bayernpartei und die CSU zur Zeit in Arbeitsgemeinschaft befinden —
— natürlich schreien Sie da auch, das paßt euch nicht! —,
daß sie nach ihrem ehrlichen und echten Gewissen das Bedürfnis haben, die gemeinsamen politischen Ziele, die sie haben, eben auch in die Tat umzusetzen.
— Ja, mein Gott, wissen Sie: wenn Sie in Bayern auf Urlaub waren, bedeutet das noch gar nichts; deswegen kennen Sie die bayerische Volksseele noch lange nicht.
Ich will die Dinge hier einigermaßen vernünftig und nicht mit hochtrabenden Worten erklären, um klarzumachen, wie es dazu kommt. Ich will zeigen, wie sich die Dinge natürlich lösen.
Fest steht, daß diese Besprechung am 27. November 1949 dazu geführt hat, daß Herr Bundesfinanzminister Schäffer zugesagt hat, sich vermittelnd dafür einzusetzen, daß ein entsprechender Betrag aus dem Fonds, falls noch etwas zur Verfügung stünde, zur Verfügung gestellt wird. Das ist der reine Sachverhalt.
Nun, was können und sollen wir aus dieser Sachlage für Folgerungen ableiten? Ich meine, im gewöhnlichen Leben oder im wirtschaftlichen Leben würde kein Mensch etwas dabei finden. Sie glauben, weil Sie Opposition sind, hier ein besonderes Angriffsmoment zu haben, das sich sogar zur Begründung eines Antrags mit dem Ziel verwenden läßt, dem Herrn Bundesfinanzminister das Vertrauen zu entziehen.
Was heißt Opposition? Opposition ist ja schließlich kein fester Begriff.
(Abg. Seuffert: Jedenfalls anders als bei
der Bayernpartei!)
— Jedenfalls ist es nicht richtig, wie man es hier glauben machen will, daß derjenige, der nicht in der Regierungspartei ist, etwa einem Heergefolge angehört, das einen Fahneneid auf Schumacher geleistet hätte.
Kurz und gut, so lassen sich die Dinge wirklich nicht machen, wie Sie es machen. Wenn Sie glauben, eine Partei, die nicht offiziell in der Regierung ist, hätte kein Recht, mit einem andern Parteiführer, wie es Herr Finanzminister Schäffer bei der CDU ist, in Verbindung zu treten und sich eventuell mit ihm über Dinge zu unterhalten, die beide berühren, so vertreten Sie auf diesem Gebiet eine falsche Meinung.
Nachdem ich Ihnen erklärt habe, wie es zu der Besprechung am Buß- und Bettag kam, ist es doch auch notwendig, auszuführen, was aus dieser Sache gemacht wurde. Fest steht, daß die in dem sogenannten Gedächtnisprotokoll Baumgartners —das er dem Aumer abgenommen, aber niemals im Original vorgelegt hat — aufgestellten Behauptungen einmal von Aumer bestritten werden, und auf der andern Seite steht auch fest, daß das, was in dem Protokoll behauptet wird, unmöglich den Tatsachen entsprechen kann. Wie kommt Baumgartner dazu, zu behaupten, daß eine derartige Besprechung vor sich gegangen ist?
— Ja, meine Herren, das ist eine sachliche Erörterung; das sind die Dinge, und das ist die Materie, die Gegenstand der Untersuchung waren. Das müssen Sie eben anhören, wenn Sie das hören wollen, worauf es ankommt!
Baumgartner hat nachweisbar im Januar des Jahres 1950 eine Besprechung mit Fink gehabt. In dieser Besprechung hat Fink den Standpunkt vertreten, daß ein Gerücht umgehe, es sei in der Abstimmungsfrage Geld gegeben worden. Dieses Gerücht hat er aufgenommen. Im Benehmen mit Besold hat er sich dann dahin abgesprochen, daß man dem Donhauser etwas am Zeug flicken könne,
weil er in der Abstimmungsfrage Äußerungen gemacht habe, die man so oder auch anders auslegen könne. Diese Tatsache ist durch einen Brief belegt, den Aumer am 23. Februar — ich bitte, die Daten zu beachten — an Aretin in diesem Sinne geschrieben hat. Während nämlich Besold vorher als Anhänger der Gruppe Donhauser anzusehen war, hat er damals eine Schwenkung gemacht und hat sich mit Baumgartner ins Benehmen gesetzt.
Nun kommt als weiterer Punkt hinzu, daß Besold dann als Zeuge erklärt hat, Donhauser hätte ihm hier im Hause gesagt, daß er für Bonn stimmen solle; da gäbe es Geld. Donhauser hat das bestritten. Die Tatsache, daß Besold dann ein Vierteljahr geschwiegen und erst dann den Brief geschrieben hat, daß er sich mit Baumgartner abgesprochen hätte, man könne diese Dinge auslegen, wie man wolle, muß zwingend dazu führen, anzunehmen, daß Besold entweder von einem Irrtum befallen war oder die Dinge falsch verstanden hat, weil er nämlich am Schluß erst nach etwa drei Monaten überhaupt zu der Auffassung kam, daß diese Angelegenheit eine Art Bestechung sein könnte.
Deshalb steht absolut fest, daß es sich um ein Gerücht handelt, das von Baumgartner zu dem Zweck in die Welt gesetzt wurde, uni eben den Parlamentarismus zu schädigen, um eben hier in seiner Art eine Politik zu machen, die wir ablehnen müssen. Er hat damit in der öffentlichen Meinung einen ungeheuren Schaden angerichtet. Er hat damit den Parlamentarismus auf das schwerste geschädigt. Nicht genug damit, hat er im Landtag am 31. Mai 1950 ebenso wie seinerzeit schon im Ausschuß den Untersuchungsausschuß schwer beschimpft, hat sich in der Richtung beleidigend geaußert, daß im „Spiegel"-Ausschuß die Scheuerer und Geschmierten nicht bestraft worden sind, während er wegen seiner Ungehörigkeit als Zeuge vor dem Gericht mit 800 DM Geldstrafe belegt wurde. Ich nehme an, daß der Herr Präsident Veranlassung nehmen wird, soweit hier eine Beleidigung von Parlamentsmitgliedern vorliegt, im Offizialverfahren entsprechend vorzugehen.
Auf so schwachen Füßen ruht das Fundament des Beweisthemas, das dem Untersuchungsausschuß gesetzt wurde. Nach dem Grundgesetz hätte Beweis darüber erhoben werden müssen: Ist in der Hauptstadtfrage eine Bestechung vorgefallen oder nicht? Diese Beweise hätten erhoben werden müssen, und damit wäre meines Erachtens das Beweisthema erschöpft gewesen. Statt dessen hat man eben eine Enquête veranstaltet, in der mehr oder weniger alle finanziellen Angelegenheiten, die irgendwie mit Abgeordneten im Zusammenhang stehen, untersucht wurden. Die Ausschußmitglieder haben dieser Tendenz der Opposition grundsätzlich nicht widersprochen, weil das große Interesse, das in der Öffentlichkeit für die Angelegenheit bestand, es dringend notwendig machte, daß die Untersuchung möglichst ungehemmt vor sich gehen konnte.
— Ich muß das hier erklären, wie die Dinge sind. Ich sage nur, was echte Beweisaufgabe des Untersuchungsausschusses ist, und gleichzeitig, was tatsächlich erfolgt ist, und weise darauf hin, daß die Zuständigkeit des Untersuchungsausschusses an sich eng begrenzt war, daß der Unteruchungsausschuß aber in dem Bestreben, hier Aufklärung zu
schaffen, weit über das hinausgegangen ist, was sein Beweisthema war.
— Das bedaure ich nicht. Denn gerade dadurch wurde es möglich, ein klares Bild von der Sache zu bekommen und klar festzustellen, daß hier keinerlei Handlungen vorliegen, die irgendwie Veranlassung gäben, vom politischen Standpunkt aus hier eine Korruption oder Mißstände vom Standpunkt des Parlaments aus zu unterstellen, soweit die Frage Frankfurt-Bonn hier zur Debatte steht.
Weiterhin ist es aber richtig, daß verschiedene Mitglieder des Hauses alles Mögliche dazu getan haben, das im Parlament umgehende Gerücht entsprechend zu verbreiten. Es war der Abgeordnete Schmidt, der, wie schon erwähnt, dieses Gerücht in der Weise in die Welt setzte, daß er sagte, er hätte ein Verzeichnis derjenigen, die bestochen worden wären. Es war der Abgeordnete Loritz, der mit seinem großen Unbekannten aufgewartet hat und uns sagen wollte, daß er heute den Mann nicht mehr auch nur annähernd bezeichnen könne,
der ihm nämlich angeboten haben soll, für Bonn Geld zu nehmen, daß er 'ihm zwar eine Ohrfeige angeboten habe, aber wie die Dinge weitergelaufen sind, hat er nicht weiter erzählt. Mit solchen Märchen können wir natürlich bei einer derart wichtigen Sache doch meines Erachtens nicht irgendwie zuwege kommen. Herr Kollege Loritz, es ist außerordentlich bedauerlich, daß Sie, wenn Sie schon ein derartiges Angebot bekommen haben, nicht die Konsequenzen daraus gezogen und den Mann gestellt haben. Als Mann, als Politiker und Abgeordneter hätten Sie die unabweisbare Pflicht gehabt, den Mann festnehmen zu lassen und zur Verantwortung zu ziehen.
Aber Sie haben, wie gesagt, nichts unternommen. Infolgedessen brauchen Sie sich auch nicht zu wundern, wenn man zu der Auffassung kommt, daß an Ihrem Gerede nicht viel Wahres sein wird.
— Ja, das ist schon möglich, aber Sie wissen, bei Gericht ist es so: wenn einer daher kommt und benennt den großen Unbekannten, dann schüttelt der Richter im allgemeinen den Kopf und sagt: „Kennen wir schon."
So sind die Dinge, soweit das Beweisthema hinsichtlich der Bestechungsaffäre Bonn-Frankfurt in Frage kommt. Nichts ist herausgekommen. Das, was hier von der Opposition, von der Sozialdemokratie in Richtung gegen den Herrn Bundesfinanzminister Schäffer beantragt wird, ist meines Erachtens in keiner Form irgendwie auch nur mit einem Schimmer zu begründen.
Das, was er hier getan hat, ist ein klarer, selbstverständlicher Vorgang und hat gar nichts mit dem
Bundesfinanzminister zu tun; denn er scheidet doch
nicht in seiner Eigenschaft als Abgeordneter und
Politiker aus, wenn er Minister wird. Auch dann
kann er Dinge unternehmen, die mit seinem Ressort nichts zu tun haben. Das war ja vielfach das
Infame bei der Sache, daß man den Eindruck erweckte, es handele sich um Geldangelegenheiten,
die mit der Persönlichkeit des Herrn Finanzministers in Zusammenhang stehen. Das war zunächst der Eindruck, der erweckt werden sollte. Als daraus nichts wurde, als man damit nichts anfangen konnte, hat man jetzt den wunderbaren Satz von den konspirativen Geldern erfunden. Also zunächst „konspirative Gelder". Man kann sich verhältnismäßig wenig darunter vorstellen.
— Sie können sich vielleicht darunter etwas vorstellen, aber jedenfalls kann ein normaler Mensch, der auch einigermaßen im Leben steht, sich zunächst darunter nichts vorstellen. Konspirative Gelder! Da will man offenbar sagen — das ist ja heute so schön in der Politik —, man haut irgend so ein Schlagwort hin, da soll dann alles schon vor lauter Ehrfurcht vor einem solchen Schlagwort stumm werden.
Nein, „konspirative Gelder" ist jedenfalls ein Begriff, den Herrn Kollege Arndt uns heute, sagen wir einmal, als Novität serviert.
Damit kann man nichts anfangen. „Konspirativ". würde vielleicht bedeuten, daß man damit gefühlsmäßig auf jemand einwirken will, damit er sich in seiner Gesamteinstellung irgendwie im Sinne des eigenen Wollens umstellt.
Aber worum hat es sich denn hier gehandelt? Hier hat es sich um das Ersuchen von Leuten der Bayernpartei gehandelt, die durch das Verhalten, das ich geschildert habe, in große politische Schulden geraten sind, die in ihrer letzten Hoffnung zum Finanzminister kamen und ihn baten, ihnen einen Weg zu weisen. Darum hat es sich gehandelt, und wenn die Opposition das als eine Beeinflussung auslegen wollte, müßte sie zunächst zumindest beweisen, was damit von seiten des Herrn Finanzministers hätte erreicht werden wollen.
Das Beweisthema lautet, daß die einen behaupten, es wäre in der Abstimmungsfrage erfolgt. Sie drücken sich etwas vage aus und können eigentlich nicht angeben, was der Sinn war. Nach den Ausführungen des Herrn Reismann nehme ich an, daß nunmehr auf Grund dieser Tatsache überhaupt ein Zusammenarbeiten zwischen CSU und Bayernpartei möglichst ausgeschlossen sein soll, um nicht den Verdacht zu erwecken, das wäre die letzte Auswirkung des sogenannten Bittgangs am Bittag von 1949. Also ich sehe wirklich keinen Tatbestand, der irgendwie als konspirativ angesehen werden könnte.
Im Gegenteil, es handelt sich darum, daß sogar der Abgeordnete Strauß, wie hier gesagt wird, noch erklärt hat: Das sind schöne Brüder! Die gehen sogar zu ihrem politischen Gegner und suchen auf diese Weise ihre Schulden abzudecken.
Gerade aus dieser Äußerung ersieht man doch die Harmlosigkeit des ganzen Vorgangs.
Es ist doch ganz klar: wenn Herr Strauß irgendwie befangen gewesen wäre oder irgendwie die Auffassung gehabt hätte, daß hier ein politischer Zweck verfolgt wird, dann hätte er doch nicht gesagt: Die sind gut; die gehen als Bayernparteiler zum CSU-Mann, damit man ihnen hilft.
— Ja, bitte, das ist eben so. Sie können mir hier keinen Tatbestand klarstellen, der damit erfüllt oder erreicht werden sollte, gelegentlich der Bitte des Donhauser bei Schäffer, daß er Mittel und Wege weise, die Schulden abzudecken. Darauf kommt es schließlich an.
Infolgedessen sehe ich in dieser Tatsache, daß sich der Herr Bundesfinanzminister vermittelnd eingesetzt hat, daß er mit einem Wahlfonds, der für diese Zwecke zur Verfügung stand und aus dem die Bayernpartei -- ebenso wie alle anderen Parteien — schon vorher Gelder bekommen hat, hier noch einmal helfend eingegriffen hat, lediglich eine
korrekte Erledigung
einer Angelegenheit,
die auf diesem Gebiete liegt. Das ist so natürlich und klar, daß man darüber keine Worte zu verlieren braucht.
Ich kann es ja der Opposition nachfühlen, daß es nicht angenehm ist, wenn man sich zuerst in die Rolle einer Großanklage hineingefühlt hat,
aber tatsächlich bei derartigen Ergebnissen zu keinem anderen Resultat kommt, als mit „konspirativen Geldern" beweisen oder behaupten zu wollen, daß hier etwas politisch Unzulässiges erfolgt sei. Es ist nicht angenehm, wenn man zunächst einmal glaubt, daß man hier große Dinge herausbekommen kann, und hernach so klein und bescheiden beigeben muß.
— Aber kommt es darauf an?!
— Den Leuten draußen kommt es ebenso darauf an, wie es uns darauf ankommt, daß unsere Demokratie nicht durch Gerede, das, sagen wir, leichtsinnig weiterverbreitet wird, oder durch Gerede, das erfunden ist und das ich als politische Lüge bezeichnen möchte, beunruhigt wird. Unserm Volk kommt es darauf an, daß die Demokratie, das Parlament, dieses junge Parlament produktiv arbeitet. Es kommt darauf an, daß Sauberkeit, echte und wirkliche Sauberkeit besteht. Darauf kommt es an!
— Nein, ich erhebe keinen Vorwurf, sondern sage nur: Man muß nicht, wenn die Dinge wirklich nicht so sind, daß man daraus etwas machen kann, mit Gewalt etwas daraus machen wollen. Das sage ich, und ich habe auch gesagt: Wir haben uns selbst mit einem Feuereifer in die Aufgabe des Untersuchungsausschusses hineingestürzt, ohne Ansehen der Person, ohne Ansehen, ob politischer Gegner oder Freund. Das müssen Sie bestätigen. Das Ergebnis der Arbeiten des Untersuchungsausschusses ist es ja, daß wir doch eigentlich in diesem Streben alle am gleichen Strang gezogen haben. Verfallen wir weiß Gott nicht in den absoluten Fehler, daß wir aus allem und jedem eine Oppositionsfrage machen oder eine Regierungskrise heraufbeschwören wollen. Benützen wir doch diese kurze An-
laufzeit, die wir in unserer Demokratie haben, dazu, wenn wirklich Fehler vorgekommen sind, daraus zu lernen und sie dazu zu nützen, daß diese Demokratie, die ja noch kaum zwei Jahre eine Verfassung hat, in ihrer Verfassung so verankert wird, daß Mißgriffe oder Verfehlungen oder Vergehungen von Abgeordneten entsprechend faßbar sind. Darüber sind wir uns bestimmt einig, und ich glaube, wenn wir die Arbeit des Untersuchungsausschusses mit diesen vielen Sitzungen und Debatten überblicken, dann müssen wir sagen: Wir haben, trotz alledem unserem Volk damit einen Dienst erwiesen. Wir haben, was nur in der Demokratie möglich ist, den Finger auf die Dinge gelegt, wo tatsächlich vielleicht ein Krebsschaden sein könnte. Da bin ich mit der Opposition vollkommen einig in dem Bestreben, daß wir Wächter einer wahren und ehrlichen Demokratie sind.
Und wenn wirklich von einzelnen Leuten Verfehlungen vorgekommen sind, so, glaube ich, wollen wir uns mit diesen Kleinigkeiten nicht im einzelnen befassen, die doch wirklich im Vergleich zu der großen Frage, die für unser ganzes Volk damit verbunden ist, Kleinigkeiten sind. Wir wollen uns von Persönlichkeiten distanzieren, die gefehlt haben.
Was Sie in bezug auf den Herrn Bundesfinanzminister Schäffer meinen, — da gehen wir so weit auseinander, daß ich in dem Fall eben keine Verfehlung feststellen kann, daß ich im Gegenteil sagen muß: das muß jeder vernünftige Mensch so machen; wenn oder weil er weiß, daß Gelder für einen bestimmten Zweck zur Verfügung stehen und jemandem anderen fehlt es daran, dann muß er zusehen, daß der auch etwas kriegt.
So liegen die Dinge. Ich glaube, daß der Wert der Demokratie eben darin liegt, daß wir den Finger auf die Wunde legen können; und wir haben ihn gelegt — wie ich schon gesagt habe —, und was dabei herausgekommen ist, muß gemäß den Anträgen, die die Fraktion der CSU/CDU gestellt hat, ausgewertet werden. Ich übergebe sie gleich dem Herrn Präsidenten. Der Antrag der CSU/CDU-Fraktion — betrifft Bestrafung der politischen Lüge - lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
daß das sogenannte Strafrechtsänderungsgesetz, dessen § 131 die Bestrafung der politischen Lüge vorsieht, beschleunigt verabschiedet wird.
Der andere Antrag lautet:
Die Bundesregierung wird ersucht,
in dem Entwurf des Parteiengesetzes gemäß Art. 21 des Grundgesetzes eine Bestimmung vorzusehen, wonach Abgeordnete keine Spenden für ihre Partei annehmen dürfen, wenn die Hingabe dieser Spenden mit Bedingungenverbunden ist, die mit den verfassungsrechtlichen Pflichten eines Abgeordneten unvereinbar sind.
Das sind die Anträge, die wir zu stellen haben. Grundsätzlich zeigen sie die gleiche Tendenz, die die Sozialdemokratie verfolgt; aber die Anträge der Sozialdemokratie sind technisch deshalb nicht
zweckmäßig, weil sie einen Vorgriff auf Regelungen mit sich brächten, die besser im Rahmen des Strafänderungsgesetzes erledigt würden, und weil sie Detailfragen herausgreifen, deren Würdigung und Abhandlung hier so viel Zeit in Anspruch nehmen würde, daß eine gründliche Erörterung nicht möglich wäre.
Die Anträge der CDU/CSU lassen jedoch klar erkennen, was wir wollen. Wir wollen — wie gesagt —, daß kein Abgeordneter Spenden oder Geldbeträge annehmen darf, wenn sie der verfassungsmäßig festgelegten Verpflichtung des Abgeordneten widersprechen würden.
So ist der Sachverhalt. Ich glaube, wenn wir aus den Dingen die Lehre ziehen, werden wir in Zukunft wachsam sein und gesetzliche Maßnahmen treffen, damit derartige Mängel, wie sie dieser Untersuchungsausschuß aufgewiesen hat, für die Zukunft, abgestellt werden. Wenn wir uns dann auch noch von denjenigen, die gefehlt haben, absondern, dann haben wir die Lehre daraus gezogen, die wir auf Grund unserer Feststellungen ziehen mußten. Ich bin jedoch dagegen, daß wir heute, bevor ein Gericht über die wirklichen Verfehlungen entschieden hat, in voreiliger Weise irgendeinen Beschluß fassen, der mehr oder weniger vollendete Tatsachen — wenigstens in moralischer Hinsicht — Schaffen würde.
Wir werden eins tun: wir werden dafür eintreten, daß die Immunität derjenigen, die, wie sich nach den Feststellungen des Untersuchungsausschusses ergeben hat, gefehlt haben, aufgehoben wird und daß unverzüglich der Staatsanwalt die Möglichkeit hat, in dieser Angelegenheit vorzugehen. Es bleibt unbenommen, in einer Ehrenordnung möglichst bald festzustellen, ob und inwieweit der Bundestag in der Lage ist, denjenigen, die die Pflichten und die hohen Aufgaben eines Bundestagsabgeordneten mißbraucht haben, um sich persönliche Vorteile zu verschaffen, in einem Ehrenverfahren klarzumachen, daß wir uns von ihnen distanzieren wollen.