Ich muß ihn annehmen, Herr Präsident. Es tut mir leid, daß ich ein unparlamentarisches Verhalten nicht mit parlamentarischen Ausdrücken kennzeichnen kann.
Meine Damen und Herren! Solange solche Parteiführer in Deutschland sind und solange solche innerparteilichen Praktiken möglich sind, so lange dürfen wir uns nicht wundern und so lange dürfen wir uns nicht beschweren, wenn das Ansehen dieser Parteien in der Öffentlichkeit nicht immer ganz unumstritten ist.
Was war denn geschehen, meine Damen und Herren, schon früher, vor dem Tage X, als das draußen erzählt wurde? Es ist kein Geheimnis. Es war in Bayern, und es war anderwärts von Wirtschaftsgruppen und von Leuten, die den Sozialismus genau- so wenig wollten wie wir oder andere Parteien, Geld gesammelt worden, und das war diesen Parteien zur Bestreitung des Wahlkampfes zugeführt worden.
— Ja, ja, Herr Renner. Ich bin nachher noch ehrlicher. Sie werden sich freuen. — Bei der Verteilung dieser Gelder zeigte sich, daß aus der Bayernpartei nun auf einmal zwei oder drei Bayernparteien geworden waren. Und nun kommt der Sündenfall, nicht des Herrn Bundesfinanzministers, sondern des Parteipolitikers Schäffer: Er hatte offenbar — das ist der Sündenfall, wenn Sie so wollen — die größere Sympathie für Herrn Donhauser und anscheinend eine geringere für Herrn Baumgartner. D a s kann ich verstehen.
Meine Damen und Herren, ich sagte, die Parteien dürfen sich nicht wundern, wenn ihr Ansehen nicht unbestritten ist, wenn solche Dinge möglich sind. Das Parlament darf sich nicht wundern, wenn sein Ansehen bestritten wird, wenn ein Abgeordneter — wie er sagt, aus Dummheit — verleumderische Lügen in die Welt setzt,
wenn ein Fraktionsvorsitzender diese Lügen weiterverbreitet, wenn drei Abgeordnete meineidig werden oder in der Gefahr sind, es zu werden, wenn einer mindestens einen Zweifel daran läßt, ob er Gelder, die ihm für politische Zwecke übergeben worden sind, nicht zu persönlichen Zwecken verwandt haben könnte. Wir bedauern, daß keine gesetzliche Möglichkeit gegeben ist, daß das Parlament sich von solchen Herren selbst reinigen kann. Wir werden alle Wege mitgehen, die dazu führen. Aber das kann uns nicht hindern, diesen Herren gegenüber festzustellen, daß wir mit ihnen nicht mehr zusammenarbeiten möchten, und dies ihrer Fraktion zu sagen.
Leider stellen weder Grundgesetz noch Wahlgesetz das für einen Abgeordneten zulässige Höchstmaß von Dummheit
und das erforderliche Mindestmaß von Charakter fest. Für unseren Geschmack ist hier in einem Fall sowohl das Höchstmaß bedenklich überschritten wie im anderen Fall das Mindestmaß ebenso bedenklich unterschritten worden.
Meine Freunde nehmen diesen traurigen Vorfall zum Anlaß, unsere alte Forderung auf Erlaß einer Ehrenordnung, Einsetzung eines Ehrenrates zu wiederholen und auf die sehr schnelle Verabschiedung und entsprechende Ausstattung der Strafrechtsnovelle zu drängen. Wir werden, wenn es notwendig sein sollte — ich kenne den Entwurf nicht —, uns vorbehalten, einen Passus hineinzubringen, der den Abgeordneten mit Zuchthausstrafe bedroht, der sich für pflichtwidrige oder auch für pflichtmäßige Handlungen Geld oder Vorteile anbieten läßt und sie annimmt.
Wir fühlen uns wohl — und da darf ich wohl im Namen aller reden — als Vertreter, als Sprecher von Parteien verpflichtet, alles dazu zu tun, daß in einem sauberen Staat saubere Parteien den Dienst am Volke tun.
Etwas anderes aber sollte, glaube ich, in dieser Stunde auch wiederum im Interesse aller gesagt werden: Wir dürfen als Parteien auch erwarten, daß das Volk saubere Parteien ermöglicht und ihnen eine saubere Finanzgebarung möglich macht.
— Wenn Beiträge und wenn die Mitgliedschaft an und in den Parteien auch nur halbwegs dem entsprechen würden, was dieses deutsche Volk den Parteien zumutet und von ihnen als selbstverständlich verlangt, dann, glaube ich, wäre gar kein Raum mehr für trübe Aktionen und trübe Akteure.
Sind wir doch ehrlich: es gibt keine Partei, die von den Beiträgen ihrer Mitglieder lebt.
— Ach Gott, Herr Loritz, wenn ich meine Schulden nicht bezahle, dann brauche ich auch überhaupt keine Einnahmen zu haben. — Wir sind alle auf Spenden angewiesen. Ihre Erlangung ist, glaube ich, weniger eine Frage des Geschicks als eine Frage der Ehrenhaftigkeit und politischen Charakterfestigkeit derer, die sie werben. Auch dies möchte ich wieder im Namen aller Parteien feststellen: Die Methode Aumer ist, glaube ich, -
Gott sei Dank! — nicht die Regel, sondern eine bedauerliche Ausnahme.
Meine Partei, soweit ich sie übersehen kann, hat noch keine Spende angenommen und wird keine annehmen, die an irgendeine Bestimmung, an irgendeine Bedingung gebunden ist. Es ist von einem führenden bei uns allen sehr hochgeachteten Kollegen aus der SPD-Fraktion bei einer früheren Erörterung dieser Dinge im Ältestenrat einmal gesagt worden: es ist ganz selbstverständlich, daß Parteien von solchen Gruppen, die mit ihnen gleichlaufende Interessen haben, unterstützt werden. So etwa sagte damals der sozialdemokratische Kollege zu mir herüber: Sie von der Industrie und wir von den Konsumvereinen! Bitte, es war keine Behauptung, und es war kein Geständnis, es war eine Hypothese! Aber, meine Damen und Herren, bleiben wir doch einmal dabei und lassen wir sie auch hier gelten, daß es sich nicht darum handelt, daß da fremde Interessen gegen Geld vertreten werden; sondern es ist links wahrscheinlich so wie in der Mitte und rechts, daß einzelne Gruppen, einzelne Menschen d i e Parteien unterstützen, von denen sie glauben: deren Politik dient mir, dient meiner Meinung, dient auch meinen wirtschaftlichen Interessen am meisten.
Mancher unserer Spender könnte wahrscheinlich schon gemerkt haben, daß wir uns durch Geschenke in der Freiheit unserer Meinung und in der Freiheit unseres Handelns nicht beschränken lassen.
Wir sind bereit, noch ein weiteres zu tun.
Ja, das ist wahr. Sie brauchten ja nur die Verhandlungen der letzten Wochen in diesem Hause zu verfolgen, dann hätten Sie, wenn Sie Beispiele hätten haben wollen, welche finden können. — Wir sind bereit, alles mit zu tun, ein Parteiengesetz zu machen, Rechnung legen zu lassen, wie es Herr Reismann wünscht. Aber, lieber Herr Reismann, entschuldigen Sie: Wir sind nicht bereit, uns auf die Dauer gefallen zu lassen — bei allem Respekt vor Ihrem Fleiß und Ihrem Eifer —, daß Sie sich hier so gewissermaßen als das einzige legitime Gewissen der deutschen Demokratie aufspielen.
Wir sind schon selbst bereit, über uns zu wachen; wir brauchen Sie nicht unbedingt als Mahner. Wir glauben nur nicht, meine Damen und meine Herren, daß mit solchen gesetzlichen Bestimmungen alles in Ordnung wäre. In Ordnung wird es vielleicht kommen, wenn Parteien keine saisonalen Erscheinungen mehr sind, keine wilden Haufen mehr, die sich um irgendeinen Schreier scharen,
und wenn sie sich von denen trennen, die in dem Bericht so lobend erwähnt sind; und anders wird es auf die Dauer und von Grund auf erst werden, wenn die Wähler sich wieder einmal etwas näher und intensiver die Männer ansehen, die sie wählen, und die Parteien, die sie unterstützen.
Ich habe vorhin gesagt: wir sind alle auf Spenden angewiesen. Ich gehe noch viel weiter: Wir klopfen sogar alle vielfach an die gleiche Tür. Da hat Herr Renner" vorhin von der Industrie gesprochen, die uns „aushält"; und vor ein paar Wochen ging es ganz groß und dick durch die Zeitungen, daß die KPD-Presse sich Inserate von schwerindustriellen Firmen hat geben lassen.
— Herr Renner, Sie haben vorhin von „chleb", entschuldigen Sie, vom Brot gesprochen: „des Brot ich esse, des Lied ich singe". Ich habe Sie nicht im Verdacht, daß Sie, seitdem Sie die Anzeigen gehabt haben, nun auf einmal Kapitalistenvertreter geworden sind. Es sind bei diesem Anklopfen, wie ich sagte, die Methoden verschieden und auch der Geschmack, der dabei zutage tritt. Und es ist noch etwas verschieden. Wir — ich spreche jetzt von meiner Partei — müssen ,uns unsere Spenden, unsere Unterstützungen von tausenden geben lassen, und da besteht natürlich die Gefahr, wenn Sie so wollen — ich sehe es gar nicht als schlimm an —, daß so ein Spender einmal sichtbar wird und andere dann moralisierende Betrachtungen daran knüpfen können. Das bewahrt uns aber auf ,der andern Seite vor der Gefahr, von einer einzelnen Interessentengruppe abhängig zu werden, ihr hörig zu sein.
Andere Gruppen haben es leichter. Sie verkehren nur mit zentralen Organisationen, mit zentralen Stellen; da wissen nur wenige von den Dingen; da kommt es nicht so schnell heraus. Ich will bei Gott jetzt meinerseits nicht auch mit Hypothesen arbeiten; ich will die Betrachtung hier abbrechen. Ich bin sehr bereit zu glauben. daß das große Haus da draußen am Weg nach Godesberg nur von den hier viel zitierten armen Arbeitergroschen gebaut wird. Ich bin sogar so ehrlich, Ihnen zu sagen, daß wir neidvoll die Opferbereitschaft Ihrer Mitglieder anerkennen und daß wir zutiefst bedauern, daß in unseren Kreisen die gleiche Opferbereitschaft nicht vorhanden ist.
Aber, Herr Renner, ich habe Ihnen ein Bonbon versprochen.
Sie kriegen es jetzt. Ich habe gesagt: Die Methoden der Parteifinanzierung sind verschieden. Sehen Sie, so im Oktober-November 1945 besuchte mich in Dresden, wo ich damals als geschäftsführender Vorsitzender der LDP tätig war, der russische Parteioffizier, der die LDP zu betreuen hatte, und machte mir bitterste Vorwürfe, daß wir für die Demokratie noch nicht so viel getan hätten wie die Kommunisten; die hätten schon soundso viele Ortsgruppen und wir erst soundso viele; und das hänge damit zusammen, daß wir von der von der Sowjetwissenschaft vor 15 Jahren entdeckten Statistik noch nicht den richtigen Gebrauch machten. Wissen Sie, Statistik ist: Schreibe alles mit farbigem Strich auf weißem Papier!
Ich habe gesagt, das hänge nicht mit der Statistik zusammen, sondern mit den Autos. Die Kommunisten hätten 30, während man uns erst eines bewilligt hätte. Sagte der Herr Kapitän: „Woher habben Sie?" Habe ich gesagt: „Ich weiß es nicht!
Die Kollegen von der KPD sagen, sie wären ihnen von der Roten Armee geschenkt worden."
Da sagt Genosse Kapitän: „Gutt, laß dir auch schenken!"
Kollege Renner, das ist eine Methode: „Laß dir auch schenken!"
Die andere ist folgende — ich will sie Ihnen verraten; ich weiß nicht, ob Sie sie im Westen schon angewandt haben, im Osten war sie erfolgreich—: Man hat die alten NSV-Listen kassiert oder hat nach der Methode der Gedächtnisprotokolle neue konstruiert, ist mit diesen Listen zu den Spendern der NSV gegangen und hat ihnen mit der bewährten Überzeugungskraft Ihrer Ideen klargemacht, daß sie das Drei- oder Vier- oder Fünffache zahlen müßten, um sich ihre Freiheit und ihren Besitz zu erhalten.
Auch das ist eine Methode!
— Ja, ja, lieber Renner, wir können uns ja nachher noch unterhalten. Aber wir sind vielleicht in der Beziehung ein hoffnungsloser Fall; wir sind zu sehr verhaftet in unseren reaktionären Gesinnungen; wir vermögen es vorläufig noch nicht, uns solchen „fortschrittlichen Methoden" zuzuwenden.
Es ist heute aber auch — ich glaube, von Herrn Renner — gefragt worden, ob die Leute der bürgerlichen Parteien, die da Geld erhalten hätten, auch jemals gefragt hätten, ob dieses Geld auch versteuert worden ist. Ich bin überzeugt, daß die KPD — vielleicht auch die SPD —, wenn sie Spenden kassiert, sich zunächst von dem Geber einmal eine eidesstattliche Versicherung geben läßt, daß er das Geld a) nicht gestohlen und b) vorschriftsmäßig versteuert hat.
Ich will in unserer Partei zur Erwägung stellen, ob wir nicht künftig eine ähnliche Versicherung abverlangen werden.
Meine Damen und Herren! Man hat zeitweise in kräftiger Entrüstung gemacht. Es ist einmal gegen einen der an der Sammlung Beteiligten — ich habe nichts von ihm bekommen — das Wort gefallen, er sei ein Zuhälter. — Sollen wir nun alle diese Annoncen-Akquisiteure, die für die Zeitungen bestimmter Parteien unter einem — wir weiden nicht gleich sagen: Druck —, unter freundlichen Worten Anzeigen werben und die etwa sagen: Wenn Ihr nicht bei uns — — , dann werden unsere Wähler nicht mehr bei Euch kaufen! —, sollen wir denn nun alle diese Leute plumperweise, groberweise Erpresser nennen? — Das tun wir doch auch nicht. Sehen Sie, da gibt es noch die vielen anderen Möglichkeiten der Spendenwerbung. Da gab es von allen Parteien in den letzten Jahren die Sammellisten, die bei den Gerechten und den Ungerechten kursierten, bei Kapitalisten und Nichtkapitalisten. Großzügig, wie manche dieser Kapitalisten sind, wurde die Linke genau so bedacht wie die Rechte.
5914 Deutscher Bundestag — 18. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den '7. Juni 1951
Meine Damen und meine Herren! Nehmen, bitten müssen alle Parteien; und vorerst sehe ich keinen Grund für irgendeine der hier vertretenen Parteien, sich nun über die anderen zu erheben, etwa so: Wir haben es nicht nötig. Dagegen müßten wir uns verwahren. Genau so wie wir uns verwahren müssen gegen die überhebliche Kritik, die aus diesem und anderen Anlässen so von außen her, von gewissen Teilen unserer Presse an den Abgeordneten, an den Parteien und an ihren Funktionären geübt worden ist. Sprechen wir es doch hier einmal aus — und da möchte ich es auch wieder für alle sagen —: das deutsche Volk soll wissen, daß seine Parteien zunächst einmal gegründet sind auf die Entsagung, auf das Opfer weniger Menschen,
die nach 1945 oft nach innerer oder äußerer Emigration, nach KZ, nach dem Verlust all ihrer Habe darauf verzichtet haben, nun ans Verdienen für sich zu gehen, sondern die sich in die Arbeit für ihre Parteien gestürzt und diese Parteien hingestellt haben. Darauf sind die Parteien in Deutschland gegründet. Unsere Lizenz, die wir damals erworben haben, war weniger einträglich als die Lizenzen einiger unserer Kritiker. Wir haben damals von den Besatzungsmächten die Lizenz erhalten, wieder Politik machen zu dürfen, Parteien aufbauen zu dürfen. Die anderen haben die Lizenz erhalten, uns dafür zu beschimpfen.
Wir haben aus unserer Lizenz in diesen fünf Jahren des weiteren das Anrecht erworben, auf alles das zu verzichten, was dem Manne draußen das Leben angenehm macht. Die anderen haben mit ihrer Lizenz einiges mehr erworben. Da hat neulich solch ein vorlauter und überheblicher Kritiker an den Parteien und den Parteipolitikern solch eine Lizenz verkauft: für nette, runde eine Million DM!
Meine Damen und Herren, versuchen Sie, Ihre Lizenz zum gleichen Preise auf dem Markt unterzubringen.
Diese gelästerte Parteibürokratie und diese Parteifunktionäre leben und sind im allgemeinen bescheidener als ihre Kritiker.
Ich glaube, das mußte bei dieser Gelegenheit für
die Herren Kritiker auch einmal gesagt werden.
Nun lassen Sie mich abschließend feststellen: Die deutschen Parteien müssen betteln. Das ist nicht ihr Vergnügen, sondern ihre Tragik. Meine Freunde werden sehr bereit sein, mit Ihnen zusammen alle möglichen Wege zu suchen, um sie dann auch mutig zu beschreiten, die diesem Dasein der Parteien ein Ende machen können. Aus dem Zwang kann uns neben solchen möglichen Gesetzen nur das Verständnis und die Bereitschaft unseres Volkes erlösen. Meine Freunde werden allen Anträgen zustimmen, die ihnen geeignet erscheinen, die Reinigung des Parlaments und des deutschen Parteiwesens zu bewirken. Sie werden allen Anträgen sehr skeptisch gegenüberstehen, die auch jetzt zum Abschluß wieder den Versuch machen, die Geschichte parteipolitisch auszuschlachten.