Rede:
ID0114805700

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Mayer.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 148. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Juni 1951 5883 148. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 7. Juni 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 5884A, 5930B, 5944D, 5945D Änderung der Tagesordnung . . . 5884B, 5945C Zur Geschäftsordnung: betr. Landsberger Hinrichtungen: Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) . . 5884B betr. Genehmigung zur Verhaftung des Abg. Hedler: Hedler (DRP) 5884D Erste Beratung des von der Fraktion der BP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 2271 der Drucksachen) 5885A Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 5885A Ausschußüberweisung 5885B Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen (Nr. 511 der Drucksachen) und des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamts für das Versicherungs- und Bausparwesen (Nr. 1152 'der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (12. Ausschuß) (Nr. 1877 [neu] der Drucksachen; Änderungsanträge Umdruck Nrn. 170, 185, 194) in Verbindung mit der Ersten, zweiten und dritten Beratung des von den Abg. Dr. Krone, Dr. Reif u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Sitz des Bundesaufsichtsamts für das private Versicherungswesen (Nr. 2199 der Drucksachen) 5886B Ruhnke (SPD), Berichterstatter . . 5886C Dr. Tillmanns (CDU), Antragsteller 5887C Dr. Brönner (CDU) 5888C Brandt (SPD) 5889D Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 5891C, 5894B, 5896A Dr. Reif (FDP) 5892B Walter (DP) - 5893B Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 5893D Dr. Preusker (FDP) . . . . 5895A, 5896B Dr. Horlacher (CSU) 5895B Beschlußfassung . . ... . . . 5894A, 5896A, D Beratung des Antrags der Abg. Dr. Dr. Müller (Bonn), Kriedemann, Dannemann, Tobaben, Wartner, Dr. Glasmeyer u. Gen. betr. Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft (Nr. 2304 der Drucksachen) 5896D Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU), Antragsteller 5896D Beschlußfassung 5897B Beratung des Berichts des Untersuchungsausschusses (44. Ausschuß) gemäß Antrag der Fraktionen der BP, CDU/CSU, SPD, FDP, DP, WAV und des Zentrums (Nrn. 2274, 1397 [neu] der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Subventionen an die Industrie (Nr. 1594 der Drucksachen) und der Beratung des Antrags „der Fraktion des Zentrums betr. Zahlungen der Industrie an politische Fonds (Nr. 1595 der Drucksachen) 5897B Zur Sache: Seuffert (SPD), Berichterstatter . . . 5897C Dr. Seelos (BP) 5897D Renner (KPD) 5899C Dr. Reismann_ (Z) 5905B Mayer (Stuttgart) (FDP) . . . 5910D, 5938D Ewers (DP) 5914C Dr. Arndt (SPD) 5917D Dr. Solleder (CSU) 5924C Loritz (WAV) 5929D Donhauser (Unabhängig) 5934B Goetzendorff (DRP-Hosp.) 5934C Fisch (KPD) 5936C Schoettle (SPD) 5939A Strauß (CSU) 5939C Dr. Horlacher (CSU) 5940D Persönliche Bemerkungen: Freiherr v. Fürstenberg (Unabhängig) 5942A Loritz (WAV) 5942A, C Schmitt (Mainz) (CDU) 5942B Rahn (CSU) 5942C Abstimmung vertagt 5930B, 5942D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Dr. Arndt gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 16. April 1951 (Nr. 2261 der Drucksachen) 5942D Hoogen (CDU), Berichterstatter . . 5943A Beschlußfassung 5944A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität von Abgeordneten (Nr. 2076 [neu] der Drucksachen) 5944B Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 5944B Ewers (DP) 5944D Schoettle (SPD) 5945C Abstimmung vertagt 5944B Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 217) 5945C Beschlußfassung 5945C Nächste Sitzung 5945D Die Sitzung wird um 14 Uhr durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Bernhard Reismann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Zentrumsantrag, der auf der seit langem vom Zentrum vertretenen Tendenz beruht, gerade unserem neuen Staat eine Grundlage von Ordnung und von öffentlichem Ansehen zu verschaffen und durch die Offenlegung der Parteifinanzierung allgemeines Vertrauen gerade in das Parteiwesen zu begründen, würde allerdings den Kommunisten, die gerade vor mir ihren Sprecher so heftig gegen die bestehenden Parteien wettern ließen, wie mir scheint, wenig Freude machen. Wenn sie sich also mit ihrer Kritik gegen das gegenwärtige Verhalten der Parteien wendeten, so bin ich gerade deswegen überrascht, weil das, was sie hier als Einzelentgleisung zum Anlaß einer so maßlosen Kritik überhaupt nehmen, bei ihnen selbst in ganz anderem Maß vorkommt. Gerade die Frage der Finanzierung der Parteien, die hier
    im Vordergrund und im Hintergrund stehen muß, ist doch für diese Partei in unserm Hause ein reichlich heikles Kapitel.

    (Abg. Dr. Köhler: Sehr richtig!)

    Der ganzen Angelegenheit des „Spiegel"-Ausschusses und der Debatte um diese beiden „Spiegel"-Artikel, die in der Öffentlichkeit so großes Aufsehen erregt hat, möchte ich die Erklärung vorausschicken, daß man eigentlich für die öffentliche Erörterung an berufener Stelle dankbar sein sollte; denn es war — ganz abgesehen von den Artikeln, die da erschienen waren — in der Öffentlichkeit ein Rumoren und ein anonymes Drumherumreden, das ein Bedürfnis zur Folge hatte, die Dinge nun einmal zu klären.
    Man hat damals dem „Spiegel" Vorwürfe darüber gemacht, daß die Erörterung in dieser und nicht in anderer Art geschehen wäre, und ich selber bin der Ansicht, daß es richtiger gewesen wäre, es wäre aus der Mitte unseres Hauses in irgendeiner Form die Veranlassung gegeben worden, die Dinge zu klären. Nachdem aber nun einmal das Gerücht und das Gerede in der Welt war, da gab es keine wichtigere Aufgabe für das Haus, als diesen Dingen nachzugehen und sie zu klären.
    Wenn nun über den vorliegenden Bericht in weiten Kreisen eine gewisse Unzufriedenheit und Enttäuschung herrscht, so ist das erklärlich. Der Herr Abgeordnete Seelos hat eben nicht ohne Grund darauf hingewiesen, daß man sich hier über kleinere Summen in großen Beratungen ergangen und über große Summen geschwiegen hat. Auf große Summen sind die Untersuchungen nicht ausgedehnt worden, und zwar deswegen nicht, weil die Fassung des Beschlusses, der den Untersuchungsausschuß eingesetzt hat, die — wie man sich ausdrückte — allgemeine Finanzierung von politischen Parteien nicht zum Gegenstand hatte. Zum Gegenstand der Untersuchungen war die Behauptung gemacht worden, daß „anläßlich der Abstimmung in der Hauptstadtfrage Bonn-Frankfurt und bei anderen Gelegenheiten an Abgeordnete aller Fraktionen ein Betrag von insgesamt etwa 2 Millionen DM" gezahlt worden sei.
    Hält man sich zunächst an die engste Fassung dieses Beschlusses, so ist in aller Öffentlichkeit und unter Mitwirkung der gesamten Öffentlichkeit — denn alle Ausschußmitglieder haben zahlreiche Anregungen der verschiedensten Art aus breitesten Kreisen der gesamten Bevölkerung, nicht mir aus diesem Parlament erhalten — dargelegt worden, daß man weder von 100 Abgeordneten noch von Millionen DM noch auch nur von großen Summen oder einer größeren Zahl von Abgeordneten sprechen kann noch auch, daß konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß die Abstimmungsfrage Bonn-Frankfurt Veranlassung zu solchen Geldhingaben gegeben hat.
    Bei der Gelegenheit ist aber auch die Quelle aufgedeckt worden, von. welcher dieses ganze dem Ansehen des deutschen Parlaments äußerst abträgliche Gerede den Ausgang genommen hat. Das war das Geschwätz — man kann es nicht anders bezeichnen -- eines verantwortungslosen Abgeordneten, der damit renommiert hat und glaubte, einen faulen Witz zu machen, dessen Tragweite er nicht erkannt haben will und wobei er sich später mit der eigenen Dummheit als Entschuldigung herausredete.

    (Abg. Dr. Horlacher: Sehr richtig!)

    Das muß einmal im Interesse des Ansehens und der
    Ehre des Hauses selbst und der deutschen Abgeordneten klargestellt werden, die hier völlig un-


    (Dr. Reismann)

    berechtigt von einem gewissenlosen Schwätzer in Verruf gebracht worden wären, wenn nicht diese öffentliche Klärung erfolgt wäre. Deswegen sind wir der Ansicht, daß man einem Mann, der — sei es aus Dummheit, sei es Verantwortungslosigkeit — ein solches Geschwätz in Umlauf gesetzt hat, nicht mehr das Vertrauen geben kann, das man jedem Abgeordneten entgegenbringen muß. Deswegen fordern wir das Haus auf, es möge ihn auffordern, seinen Sitz zur Verfügung zu stellen und den Platz zu räumen, den einzunehmen er seinen Anspruch verwirkt hat.

    (Beifall in der Mitte.)

    Aber gehen wir nun den Dingen weiter auf den Grund, so fällt zunächst als die dabei unangenehm, als Korruptionsblüte aufgefallene Persönlichkeit — das sei mit aller Brutalität gesagt — der Abgeordnete Aumer ins Auge. Der Abgeordnete Aumer hat dreimal, die Interessen der Erdölindustrie vertretend, hier von dieser Tribüne des Bundestags aus geredet. In der 31. Sitzung am 26. Januar 1950 sprach er gegen die Stellungnahme meines Fraktionskollegen Dr. Bertram über den Preis, der für das Erdöl festgesetzt werden sollte. An demselben Tag hat er eine nennenswerte Zuwendung von einer dabei sehr interessierten Firma, der Firma Elwerath in Hannover, erhalten. Er hat insgesamt dreimal für die Interessen der Erdölindustrie gesprochen, und er hat dreimal von der Erdölgesellschaft Geldsummen erhalten, die insgesamt 22 093 DM betragen haben. Man kann natürlich weder feststellen, daß irgendein konkretes Wort über eine Verpflichtung dieses Herrn gesprochen worden wäre; „so dumm und so plump doch nicht", sagte Herr von Aretin einmal, als er als Zeuge vor dem Ausschuß vernommen wurde. Das war ja auch gar nicht nötig. Die Geschichte war doch offenbar so, daß durch die Hingabe von Geld eine innige Verbindung zwischen dem Geldgeber und dem Geldnehmer hergestellt werden sollte und daß auf diese Art und Weise die Generallinie dieses Herrn festgelegt wurde.
    In welchem Zusammenhang denn? Weswegen gab man gerade ihm das Geld? Wenn man glaubte, man müßte sich in Bayern als „Preuße" anfreunden, so hätte man eine große Spende für irgendeinen guten Zweck machen können, und man hätte das in die Zeitung setzen können. Aber hier gab man unter der Hand Geld, so daß die eine Hand nicht wußte, daß die andere gab. Da gab man einem Abgeordneten Geld, der eine bestimmte Richtung innerhalb einer bayerischen Partei repräsentierte, und die Öffentlichkeit erfuhr davon gar nichts.

    (Zuruf von der SPD: Die Position im Erdölausschuß!)

    — Er war Mitglied im Erdölausschuß des Wirtschaftsausschusses, und der Geldgeber, Herr Telle,
    der sich dabei selber keineswegs besser verhalten
    hat als der Abgeordnete, wenngleich ihn nicht die
    gleiche besondere Sorgfaltspflicht und Treuepflicht
    gegenüber dem deutschen Volke traf, hat das, wie
    er erklärt hat, getan, weil er ihn als den Vorsitzenden dieses Unterausschusses angesehen hat.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ob das richtig war oder nicht — er war einfaches Mitglied —, spielt dabei keine Rolle. Aber das war offenbar das Motiv oder das hervorstechende Motiv bei der Hingabe dieses Geldes.
    Dieser vermeintliche Vorsitzende zapfte nun in geradezu schamloser Art und Weise bei der ersten Gelegenheit, wo dieser Interessenexponent mit ihm in Fühlung trat, diesen Mann an und verlangte von ihm die Hergabe von Geld. Bis dahin hatte er schon Geld ausgegeben. Er hatte schon Freunden seiner Richtung innerhalb seiner Partei, offenbar um diese Richtung zu festigen und von der Gesamtrichtung seiner Fraktion abspenstig zu machen, Gelder teils in Aussicht gestellt, teils gegeben, obwohl er selbst aus dieser Quelle Elwerath noch keines bekommen hatte. Er hat behauptet, er habe mit Rücksicht auf die erwarteten Zuwendungen Geld hergegeben. Aber es hat sich herausgestellt, daß er in diesem Punkt den Ausschuß mit Unwahrheit bedient hat. Es war nicht wahr, denn Telle hat uns gesagt, daß er bis zu diesem Zeitpunkt — Ende Dezember — überhaupt kein Geld in Aussicht gestellt hatte und daß er bis zu der ersten Zuwendung auch keine Versprechen dieser Art gemacht hatte. Daraus ergibt sich also zwingend, daß Aumer noch weitere Geldquellen hatte und daß er sogar noch von anderer Seite Geld erhalten hat. Er hat das auch nicht ernsthaft in Abrede gestellt; aber er hat sich geweigert anzugeben, woher, und er hat sich dabei auf das Aussageverweigerungsrecht der Abgeordneten berufen.
    Daß diese Dinge allesamt kein Licht vertragen konnten, ergibt sich insbesondere auch aus der Art der Verbuchung. Eine immerhin nach mehr als einer Richtung auffällige Erscheinung ist es doch, daß die Gewerkschaft Elwerath aufgefordert wurde, die letzte Zahlung von 9 593 DM an die Mercedesvertretung in München zu überweisen. Die Mercedesvertretung sollte damit für einen Wagen bezahlt werden, der in Wirklichkeit schon längst bezahlt war, mit der Begründung: „Das läßt sich dann besser verbuchen". Wenn man also so vorging, so wollte man damit einmal den politischen Zweck kaschieren, zum andern offenbar aber auch die Steuerbehörde darum betrügen. Das ist ein ganz offensichtlicher, zumindest vorhanden gewesener Nebenzweck diese Art der Verbuchung, welcher Umstand uns Veranlassung gibt, darauf hinzuweisen — Sie haben einen besonderen Antrag darüber vorliegen —, daß man sich gerade die Bilanzen und die Gewinn- und Verlustrechnungen dieser Firma Elwerath einmal genauer ansehen sollte.
    Daß natürlich Herr Telle keinen Bestechungszweck nannte, daß er keine konkreten Forderungen stellte, ist gar nicht weiter auffällig. Das kann man nicht erwarten. Aber wir halten es — nicht bloß ich, sondern meine ganze Fraktion ist dieser Auffassung — für einen Rechtsirrtum des Herrn Kollegen Schröder, wenn er sagt, daß die Bestechung von Abgeordneten schlechthin nicht bestraft werden könne. Man muß sich nur den § 109 des Strafgesetzbuchs etwas näher ansehen. Da heißt es:
    Wer in einer öffentlichen Angelegenheit eine Wahlstimme kauft oder verkauft, .. .
    Es dreht sich dabei um irgendeine Abstimmung, auch um Abstimmungen im Parlament, und es ist nicht gesagt, daß konkret die Abstimmung ad hoc verabredet sein muß, sondern es genügt völlig, wenn man sich den ganzen Abgeordneten in seiner Gesamtrichtung kauft, wenn nur ein nachweislicher Zusammenhang zwischen der Geldhingabe auf der einen Seite und dem Verhalten bei einer Abstimmung auf der anderen Seite vorhanden ist. Die Staatsanwaltschaft wird Veranlassung nehmen müssen, gerade nach dieser Hinsicht den im Untersuchungsausschuß ermittelten Sachverhalt näher zu untersuchen. Das Kaufen oder Verkaufen ist dabei nicht, wie die Kommentare es ausdrücklich auf Grund von Entscheidungen höchster Gerichte fest-


    (Dr. Reismann)

    stellen, allein auf den Begriff des Kaufs nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch festgelegt, sondern darunter ist alles zu verstehen, was der Mann auf der Straße als einen Kauf von Stimmen bezeichnen und betrachten kann.
    Neben diesen Zuwendungen ist natürlich auch die Frage von Interesse, wie denn das Geld weiter verwendet worden ist. Und da ist allerdings kennzeichnend und wirft auch auf die Abstimmung Bonn—Frankfurt ein gewisses Rücklicht die folgende Frage, die als unzweifelhaft herauskristallisiert worden ist. Als der Mayerhofer auf vielfaches Drängen von Aumer 1000 DM erhalten hat, da hat man ihn gefragt, ob er „denn auch richtig abgestimmt habe". Man kann natürlich jeder Frage eine mehrfache Auslegung geben. Aber in diesem Zusammenhang: 1000 DM auf der einen Seite, Abstimmung Bonn—Frankfurt auf der anderen Seite, wird nun gefragt: „Hast du auch richtig abgestimmt?". Und zwar wird danach gefragt, nachdem vorher das Geld für die Verwendung von Wahlkreisschulden erbettelt worden war, also für Schulden, die die Wahlkreise als solche entriert hatten. Und das Geld wird, nachdem es gegeben war, dann mehr als ein halbes Jahr, von Dezember bis Juni, von diesem Abgeordneten hinter sich gehalten, bis er endlich durch das Murren der Öffentlichkeit und durch das Geraune im Parlament selbst dazu veranlaßt werden kann, seinem Fraktionsvorsitzenden zu bekennen, daß er Geld bekommen hat, und dann stellt er es zur Verfügung. Sicher ist diese Äußerung von etwas reichlich verspäteter tätiger Reue irgendwie zu berücksichtigen, vielleicht auch das Schwanken zu berücksichtigen. Korrekt war aber auch das nicht.
    Was man nun an anderen Abgeordneten auszusetzen haben mag, verblaßt im Vergleich zu dem, was ich vorab von den beiden ersten Hauptschuldigen gesagt habe. Insbesondere ist es natürlich in keiner Weise zu rechtfertigen und zu erklären, daß Abgeordnete uns wissentlich und trotz Vorhalts nicht bloß in einer, sondern in einer ganzen Reihe von Sitzungen mit Unwahrheiten am laufenden Band bedient haben; der eine davon hat sie noch beschworen. Die strafrechtliche Klärung mag der Staatsanwaltschaft und dem Gericht überlassen sein. Das Haus muß nach meiner Meinung für sich die Konsequenz daraus ziehen. Es ist nicht im Eifer des Gefechts oder unter dem Druck einer momentanen Beschämung da vielleicht etwas frisiert worden, obwohl sich auch das schon nicht gehören würde. Namentlich bei dem ethischen und intellektuellen Stand, den man von Abgeordneten dieses Hauses verlangen müßte, wäre es nicht zu entschuldigen. Aber nicht einmal s o ist es gewesen, sondern mit Überlegung über eine Reihe von Sitzungen hin und trotz Vorhaltungen und Verwarnungen und trotz der Kenntnis von dem, was andere Zeugen zu der Sache gesagt haben, ist das vorgekommen. Wir beurteilen auch dies Verhalten dieser Abgeordneten als äußerst schwer, und ich glaube, man darf nicht menschliche Rücksichtnahme walten lassen, wo das Ansehen der Demokratie auf dem Spiel steht.
    Aber trotz allem, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wenn wir sehen, daß hier bei Anlegung strengster Maßstäbe vielleicht fünf Abgeordnete entgleist sind, so besagt das gar nichts gegen die Ehre des ganzen Parlaments, und wir können von uns sagen, daß wir ein Parlament sind, welches alle bis dahin bekanntgewordenen Vorwürfe gründlichst untersucht hat, und daß nicht mehr zutage getreten ist. Ich weiß nicht, ob das
    alle Parlamente der Welt von sich sagen können. Ganz zu schweigen von Diktaturen!

    (Sehr gut! rechts.)

    Trotzdem bleibt das hier aufgeworfene Problem der Wertung des „Spiegel"-Komplexes bestehen, das man darüber nicht in den Hintergrund treten lassen sollte.
    Die formale Fassung des Beschlusses, die den Ausschuß gebunden hat, ließ es nicht zu, daß man auf die Finanzierungsmethoden überhaupt einging, die das politische Leben der Parteien bisher leider Gottes bestimmt haben. Denn tatsächlich läßt sich nicht verkennen, daß die Hingabe großer Summen, ganz großer Summen — nicht von 5-oder 10- oder 20 000 DM, sondern von Millionenbeträgen — zwangsläufig die Richtung und die Linie der Politik bei den Kreisen bestimmt, denen das Geld zufließt. Denn sie bringt diese Parteien in derartige Abhängigkeit, daß ihre Existenz gefährdet ist, wenn diese Zuwendungen ausfallen. Ich halte es für durchaus richtig, wenn die Anregung gegeben worden ist, daß die Parteien auf legale Art und Weise finanziert werden müssen, wie das beispielsweise in England ja auch der Fall ist, wo gleichzeitig aber Verbotsbestimmungen gegen zusätzliche Finanzierung bestehen, die überwacht und kontrolliert werden. Aber es ist nach unserem Darfürhalten mit einer ehrenhaften Demokratie absolut unverträglich, daß Millionenzuwendungen sozusagen goldene Ketten an die so Beschenkten legen, und wir können es unserem Volk nicht verübeln, wenn man zwischen diesen goldenen Ketten und den Zuwendungen und der konkreten Politik, die die so beschenkten Parteien hinterher machen, Rückschlüsse zieht und Verbindungen herstellt. Wenn also auf der einen Seite — das waren ja verhältnismäßig kleine Beträge — ein bestimmtes Unternehmen der Erdölindustrie, auf der anderen Seite aber große Verbände der Wirtschaft über einen bestimmten Bankier Parteien finanzieren, die sich hinterher, nach dem mit Hilfe dieser Gelder siegreich bestandenen Wahlkampf, prompt zu einer Regierungsmehrheit zusammenschließen, so muß das keinen guten Eindruck auf die Öffentlichkeit insbesondere bei unserem Volk

    (Abg. Loritz: Sehr richtig!)

    gerade dann machen, wenn das Volk die Folgen der Politik dieses Kabinetts — ich erinnere an die Steuergesetze und an die Wirtschaftspolitik, die das darauf beruhende Kabinett seither betrieben hat —, wenn das Volk die Folgen dieses Zusammenschlusses mit Hilfe der goldenen Ketten Tag für Tag derart spürt;

    (Sehr richtig! beim Zentrum)

    wenn beispielsweise die Steuergesetze, die wir in den letzten Wochen beraten haben, immer wieder merkwürdige Verbindungen gerade mit den Interessen der großen Wirtschaft zutage treten lassen, wenn beispielsweise gerade diese Steuergesetze auf der einen Seite Millionen- und Milliardengeschenke gerade denen übriglassen, die an sich durchaus in der Lage wären, höhere Steuern aufzubringen, wenn aber auf der andern Seite die durch Rückgang der Kaufkraft ohnehin stark geschwächten Kleinverdiener immer noch mehr und zusätzlich mit Steuern belastet werden, wie zum Beispiel die Zusammenbesteuerung der Ehegatten, wie zum Beispiel die vor etwa einem Jahr erfolgte Tariferhöhung bei der Steuer, wie zum Beispiel die Herabsetzung der Sonderabsetzungen für die Kriegsgeschädigten, Bombengeschädigten und


    (Dr. Reismann)

    Flüchtlinge. Alles das bringt man in der Öffentlichkeit — und selbst wenn Sie jetzt sagen wollten, es geschähe zu Unrecht — in Verbindung mit den Geldzuwendungen jener Kreise, die vor einem Jahr durch ein Geschenk von rund einer Milliarde DM begünstigt wurden. Und man muß noch hinzunehmen, auf welche Art und Weise das geschah. Dieser Vorgang muß vollends das Vertrauen derjenigen erschüttern, die geglaubt haben, wir würden nun mit absoluter Offenheit. Öffentlichkeit und Korrektheit das System unserer neuen Parteien aufbauen.
    Da ist zunächst der Finanzminister, der Empfehlungen über einen Fonds macht, der mehrere Parteien bestreicht. Schon der Umstand, daß der Finanzminister, ein Mitglied der Regierung, Empfehlungen machen kann und Zuwendungen auf diese Art und Weise an Stellen leitet, die den Regierungsparteien bisher nicht angehörten, im Gegenteil in der Opposition gestanden haben, muß mehr als befremden.

    (Sehr wahr! bei der SPD und beim Zentrum.) Ich bitte Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, sich einmal vorzuhalten, was für einen Eindruck das macht: eine Oppositionspartei wird auf einmal um eine Gruppe von Abgeordneten verkleinert, und zwar geht diese Spaltung von dem Abgeordneten aus, der „aus Gründen der Menschlichkeit" — so hat sich der Herr Finanzminister ausgedrückt — ein Geschenk bekommen hat, das ihn von seinen Schulden befreien soll.


    (Zurufe von der SPD.)

    Aus diesen „rein menschlichen Gründen" wird ein Geschenk von etlichen Tausend Mark gemacht; und der Erfolg ist, daß der bisherige Oppositionsabgeordnete hinterher nicht mehr in der Opposition ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Cicero fragte bei solcher Gelegenheit: „Wer hatte den Vorteil davon?" Man sollte diese Methode, die schon die alten Römer kannten, zu sagen, daß der Erfolg wahrscheinlich der Zweck gewesen ist, auch hier einmal anwenden. Das ist der Finanzminister!
    Wenn man später auf das Geschwätz eines Herrn, der kein besonderes Renommee gehabt hat — das war der Herr Messmer —, nicht weiter eingegangen ist, so war das nicht nötig; denn es bestand ja außerdem ein handschriftlicher Vermerk von Herrn Schäffer, der erklärte, er habe in der gleichen Richtung, in der die Bemühungen des Herrn Messmer gelaufen hätten, auch schon „Schritte getan". „Schritte getan" bedeutet natürlich nicht ohne weiteres, daß der Herr Finanzminister diese Schritte gerade auf finanziellem Gebiete getan hätte. Aber was sollte es denn eigentlich sonst bedeuten? Wir haben Herrn Schäffer in dem Bericht, der die gesamten Verhandlungen wiedergibt, gerade als den Mann erkannt und geschildert bekommen, der in der Lage und willens war, Abgeordneten, denen es wirtschaftlich schlecht ging, durch Empfehlungen unter die Arme zu greifen und Kreisvereine, die durch ihre Politik in Schulden geraten waren, zu sanieren. Wenn nun dieser Mann Schritte tut, die dazu führen sollen, eine Verbindung zu weiteren oppositionellen Gruppen dieses Hauses zu schlagen, dann muß man sich fragen, was das bedeutet. Wenn dieser Mann einen Aktenvermerk dahin macht, er hätte Schritte unternommen, so bleibt er uns den Beweis dafür schuldig, welcher Art diese Schritte gewesen sind, wenn er sich gegen den Verdacht wehren will, daß diese Schritte auch
    auf dem gleichen, nämlich finanziellen Gebiete gelegen haben. Er ist bloß nicht auf Gegenliebe gestoßen.
    Ich will bei dieser Gelegenheit folgendes sagen. Wenn irgend jemand den Auftrag gehabt hat, an die Gruppe der WAV oder die Fraktion des Zentrums heranzutreten — bei uns hat es erst gar keiner versucht, weil er gewußt hat, daß er beim Zentrum absolut nicht auf irgendwelche Neigung, sich darauf einzulassen, gestoßen wäre, — —

    (Abg. Loritz: Bei uns kriegten sie eine Ohrfeige, wenn sie das machten, Herr Kollege Reismann!)

    — Herr Kollege Loritz, wenn Sie das auch für sich in Anspruch nehmen, will ich Ihnen das gern überlassen. Ich nehme an, daß Sie das später noch sagen werden. Aber ich spreche für das Zentrum. Es ist uns niemals eine Zuwendung gemacht worden, noch bestand Aussicht, daß wir uns in eine solche Sache eingelassen hätten. Ich will Ihnen auch sagen, daß wir den Mann sofort vor die Öffentlichkeit dieses Hauses gebracht hätten, wenn es passiert wäre, auch wenn er irgendwo Träger hoher Funktionen gewesen wäre.
    Aber nicht bloß das! Auch die merkwürdige Art des Herrn Heinrichsbauer verdient besonders erwähnt zu werden. Es ist der Mann, der nach dem urchristlichen Grundsatz handelt, daß die Rechte nicht wissen soll, was die Linke tut. Es ist der Mann, der kein Buch führt, weder über die Spenden, die er bekommt, noch über die Spenden, die er weitergibt.

    (Zuruf von der SPD.)

    Es ist der Mann, der nicht abrechnet, der Mann, der auch nicht die Beträge vermerkt und der immer dann, wenn es darauf ankommt, ein ganz wundervoll funktionierendes Gedächtnis hat, nämlich so, daß er nichts mehr weiß. In meiner Praxis als Anwalt seit 1929 bin ich auf keinen Zeugen gestoßen, der ein so fabelhaft lückenhaftes Gedächtnis hat, und ich bin auf keinen Zeugen gestoßen, dem ich so wenig geglaubt habe wie diesem Herrn. Dieser Herr Heinrichsbauer betätigt sich — offenbar hinter den Kulissen — auf politischem Gebiet schon sehr lange. Von einem Parteifreund ist mir eine Schrift zugeschickt worden, die im Verlag der Gelben Hefte vor 1933 erschienen war. Es ist ein Sonderdruck aus einem Artikel, den er damals verfaßt hat. Damals hat er die verehrte Frau Kollegin Dr. Weber deswegen angegriffen, weil sie als Zentrumsabgeordnete im Reichstag viel zu weit links stand.
    - (Zurufe links.)

    — Ja, gerade ihre Kulturpolitik hat er damals sehr lebhaft angegriffen. Sollte er inzwischen selber so sehr bekehrt worden sein?! Oder sollte er infolge seiner hervorragenden Verbindungen und sonstigen politischen Tätigkeiten die Fraktion der CDU nunmehr so weit an sich und seine Richtung hingezogen haben, daß sie ihm nun als würdig erscheint, von ihm sehr wesentlich gefördert zu werden?! Die Frage bleibt offen.

    (Zuruf von der Mitte.)

    — Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Geld von Herrn Heinrichsbauer haben Sie doch sehr gern genommen, Ihre Partei jedenfalls! Warum entrüsten Sie sich, wenn ich darüber spreche?

    (Erneute Zurufe von der Mitte.)

    Also dieser Herr tat seine milde Hand auf und füllte die Hand seiner Freunde mit dem goldenen


    (Dr. Reismann)

    Segen. Das war also der .Mann, er zwar Flüchtling war, Vertriebener war, dem es aber nicht schlecht ging. Das Finanzamt möge sich doch dieses Herrn einmal mit besonderem Interesse annehmen. Bücher führt er nicht; leben tut er gut. Der himmlische Vater ernährt ihn gut und reichlich. Und wer muß das denn bezahlen? Letzten Endes wird die Industrie das doch in irgendeiner Weise als Kosten verbuchen, da sie ganz offensichtlich nicht Lust hat, das aus den Gewinnen zu nehmen.
    Deswegen kommt auch unser zweiter Antrag. Wir verlangen, daß untersucht wird, wie alle diese politischen Zuwendungen bisher verbucht worden sind. Ich erinnere daran, daß wir bei der Beratung der Steuergesetze den Standpunkt vertreten haben, die Zuwendungen an politische Parteien sollten nur dann steuerfrei bleiben, wenn sie auch von denjenigen entsprechend offengelegt würden, die die Zuwendungen empfangen haben. Dabei sollte sich die Steuerfreiheit auch nur auf die Befreiung von der Schenkungssteuer erstrecken. Für diese Zuwendungen ist aber keine Schenkungssteuer entrichtet worden, und ich bin auch bis zum Beweis des Gegenteils davon überzeugt, daß diese Zuwendungen nicht ordnungsmäßig in den Büchern der Spender verbucht worden sind. Vielleicht hat man das nachträglich, nachdem unser Antrag vorlag, korrigiert.
    Es ist außerdem von Interesse zu wissen, in welchem Maße staatliche Betriebe an den Unternehmungen beteiligt gewesen sind, insbesondere etwa die Preußag, die hier Zuwendungen gemacht haben. Ein Rechtsanwalt aus Hannover, ein Vertreter der Elwerath-Gesellschaft hat sich eines Tages bei mir angemeldet und hat mich gebeten, ihn anzuhören. Er hat mir gesagt, daß die Gesellschaft gerne bereit wäre, Auskünfte zu geben; er habe mitzuteilen, daß keine Gesellschaft mit öffentlicher Beteiligung im Gewerkebuch eingetragen stünde. Er sagte zunächst, es gäbe solche nicht. Ich habe ihn gefragt, woher er das wisse. Dann hat er erwidert, daß kein gemischtwirtschaftlicher oder öffentlicher Betrieb als Kuxeninhaber in dem Gewerkebuch verzeichnet stünde. Aber der Kuxhandel kann auch außerhalb des Gewerkebuchs vollzogen werden. Darüber weiß die Gesellschaft Elwerath vielleicht selbst nicht Bescheid. Es ist aber von der Regierung zu verlangen, daß sie feststellt und uns mitteilt, welche halböffentlichen oder öffentlichen Betriebe und Unternehmungen bei den Geldgebern beteiligt gewesen sind. Denn es drängt sich sogar der Verdacht auf, daß sich die Regierung auf Umwegen selbst finanziert habe, ihre eigenen Parteien finanziert habe.
    Diese Dinge, meine sehr verehrten Damen und Herren, konnten im Ausschuß leider nicht so erörtert werden, wie es die Öffentlichkeit verlangte. Denn die Öffentlichkeit hatte sich die Auswirkungen des enger gefaßten Beschlusses nicht so vorgestellt, daß dadurch etwa die Erörterung dieser Frage der Parteifinanzierung an sich abgeschnitten werden sollte. Der Gesamteindruck, der jetzt zurückbleibt, macht es besonders notwendig, endlich das Parteiengesetz mit der Pflicht zur Offenlegung der Parteifinanzen zu beschließen. Jetzt hat man insgesamt den Eindruck, man müsse nur den großen Stil wahren. Wenn man mit Kleinigkeiten auffalle, sei das bitterböse; aber wenn man die Dinge im großen betreibe, dann sei man, wie immer im Leben, mehr dagegen gesichert, angefaßt zu werden.
    Es muß hier mit aller Offenheit und in aller Öffentlichkeit gesagt werden, daß das Verhalten eines Regierungsmitglieds diesen bösen Eindruck
    ganz wesentlich mit verschuldet hat. Dieses Regierungsmitglied sollte wissen, daß es sich gerade in diesem Amt eine größere Zurückhaltung auferlegen müßte, als es beispielsweise die anderen hier betroffenen Abgeordneten nötig hatten. Gerade die Verbindung zwischen seinem Amt und diesen Zuweisungen läßt den Vorgang besonders bedenklich erscheinen. Und ich muß sagen: Ich bin jetzt wirklich darauf gespannt, welches Verhalten die Fraktion der Bayernpartei an den Tag legen wird. Sie hat sich durch ihren damaligen Vorsitzenden mit Recht bitter darüber beklagt, daß hier Geld unter den Auspizien eines Ministers gegeben worden ist, um eine Gruppe aus der Bayernfraktion abzuplittern und sie in die Regierungskoalition überzuführen. Es. liegt von ihr noch ein Antrag vor, in welchem diesem selbén Finanzminister nahegelegt wird, zurückzutreten und ihm das Mißtrauen ausgesprochen wird. Diese beiden Anträge — jetzt kommt der von der SPD dazu —, die wir durchaus für berechtigt halten, diese beiden Anträge, die von den verschiedensten Seiten des Hauses kommen, sollten wirklich die Öffentlichkeit und ihn selbst darüber aufklären, daß seine Stellung durch dieses sein Verhalten aufs schwerste erschüttert ist.

    (Zuruf rechts.)

    — Das will ich Ihnen sagen: erstens in dieser Koalition und zweitens unter diesem Kanzler wird kein Zentrumsmann Lust haben, in die Koalition einzusteigen!

    (Heiterkeit. — Weiterer Zuruf.)

    — Ich kann Sie leider nicht verstehen; aber vielleicht sparen Sie den Witz bis gleich auf, Herr Kollege! Sie können ja nach mir reden.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt scheint es endlich Zeit auf unsern Antrag zurückzukommen, den wir als einen der ersten in diesem Bundestag gestellt haben und der, glaube ich, als ältester unerledigter Antrag immer noch vorliegt. Der Antrag trägt die Nr. 275 — schon bald nicht mehr wahr, so lange ist das her —; er datiert vom 6. Dezember 1949. Schon damals haben wir erkannt, daß die Ordnung und Sauberkeit im öffentlichen Leben auch auf diesem Prinzip beruht. Die Zentrumsfraktion im Parlamentarischen Rat ist es gewesen, die schon während der Verfassungsberatungen verlangt hat, durch den Zwang, die Finanzen der Parteien offenzulegen, Sauberkeit gerade auf diesem Gebiet zu schaffen. Wir haben damals, am 6. Dezember 1949, beantragt:
    Die Bundesregierung wird ersucht, unverzüglich den Entwurf eines Parteiengesetzes entsprechend dem Art. 21 des Grundgesetzes dem Bundestag vorzulegen.
    Lange, lange hat man darüber gebrütet, aber schließlich ist man doch am 4. Oktober 1950, also mehr als 3/4 Jahre später, im Ausschuß dazu gekommen, diesen Antrag anzunehmen; und zwar ist er einstimmig angenommen, nachdem der Vertreter der DP zunächst die Anregung gegeben hatte, wir sollten den Antrag zurücknehmen. Was soll das eigentlich bedeuten, daß man einstimmig dafür ist, nachdem man sich zuvor maßgeblich gegen diesen Antrag äußerte und wünschte, daß er zurückgenommen werde?! Aber dann ist einige Zeit später, am 5. Dezember, hier vom Plenum beschlossen worden, diesen Antrag anzunehmen, und der Herr Innenminister hat damals erklärt - damals war das Herr Dr. Heinemann —, ein Rohentwurf sei fertig und in wenigen Wochen kabinettsreif. Herr Heinemann hat damals erklärt, er halte das Gesetz für dringend notwendig. Aber bis


    (Dr. Reismann)

    heute liegt der nun schon seit drei Vierteljahren kabinettsreife Entwurf immer noch nicht vor.
    Welches sind denn eigentlich die Hemmungen? Fürchtet man sich etwa, die goldenen Adern abzustechen? Dann möchten wir darauf hinweisen, daß es nicht goldene Adern, sondern goldene Ketten sind, die dann fallen, und daß nur auf diese Weise das Ansehen, die Reputation des Hauses, vor allen Dingen aber auch die innere Freiheit der Abgeordneten und besonders der Fraktionen hergestellt werden kann. Denn man spürt hier oft, daß Abgeordnete anders möchten, wenn sie könnten, wie sie wollten. Das alles ist darauf zurückzuführen, daß die Folge der leider zu engen finanziellen Verbindungen eine gewisse innere Unfreiheit .ist.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses sehr ernste Kapitel der Beratungen des „Spiegel"-Ausschusses können wir abschließen mit dem Gefühl, daß ein bereinigendes Gewitter die Atmosphäre für die Zukunft klar gemacht hat. Nachdem nun mal eine offene Aussprache darüber heute stattfindet, können wir für die Zukunft an die Dinge herangehen mit dem Vertrauen, daß sich ähnliche Vorkommnisse unmöglich wiederholen werden. Aber damit sie sich nicht wiederholen, halten wir es allerdings auch für erforderlich, die in den Anträgen der SPD verlangte Resolution zu fassen, in der es heißt: Der Bundestag wolle beschließen, es sei unvereinbar, daß ein Abgeordneter für seine Partei Geld nimmt, dessen Herkunft ihm durch die Einschaltung eines Mittelsmannes oder durch die Art der Zahlung absichtlich verborgen wird.
    Ich möchte dazu sagen, das Nähere sei Sache der Ausschußberatungen. Ich bin nicht der Ansicht, daß man darüber jetzt beschließen sollte, sondern ich bin der Ansicht, man sollte das dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und dem Ausschuß zum Schutze der Verfassung überweisen. Man müßte auch hinzunehmen, daß auch Geld, das mach der Herkunft zwar klar, aber nach dem Zweck verdächtig ist, das „riecht", abgewiesen werden muß und nicht angenommen werden darf.

    (Abg. Renner: Non olet!)

    — Nein, so ist es nicht. Es wäre noch besser, wenn wir, wie es eben von der Fraktion der BP verlangt wurde, durch eine gesetzliche Regelung der Finanzierung des Parteienwesens überhaupt davon abkämen, private Gelder in Anspruch zu nehmen. Die private Finanzierung sollte abgeschafft werden. Es sollte verboten sein, wie es in England verboten ist, den Wahlkampf mit Subventionen zu bestreiten — damit eben die Abgeordneten wirtschaftlich absolut frei sind. Denn wir sind uns darüber klar: Gerade diese Vorgänge haben bewiesen, daß wirtschaftliche Unfreiheit auch politische Unfreiheit zur Folge hat.
    Wir sind auch durchaus mit dem Antrag in Abs. 2 des Umdruckes Nr. 214 und damit einverstanden, daß das Bundesverfassungsgericht einen Abgeordneten des Mandats verlustig erklären kann. In diesem Zusammenhang will ich aber darauf hinweisen, daß das nur möglich sein darf in einem Fall mit einem ganz bestimmten klar umrissenen, gesetzlich festgelegten Sachverhalt. Denn letzten Endes kann niemand anders als dieses Parlament selbst für die Frage entscheidend sein, wer würdig oder wer unwürdig ist. Letzten Endes nehmen die Abgeordneten die Autorität, mit der sie hier auftreten, vom Volk, von ihren Wählern, und außer im Falle eines bestimmten kriminellen Sachverhalts darf mich irgendeine andere Stelle dasein, die einem Abgeordneten als unwürdig dieses Mandat aberkennen kann. Die Aberkennung des Mandats nach einem kriminellen Verhalten aber ist j a schon immer möglich gewesen. Und da ist die Frage, ob es überhaupt erforderlich ist, das Bundesverfassungsgericht einzuschalten, wenn man entsprechende Strafandrohungen in das Gesetz einbaut. Es kann dann ohnehin die Aberkennung des Mandats die Folge sein, wenn ein Abgeordneter wegen Verstoßes gegen dieses Strafgesetz verurteilt worden ist.
    Wir stimmen auch den nunmehr vorliegenden beiden Anträgen auf Mißbilligung des Verhaltens des Abgeordneten und Bundesfinanzministers Schäffer zu. Ich weiß nicht, ob die Fraktion der Bayernpartei ihren alten auf Eis gelegten Antrag heute hervorholen wird.

    (Heiterkeit.)

    Jedenfalls scheint es an der Zeit, jetzt über diese Frage zu beschließen. Es ist dabei die verfassungsrechtliche Frage aufgeworfen worden, ob es möglich sei, einen Minister zum Rücktritt aufzufordern. Wir sind uns darüber klar, daß das nicht mit der bindenden Wirkung möglich ist, so daß er seines Amtes verlustig geht. Aber wir sind auch der Ansicht, daß weder der Herr Bundeskanzler noch der Minister selbst sich einem mit entsprechender Mehrheit gefaßten Beschluß dieses Hohen Hauses wird entziehen können noch wird entziehen wollen. Denn ich glaube nicht, daß es jemand fertigbringt, mit einer solchen Belastung, d. h. wegen dieser Vorfälle mit dem Mißtrauen des Hauses belastet, die Würde dieses Amtes noch weiter zu tragen, zumal das nicht ohne Rückwirkungen auf die Öffentlichkeit sein und das Ansehen der Regierung, des Parlaments, aber auch gerade dieses Ministeriums und damit der von ihm zu vertretenden Gesetzgebung leiden wird, wenn er trotz eines solchen Mißtrauens im Amt bleiben wird.

    (Beifall beim Zentrum. — Zurufe von der Mitte: Oh, oh!)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Mayer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ernst Mayer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vornehme Zurückhaltung der großen Parteien läßt mich überraschend früh zu Wort kommen. Ich werde mich mit diesem Vorzug abzufinden wissen.

    (Heiterkeit.)

    Lassen Sie mich beginnen mit einem Zitat aus dem Bericht des Untersuchungsausschusses. Ich meine den Satz in einem 'darin zitierten Briefe des Herrn Kollegen Dr. Besold. Darin wird also der Herr Donhauser bedroht und von verschiedenen Erzählungen gesprochen, die kursierten und bei denen es nur darauf ankomme, „wie man sie auslegt". Mir scheint, daß dieser Satz und die aus ihm sprechende Einstellung sehr bezeichnend sind für das Aufkommen dieser Affäre, für ihre Weiterführung und auch für ihre parteipolitische Ausschlachtung. Nach diesem Satz hat Herr Baumgartner gehandelt, nach diesem Satz haben viele Publizisten gehandelt, und nach diesem Satz wurde heute auch hier bis zuletzt geredet:

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Es kommt darauf an, wie man es auslegt! Von dieser Freiheit der Auslegung ist, glaube ich, sehr reichlich Gebrauch gemacht worden.

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)



    (Mayer [Stuttgart])

    Nach dem zumindest vorläufigen Abschluß der Affäre, die eine Affäre nicht dieses Parlaments und nicht eine Affäre Bonn-Frankfurt, noch nicht einmal eine Affäre Bayernpartei ist, sondern ganz einfach eine Affäre Baumgartner,

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts)

    lassen Sie mich im Namen meiner Freunde zunächst einmal Dank sagen den Mitgliedern des Ausschusses,

    (Bravo-Rufe)

    die in ungezählten Arbeitsstunden dieses sehr unangenehme Geschäft der Untersuchung durchgeführt haben. Lassen Sie mich auch Dank sagen dem Großteil der deutschen Presse, die nach dem ersten Schock über die „Neuigkeit" sehr schnell den Wahrheitsgehalt Baumgartnerscher Gedächtnisprotokolle und das gewichtige parteipolitische Bedürfnis, das hier mitspielte, zu würdigen wußte.

    (Abg. Dr. Solleder: Sehr richtig!)

    Im ganzen gesehen hat sich die deutsche Presse bei allen Entgleisungen um die Ehre und das Ansehen dieses Hauses besorgter erwiesen als eine ganze Anzahl einer Mitglieder.

    (Zurufe: Sehr gut! Sehr richtig!)

    Dazu gehört bis in die letzten Tage etwa dies: daß ein Mitglied des Hauses den Bericht des Ausschusses, noch ehe er in Drucklegung gegangen ist, gerade dem Publikationsorgan zur Verfügung stellte, dessen Verhalten im Ausschuß ja auch gerichtet worden ist.

    (Lebhafte Rufe: Hört! Hört! — Zuruf: Unerhört! Wer was das?)

    Das zweite, was gesagt werden muß und was sehr deutlich gesagt werden muß: Worum handelt es sich denn bei der ganzen Geschichte? Hier ist von dem Führer einer Partei, dem zur Kräftigung und Festigung seiner Macht in der eigenen Partei und Fraktion und zur Ausschaltung seiner Gegner jedes Mittel recht war, mit dem Ansehen des Parlaments und mit unser aller Ehre in einer Weise Schindluder getrieben worden, die jedes Maß übersteigt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Weil Herr Baumgartner sich in seiner Macht bedroht fühlte, wurde ein Mann diffamiert, der in der Partei für die Partei so ziemlich das unangenehmste Geschäft besorgte! Weil Herr Baumgartner sich in seiner Macht bedroht fühlte, wurde das ganze Parlament verdächtigt! Herr Baumgartner wußte ganz genau, daß die Hauptstadtentscheidung nicht erkauft worden war. Das geht aus dem Protokoll und aus der Stellungnahme der einzelnen, die vernommen worden sind, eindeutig hervor. Darum ist festzustellen: Die zuerst aufgestellte Behauptung, diese Stimmen für Bonn seien gekauft worden, stützte sich —Herrgott, worauf stützte sie sich denn? - auf die Aussage des sehr ehrenwerten Herrn Kollegen Schmidt und darauf, daß Herr Loritz im Lokal darauf angesprochen worden ist, was die Geschichte denn koste, wenn seine Partei für Bonn stimme. Herr Loritz möge es uns nicht übelnehmen. Er hat uns hier auch schon erzählt, ,daß man in Stadelheim einen Mordversuch an ihm verübt habe.

    (Große Heiterkeit.)

    Ich habe den Mordversuch nicht geglaubt.

    (Abg. Loritz: Das ist ja gar nicht wahr! — Weitere Zurufe.)

    Meine Damen und Herren, ich will nicht mißverstanden sein. Ich räume ein, daß die Kollegen der Bayernpartei, die diesen Antrag hier eingebracht haben, ein ehrliches Bedürfnis nach Reinlichkeit hatten. Aber ich widerspreche der Meinung, daß das gleiche Bedürfnis den Herrn Parteivorsitzenden Baumgartner inspirierte.

    (Abg. Dr. Solleder: Sehr richtig!)

    Es ist schon ein komisches Reinlichkeitsbedürfnis, zunächst alle verfügbaren Wände mit Dreck zu besudeln und dann die zu beschimpfen, die sich bemühen, den Dreck mit der Zahnbürste wieder abzubürsten!

    (Sehr gut!)

    Es ist eine sehr scheinheilige Behauptung, man habe aus Reinlichkeitsbedürfnis eine Aktion in Gang gesetzt, die uns Tausende von Arbeitsstunden, Zehntausende von D-Mark Steuergeldern und ein Kapital an Vertrauen der Öffentlichkeit gekostet hat!

    (Sehr gut!)

    Welches wirkliche Bedürfnis maßgebend war, wurde im Bericht festgestellt. Es ist sehr schade, daß Herr Baumgartner die Stätte seines frühen Ruhms so schnell verlassen hat.

    (Zurufe.)

    Ich hätte ihm sonst, auch auf die Gefahr eines Ordnungsrufes hin, hier sagen müssen, daß er sich politisch, parteipolitisch und menschlich seinen Fraktionskollegen gegenüber schweinemäßig benommen hat.

    (Lebhafter Beifall. — Glocke des Präsidenten.)