Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Aufgabe, zu dem Umdruck Nr. 170 Stellung zu nehmen und ihn zu begründen. Der Antrag lautet:
Es hat seinen vorläufigen Sitz in Hamburg und unterhält Außenstellen in Berlin, Köln und München.
Wir haben eben die eindringlichen Ausführungen des Herrn Kollegen Tillmanns gehört. Wir stehen alle auf dem Standpunkt, daß wir uns sehr bemühen müssen, Berlin in jeder Weise zu unterstützen. Wir haben diesen Anträgen, die nach der Richtung gestellt worden sind, bisher auch immer wieder zugestimmt: Wenn hier einige unserer Kollegen sich erlauben, einen Antrag zu stellen, den Sitz dort zu belassen, wo er ist, dann soll das keine Beiseiteschiebung Berlins sein,
sondern es sind Gründe, die immerhin beachtlich sind. Wir sind ja auch duldsam genug, um die Gesichtspunkte eines anderen ebenso zu würdigen 'wie auch, wenn andere hier einen Vorschlag machen und einen Antrag stellen, den ebensogut anzuhören, zu erwägen und dazu Stellung zu nehmen.
Ich darf über die Gesichtspunkte, die für diesen Antrag maßgebend sind, folgendes anführen. Einmal sind es die erheblichen einmaligen und laufenden Mehrkosten.
Das Amt ist zur Zeit in Hamburg. Dort sind die Gebäude, dort wohnen die Beamten und Angestellten; es ist nicht notwendig, neue Gebäude zu errichten oder erheblich zerstörte Gebäude wie in Berlin wiederherzustellen. Wenn es sich darum handeln würde, eine neue Behörde irgendwohin zu errichten, dann läge der Fall anders. Hier aber müßten diese Angestellten mit Sack und Pack nach Berlin, müßten schauen, ob und wann sie dort eine Wohnung bekommen; es würde dadurch ihre Arbeitsfreudigkeit bestimmt nicht vermehrt.
Zu diesen einmaligen Kosten kommen die laufenden Kosten, die mit dem Weg von Berlin nach der westdeutschen Bundesrepublik verbunden sind. Diese laufenden Mehrkosten bestehen vor allem darin, daß die Prüfungsbeamten von Berlin laufend ihre Reisen nach dem Westen machen müßten, wo ja die Versicherungsunternehmungen untergebracht sind. In Berlin sind rund 2,7 % der Versicherten, und im übrigen Deutschland wohnen 97,5 % der Versicherten. Eine Behörde, die die Aufgabe hat, die Versicherungsunternehmen zu überwachen und für die Versicherten dazusein, gehört auch dorthin, wo die große Mehrzahl dieser Versicherten sich befindet. Wir muten außerdem der privaten Wirtschaft erhebliche Mehrkosten zu. Das Bundesaufsichtsamt hat die Aufgabe, den Schutz der Versicherten zu gewährleisten. Die privaten Versicherten, die Prämienzahler, haben ein Anrecht darauf, daß diese Aufgabe mit den geringsten Kosten durchgeführt wird. Alle Mehrkosten, die mit Berlin zusammenhängen, werden auf die Versicherten umgelegt und abgeladen. Wir haben hier schon einmal eine Auseinandersetzung darüber gehabt, wo man am meisten sparen könnte, in Frank-
furt oder in Bonn. Damals wurde nachdrücklich darauf hingewiesen, es sei eine Verschwendung ohnegleichen und es könne nicht verantwortet werden, den Bundestag nach Bonn zu verlegen. Andere waren anderer Auffassung. Aber eines steht hier fest: Wenn diese einmaligen und laufenden Mehrkosten durch den Sitz in Berlin den Prämienzahlern, der großen Masse der Versicherten zugemutet werden, dann gehen wir über unsere Befugnisse weit hinaus. Wenn es sich um Steuerzahler handeln würde, die da die Aufgabe haben, die Mehrkosten aufzubringen, wenn also diese Kosten allgemein umgelegt würden, könnte man das verstehen. Hier müssen die Versicherten Mehrkosten in Form von Prämien deshalb aufbringen, weil wir den Beschluß fassen: das Amt kommt nicht dorthin, wo es am billigsten verwaltet werden könnte und wo es schon besteht, nämlich nach Hamburg, sondern das Amt kommt nach Berlin, und ihr Versicherten—ihr habt einfach die Mehrkosten zu bezahlen! Wir haben als Abgeordnete wirklich keinen Grund, unseren guten Ruf in der Masse der Bevölkerung noch mehr zu verschlechtern, d. h. neue zusätzliche Leistungen zu verlangen, wo es nicht notwendig ist.
Und so, glaube ich, wird man sich bei vernünftiger Abwägung der Dinge doch sagen müssen: Es ist wohl zu überlegen, ob man diese Mehrkosten dein Amt selbst, den zahlreichen Versicherungsunternehmen, den Prämienzahlern und all diesen Stellen zumuten kann.
Dazu kommen an zweiter Stelle die Gefahren und Schwierigkeiten. Die ganzen Akten werden nach Berlin transportiert. Wir wissen, welche Gefahren heute mit jedem Transport über die Ostzone verbunden sind.
Wir wissen daneben auch, wie schwierig es heute für die Vertreter der Versicherungsunternehmen ist, über die Ostzone nach Berlin zu kommen. Entweder brauchen sie einen Interzonenpaß, der nicht so leicht zu haben ist, oder sie brauchen ein Flugzeug. Beides ist nicht unter allen Umständen gesichert. Die Versicherungsunternehmen haben aber eine so wichtige Aufgabe. Das Bundesaufsichtsamt ist eine für die Gesamtwirtschaft so bedeutsame Behörde, daß wir es kaum verantworten können, der Versicherungswirtschaft dieses Risiko zuzumuten.
Weiter ist es fraglich, ob die Funktionsfähigkeit dieses Bundesaufsichtsamts in Berlin gesichert ist. Ein Amt soll möglichst dort sein, wo die Menschen wohnen, die durch dieses Amt betreut werden sollen. Also gehört es, rein sachlich gesprochen, dahin, wo 97,5 °/o der Versicherten wohnen.
Wenn Sie ferner etwas Rücksicht nehmen wollen auf die Stellungnahme der Verbände der Versicherten wié die der Versicherungsunternehmen -- eine ganze Reihe, die alle der Auffassung sind, daß aus vielen Gründen das Versicherungsaufsichtsamt in der westdeutschen Bundesrepublik bleiben solle —, wenn Sie der Meinung sind, daß diese Versicherungsunternehmen und auch die Versicherten hier zu hören sind, dann darf man über diese berechtigten Forderungen nicht einfach hinweggehen.
Meine Frauen und Männer! Wenn der Sitz des Amtes in Hamburg bleibt und die bereits organisch
gewachsenen Nebenstellen in Berlin und München weiter bestehen bleiben, dann ist damit eine Regelung getroffen, die wohl alle Beteiligten zufrieden stellen kann.
Man erwartet in Berlin sehr viel mehr von diesem Bundesaufsichtsamt, als es sicherlich bieten kann und bieten wird. Glauben wir ja nicht, daß die Zentralverwaltungen der Versicherungsunternehmungen nun deshalb wieder nach Berlin wandern würden! Sie werden es nicht tun, in der Überzeugung, daß sie dort in zu hohem Maße gefährdet sind. Wir können es einfach nicht verantworten, dem deutschen Volke noch Lasten aufzubürden, die vermieden werden können. Wenn es sich darum handeln würde, eine neue Bundesbehörde zu schaffen, die nicht so engen Kontakt mit den Beteiligten haben müßte, dann könnte • man diese Verlegung nach Berlin verstehen.
Wer all diese Überlegungen überdenkt und das Beste des Bundesaufsichtsamts, der Versicherungsunternehmen und der Versicherten im Auge hat, der wird auch unseren Antrag verstehen und ihm zustimmen.