Rede von
Heinrich-Wilhelm
Ruhnke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei dieser Materie bekanntlich nicht um die Sozialversicherung, sondern um das vielfältige Versicherungswesen außerhalb der Sozialversicherung. Hierzu gehören einerseits die privaten Versicherungsgesellschaften, die hauptsächlich in der Unternehmungsform der Aktiengesellschaft oder des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit auftreten. Andererseits sind aber hier die öffentlichrechtlichen Versicherungsanstalten zu nennen, beispielsweise die Landesbrandkassen oder die Provinziallebensversicherungsanstalten.
Versicherung ist Hilfe, ja sie ist sogar soziale Gemeinschaftshilfe zur Abwehr einer drohenden Gefahr. Bei der gewaltigen Entwicklung dieses Versicherungswesens und der Bedeutung der bestehenden 'Gesellschaften als Kapitalsammelstellen ist es selbstverständliche Pflicht des Bundes, eine gesetzliche Grundlage zur Beaufsichtigung der Versicherungsgesellschaften zu schaffen. Nach der Weimarer, aber auch schon nach der vorhergehenden Bismarckschen Verfassung stand dem Reich die Gesetzgebung nicht nur für die Sozialversicherung, sondern auch für das gesamte übrige Versicherungswesen zu. Hinsichtlich der Sozialversicherung hat sich beim Bund nichts geändert. Dagegen verleiht das Grundgesetz nach Art. 74 Ziffer 11 dem Bund nur die Gesetzgebungskompetenz für privatrechtliche Versicherungen.
Obwohl das ehemalige Reich schon seit der Errichtung des Reichsaufsichtsamtes im Jahre 1901 die praktische wie auch die verfassungsrechtliche Möglichkeit hatte, die öffentlich-rechtlichen Versicherungsanstalten außerhalb der Sozialversicherung dem Reichsaufsichtsamt zu unterstellen, hat es dies zunächst nicht getan. Erst der nationalsozialistische Staat hat im Jahre 1,943 diese öffentlichrechtlichen Versicherungsanstalten unter die Reichsaufsicht gestellt, und zwar mit der Begründung einer vereinfachenden Kriegsmaßnahme.
Die Frage ist nun, ob eine Regelung entsprechend derjenigen aus dem Jahre 1943 heute im Bundesgebiet zulässig ist. Nach Auffassung der Bundesregierung läßt es die Kompetenz für privatrechtliches Versicherungswesen nicht zu, die öffentlich-rechtlichen Versicherungsinstitute in ein Bundesaufsichtsamt einzubeziehen. Demgegenüber weisen aber vor allem die Privatversicherer darauf hin, daß ein Teil der öffentlich-rechtlichen Versicherungsanstalten, nämlich die sogenannten Wettbewerbsanstalten, privatrechtliche Versicherungsverträge abschließen und daß daher diese öffentlichen Wettbewerbsanstalten dem Bundesaufsichtsamt unterstellt werden müßten.
Der Ausschuß für Geld und Kredit hat sich mit dieser Frage eingehend befaßt und ist dann mit Mehrheit zu dem Entschluß gekommen, eine zentralistische Versicherungsaufsicht abzulehnen. Er hat dann beschlossen, der Bundesaufsicht für das
Versicherungswesen erstens die privaten Versicherungsunternehmen zu unterstellen, die im Bundesgebiet ihren Sitz, eine Niederlassung oder eine Geschäftsstelle haben oder auf andere Weise das Versicherungsgeschäft betreiben.
Im Gesetz ist die Möglichkeit vorgesehen worden, daß der Bundesminister für Wirtschaft auf Antrag des Bundesaufsichtsamtes die Aufsicht über private Versicherungsunternehmen geringerer wirtschaftlicher Bedeutung auf die zuständige Landesbehörde überträgt. In diesem Falle ist die Zustimmung der betreffenden Landesregierung erforderlich. Eine Rückübertragung ist auf Antrag des Bundesaufsichtsamtes vorgesehen, wenn die betreffenden Unternehmen eine größere wirtschaftliche Bedeutung erlangen.
Zweitens hat der Ausschuß beschlossen, das private Bausparwesen — nicht das öffentliche — unter die Versicherungsaufsicht zu stellen. Dasselbe gilt drittens für die öffentlich-rechtlichen Wettbewerbs-Versicherungsunternehmen, die über den Bereich eines Landes hinaus tätig sind. Da sich aber durch die Grenzziehung im Jahre 1945 der Geschäftsbereich öffentlich-rechtlicher Versicherungsanstalten in einigen Fällen nicht mehr mit den Ländergrenzen deckt, ist im Gesetz eine Übergangsregelung für die Dauer von zwei Jahren vorgesehen worden. Gedacht ist insbesondere an die Verhältnisse in Bayern, aber auch in anderen Ländern der Bundesrepublik.
Das Gesetz bietet auch die Möglichkeit, daß auf Antrag der zuständigen Landesregierung die Fachaufsicht über diejenigen öffentlich-rechtlichen Wettbewerbs-Versicherungsunternehmen, deren Tätigkeit sich auf ein Land beschränkt, vom Bundesaufsichtsamt übernommen werden kann. Eine entsprechende Rückübertragung ist ebenfalls auf Antrag vorgesehen.
Ausgeschlossen von der Bundesaufsicht bleiben hiernach die sogenannten Monopolanstalten und die öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen, soweit sie nicht privatrechtliche Verträge abschließen. Das Gesetz ermöglicht jedoch auch die Einbeziehung dieser Versicherungsunternehmen, wenn die beteiligten Landesregierungen einen entsprechenden Antrag stellen. Auch hier kann eine Rückübertragung auf Antrag erfolgen.
Die ministerielle Zuständigkeit für das Versicherungsaufsichtsrecht lag bisher beim Bundesminister der Finanzen. Der Ausschuß für Geld und Kredit hat infolge seiner grundsätzlichen Einstellung, wonach für das Geld-, Kredit- und Versicherungswesen das Wirtschaftsressort federführend sein soll, in den Gesetzentwurf den Kompetenzübergang auf den Wirtschaftsminister eingearbeitet.
Das frühere Reichsaufsichtsamt stellte hinsichtlich seines Verfahrens eine Mischung zwischen Verwaltungsbehörde und Verwaltungsgericht dar. Diese Regelung läßt sich mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes nicht vereinbaren. Der für diese Sonderfrage eingesetzte Arbeitsstab des Ausschusses hat daher die Aufhebung der betreffenden Vorschriften des im übrigen als Bundesrecht fortgeltenden Aufsichtsgesetzes vorgeschlagen. Aufgabe der Bundesregierung wird es sein, durch Rechtsverordnung ein geeignetes neues Verfahren zu bestimmen. Demgemäß hat der Ausschuß den § 10 Abs. 2 dahingehend geändert, daß diese im Rahmen des früheren Reichsaufsichtsamtes durchgeführte besondere Verwaltungsgerichtsbarkeit beseitigt wird. Der
Ausschuß war der Ansicht, daß diese Frage schon in dem jetzt vorliegenden Gesetz geregelt werden soll und nicht bis zur Neuordnung der VAG, des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen, zurückgestellt werden kann.
Ich bitte namens des Ausschusses das Hohe Haus, dieses wichtige Gesetz in der vorgetragenen Form anzunehmen.