Rede von
Dr.
Michael
Horlacher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage der Europäischen Landwirtschaftsunion, die ich hier anschneide, ist für unsere gesamte Ernährungswirtschaft und für unser ganzes Volk von großer Bedeutung. Im Anschluß an den Schumanplan, im Anschluß an die Schwarze Union soll hier, der Versuch gemacht werden, eine Grüne Union ins Leben zu rufen.
— Ja, die Kohle ist schwarz, Herr Kollege Renner; daran ist nicht zu rütteln.
— Ich habe ja den Ausdruck deswegen so geprägt, damit ich mich in 'den Vergleichen leichter tue.
Der Unterschied zwischen der Schwarzen und der Grünen Union ist aber doch ein sehr bedeutsamer. Ich gehöre zu den vielleicht wenigen, die sich die Mühe gemacht haben, den Schumanplan im gesamten Wortlaut einmal durchzulesen. Das ist eine fürchterliche Angelegenheit.
Da sieht man, daß der Schumanplan ein Instrument ist, das in seinem inneren Aufbau noch sehr der Vervollständigung bedarf, die aber erst im Laufe der Zeit erfolgen kann. Er stellt ein sehr diffiziles Instrument dar. Es ist eine große Kunst, das Ziel zu erreichen, das man sich gesteckt hat. Es sind ja hier auch Übergangsstufen vorgesehen. Beim Schumanplan handelt es sich um verhältnismäßig wenige und zum Teil übergroße Betriebe von ausschlaggebender Bedeutung für die Kohle-und Eisenversorgung Europas. Infolgedessen ist die Zusammenfassung und Kontrolle der Betriebe hier nicht so schwierig wie auf anderen Gebieten, wie beispielsweise auf dem Gebiet der Landwirtschaft. Aber auch hier ist ein Zwischenstadium vorgesehen. Bei Betriebsstillegungen, bei der Aufmachung neuer Betriebe, bei Betriebsrationalisierungen usw. sollen Ausgleichsabgaben erhoben werden. Die Erhebung dieser Ausgleichsabgaben ist deswegen so leicht, weil es sich hier produktionsmengenmäßig gesehen um eine sehr große Union und betriebsmäßig gesehen um wenige Betriebe, die hier herangezogen werden sollen, handelt. Infolgedessen kann auch die Verteilung der Ausgleichsabgabe, wenn sie beschlossen wird, von der Hohen Behörde mit weniger Schwierigkeiten durchgeführt werden.
Ganz anders ist es auf dem Gebiet der Grünen Union. Wir haben diese Fragen auf der internationalen Agrartagung in Straßburg eingehend erörtert. Dabei waren sich die sämtlichen Vertreter der europäischen Länder darüber einig, daß es ein schwieriges Problem ist. Hierüber hat ja auch der Graf Coudenhove-Kalergi seinen Einleitungsvortrag gehalten. Wie alle Vorträge über europäische Angelegenheiten ist auch dieser Vortrag natürlich idealisiert gewesen; es war eine ideale Einführung. Ich bin gewiß auch für ideale Gedanken, bin bestimmt für eine Zusammenarbeit der Völker, insbesondere im europäischen Raum, bin durchaus für die Bildung einer Großraumwirtschaft, aber unter einer Bedingung: daß das Wohlergehen der europäischen Völker dadurch sichergestellt wird und daß hier nicht in Übereile Dinge gemacht werden, durch die das Gegenteil dessen herbeigeführt wird, was man sich gewünscht hat. In diesem Sinne haben sogar die Vertreter von Holland und Dänemark im vorigen Jahr in Straßburg gesagt: Nur nicht schematisieren! In der Landwirtschaft, beim Bauerntum ist der Schematismus vom Übel. Hier muß den individuellen Bedürfnissen Rechnung getragen werden, hier muß auf die historisch gewordenen Unterschiede Rücksicht genommen werden. Auch die Vielgestaltigkeit des europäischen Bauerntums muß gesehen werden, damit nicht falsche Eingriffe vorgenommen werden und mehr verdorben als gutgemacht wird.
Die Lage ist hier so: Im Zuge der europäischen Gedankengänge sind gewisse Vereinbarungen am ehesten dort möglich, wo eine Abhängigkeit der europäischen Staaten von Übersee besteht, d. h. auf den Gebieten, in denen wir zur Aufrechterhaltung unserer europäischen Versorgung und zur Ergänzung unserer Nahrungsmittel Zufuhren aus Übersee brauchen. Hier kommt naturgemäß die Versorgung mit Weizen und mit Futtermitteln in Frage. Darüber kann man reden, und hier kann ja dann auch eine Hohe Landwirtschaftsbehörde, von der man schon spricht, vielleicht im beschränkten Umfang eine Tätigkeit entfalten. Es muß dann die Verteilung auf den europäischen Raum erfolgen. Dabei muß auf die Gesichtspunkte der Versorgung Rücksicht genommen werden.
Nun komme ich auf die anderen Gebiete zu sprechen. Da ist die Lage schon schwieriger. Ich weiß heute noch nicht, wie es auf dem Gebiet der Kartoffelversorgung aussehen wird. Ob hier ein Ausgleich möglich ist, muß erst geprüft werden. Ich möchte dazu nicht abschließend Stellung nehmen.
Aber jetzt kommt eine Frage, die von entscheidender Bedeutung ist. Viele Hunderttausende kleiner und Kleinstlandwirte in den Westzonen leben von den Spezialkulturen. Das ist der empfindlichste Faktor, den wir. auf landwirtschaftlichem Gebiete haben. Ich sage zu meinen Freunden immer, sie sollen Obacht geben, daß uns hier nicht letzten Endes neben der allgemeinen Bauernbewegung eine sogenannte Klein- und Kleinstbauernbewegung entsteht, nämlich dort, wo die Spezialkulturen betrieben werden: Weinbau, Obstbau, Gemüsebau, Tabakbau. Das sind heute die Krisenpunkte der Landwirtschaft. Und diese großen Krisenpunkte der Landwirtschaft sind auch in einer Europäischen Landwirtschaftsunion die empfindlichsten Punkte.
Hierüber kann nicht von heute auf morgen hinwegdisponiert werden. Hier gibt es Hunderttausende von Menschen, die auf kleinster Fläche mit ihren Familienangehörigen die Intensivkulturen betreiben, die ich hier genannt habe. Hier
muß entsprechende Vorsorge getroffen werden. Daß die Franzosen naturgemäß gleich Weizen und ihren Wein in den Vordergrund schieben, hat mich etwas nachdenklich gestimmt. So einfach geht die Sache nicht.
Selbst mein ehemaliger Lehrer Lujo Brentano, der große Freihändler aller Zeiten, bei dem ich einmal in die Schule gegangen bin, ohne daß ich seine Ideen angenommen habe, — —
— Ja, ich verehre ihn heute noch; bei dem habe ich etwas Gescheites gelernt. Das war ein tüchtiger Lehrer. Es kommt auf die Grundsätze, auf die Theorien und auf das Wissen an, ,das man dadurch bekommt.
— Und auf die Schüler! Er hat mich immer „gut" genannt; ich war bei ihm immer gut angeschrieben, obwohl wir uns im Leben in den Auffassungen getrennt haben. Sogar er hat gesagt: Ein Freihandel
— und das ist ja nichts anderes als die Europaunion, Freizügigkeit des Verkehrs im europäischen Großraum — ist nicht von heute auf morgen möglich. Dazu braucht man mindestens ein Übergangsstadium. Deswegen müssen die Verhältnisse sehr gründlich geprüft werden. Ein Gebiet gäbe es. Erschrecken Sie nicht! Das ist vielleicht eine Spezialidee von mir: Die habe ich mir schon ausgekocht; denn ich will ja an den Dingen praktisch mitarbeiten. Das ist die Frage der Milch- und Fettversorgung im europäischen Großraum. Wenn wir hier zu einer europäischen Vereinbarung kommen würden und wenn der Absatz der große Mengen von Butter und Käse erzeugenden Gebiete im europäischen Großraum gesichert und das Übergewicht der überseeischen Margarinerohstoffe zurückgedrängt würde, dann wäre das eine praktische Hilfe für das deutsche Bauerntum.
Aber das ist eine Frage, die genauester Prüfung bedarf. Hier müssen die Konkurrenzverhältnisse aufeinander abgestellt werden. Das wäre eine Frage, deren Prüfung des Schweißes der Edlen wert wäre. Vielleicht können wir die Aufgabe der Fettversorgung aus eigener Kraft im europäischen Raum besser lösen, als wir sie durch die einzelnen Parlamente der einzelnen Länder lösen könnten. Diese Frage bedarf ernster Prüfung.
Wir haben auch auf der internationalen europäischen Agrarkonferenz in Straßburg gesagt: Zunächst müssen die notwendigen Erhebungen her. Da habe ich nun eine Zeitung vor mir liegen, die ist großartig: die „Rhein-Zeitung" - Herr Minister, ich weiß nicht, ob Sie sie kennen —, „unabhängige westdeutsche Landeszeitung". Sie hat meinen Anträgen eine Randnote gewidmet und hat gesagt, ich solle solche Anträge gar nicht stellen, sondern ich solle das Material auf dem Wege über die Bauernverbände selber herbringen. Ja, was die für Vorstellungen vom Ministerium hat, das weiß ich nicht. Denn wenn das hier keine Lebensfragen sind, die von dem zuständigen Bundesministerium zu prüfen sind, welche Lebensfragen sollte es dann noch geben?
Es ist doch eine Aufgabe der agrarpolitischen Abteilung des Ministeriums, dieses Material herzuschaffen. Wenn wir das Material herbeischaffen, heißt es: Es ist ein einseitiges Material, vom Interessentenstandpunkt aus gesehen. Deswegen ist es
die Aufgabe des Ministeriums, sich diesen Sachen zu widmen und das Material herzubringen.
Ich bin der Regierung dankbar, daß sie jetzt das Material über die Subventionierung der ausländischen Landwirtschaften wenigstens teilweise hergebracht hat. Das ist hochinteressant. Seit 1945 sind Veränderungen in der Produktionsweise und im Stande der Produktion in den europäischen Wirtschaften eingetreten. Große Veränderungen bereiten sich in Frankreich vor. Frankreich kommt in kurzer Zeit dahin, daß es von einem Agrareinfuhrland zu einem Agrarausfuhrland wird. Auch sonst hat sich eine starke Steigerung der europäischen Produktion vollzogen, besonders in England, weil dort der Staat das Bauerntum — nicht allein die Verbraucherschaft — stark subventioniert hat. Ich bitte Sie, das einmal nachzulesen. Das ist sehr interessant. Wir werden für weitere Publizierung Sorge tragen müssen.
Jetzt ist es die Aufgabe, daß wir uns nicht von
den Gedankengängen der europäischen Landwirtschaftsunion überraschen lassen. Da sage ich Ihnen
etwas: Gewiß, die hohen Herren, die in den hochgeistigen Strömungen der Politik tätig sind, möge
der Herrgott von mir aus beschützen, und er möge
ihren Verstand vermehren! Aber ihr Verstand
reicht doch nicht so weit, daß sie auf den verschiedenen Gebieten sachverständig genug sind, um
zu den einzelnen wichtigen Sachproblemen Stellung zu nehmen. Deswegen ist meine erste Forderung, daß bei Vorbereitung einer solchen Union
die landwirtschaftlichen Sachverständigen eingeschaltet werden und daß nicht ,die allgemeinen
Wald-und-Wiesen-Politiker letzten Endes über das
Schicksal der einzelnen Berufsstände entscheiden.
Dagegen wende ich mich mit aller Schärfe. Die schauen einen sowieso an, wenn man z. B. für die Interessen des Bauerntums eintritt. Da hat man so einen üblen Geschmack bei denen! Ich fühle mich genau so gescheit und genau so intelligent wie diese hohen Herren auf dem Gebiet, das ich besonders zu pflegen habe.
— Ach, das ist ja dummes Geschwätz. Wenn der Vogel Strauß nur seinen Kopf darein stecken würde, wo es notwendig ist, und keine Zwischenrufe machen würde!
Die Geschichte ist praktisch so, daß hier die notwendigen Sachverständigen-Gutachten hermüssen. Da habe ich die Bitte an die Regierung — das steht in meinem Antrag drin —, eine enge Zusammenarbeit mit dem Verband der Europäischen Landwirtschaft herzustellen. Denn hier haben wir die Gremien und die einzelnen Organe, die sich schon gebildet haben. Wir werden uns auch im Herbst auf der Tagung in Venedig wieder mit der Frage beschäftigen.
Es sind dann — das habe ich auch in meinem Antrage drin und habe es dort ausgesprochen — die Materialien herbeizubringen, und zwar nach verschiedenen Richtungen: erstens Anbau- und Produktionsstatistik, zweitens die Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion in den letzten Jahren — ich weise auf die Gesichtspunkte hin, die ich hier schon angeführt habe —, drittens die Ein- und Ausfuhrverhältnisse bei den landwirtschaftlichen Erzeugnissen der einzelnen Länder. Wir müssen hier eine genaue Bilanz haben: Wie steht
es mit den Zufuhren, und wie steht es mit den Ausfuhren? Viertens brauchen wir eine Übersicht über die Zufuhren landwirtschaftlicher und ernährungswirtschaftlicher Erzeugnisse der überseeischen Länder, fünftens eine Übersicht über die steuerlichen und sonstigen Belastungen in der europäischen Landwirtschaft — das ist natürlich auch eine Frage, die von außerordentlicher Bedeutung ist —, und sechstens müssen hier die Verhältnisse so geregelt werden, daß besondere Sachverständigengremien der Landwirtschaft eingesetzt werden.
Das sind die Kernprobleme, die ich hier einstweilen angeschnitten habe. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß wir den Antrag — wenn Sie sich ihn einmal ansehen, Herr Bundesminister — gleich so annehmen können, wie er ist. Wir werden uns sowieso in den zuständigen Ausschüssen später mit der Frage noch beschäftigen müssen. Wir müssen einstweilen Vorsorge treffen, damit sich die Regierung für die Verhältnisse rüstet, die kommen können. Wir müssen möglichst bald das notwendige Material bekommen, damit wir an die Beratung dieser Dinge - wenn es notwendig ist — unter entsprechenden Voraussetzungen herangehen können und dann ein Ziel erreichen. Dieses Ziel muß uns vorschweben. Ich bin nicht grundsätzlich gegen eine europäische Landwirtschaftsunion, aber sie muß gut fundiert und gut vorbereitet sein. Sie kann nicht von heute auf morgen kommen; sie muß auf die Spezialkulturen der Landwirtschaft Rücksicht nehmen. Ein Ziel wollen wir gemeinsam mit den europäischen Völkern erreichen, das ist das Wohlergehen des europäischen Bauernstandes. Das Wohlergehen des europäischen Bauernstandes ist mit eine der sichersten Grundlagen zur Erhaltung unserer Existenz im Westen, zur Aufrechterhaltung eines freien und von den anderen unabhängigen Europas. Deshalb liegt mir so viel daran, daß eine sachkundige Hand die Dinge vorbereitet, damit wir die Verhältnisse vernünftig in der Hand behalten können.