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ID0114402000

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    Deutscher Bundestag — 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. Mai 1951 5663 144. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. Mai 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 5664A, 5705A Änderungen der Tagesordnung . . 5664A, 5706B Eintritt des Abg. Dr. Niklas in den Bundestag 5664B Anfrage Nr. 85 der Zentrumsfraktion betr Überprüfung der Subventionen an die Margarineindustrie (Nrn. 2196 und 2279 der Drucksachen) 5664B Anfrage Nr. 89 der Fraktion der FDP betr Umsatzsteuersatz für Tabakgroßhandel (Nrn. 2243 und 2280 der Drucksachen) . . 5664B Beschlußfassung des Bundesrats zum Gesetz zur Vermeidung von Härten in der knappschaftlichen Rentenversicherung bei längerer bergmännischer Tätigkeit . . . 5664B Entgegennahme und Besprechung einer Erklärung der Bundesregierung (Saarfrage) in Verbindung mit der Beratung der Interpellation der Abg. Strauß, Dr. Mende, Dr. Hamacher u. Gen. betr. Saarfrage (Nr. 2115 der Drucksachen) und mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Regelung der Saarfrage (Nr. 2114 der Drucksachen) 5664C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 5664C Strauß (CSU), Interpellant 5672A Dr. Schmid (Tübingen) (SPD), Antragsteller 5677D Dr. Wuermeling (CDU) 5686D Dr. Seelos (BP) 5688D Mayer (Stuttgart) (FDP) 5689D Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) . 5692C Loritz (WAV) 5693D Ewers (DP) 5694D Dr. Ott (BHE-DG) 5696B Goetzendorff (DRP-Hosp.) 5698A von Thadden (DRP) 5696B Niebergall (KPD) 5698D Dr. Hamacher (Z) 5701C zur Geschäftsordnung: Mellies (SPD) 5702C Unterbrechung der Sitzung . . 5702D zur Abstimmung: Ollenhauer 1 (SPD) 5702D Dr. von Merkatz (DP) 5703A Renner (KPD) 5703B Frau Wessel (Z) 5704B von Thadden (DRP) 5704C Abstimmungen 5704D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. die Aufhebung von Kriegsvorschriften (Nr. 2093 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses, für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 2236 [neu] der Drucksachen) 5705B Dr. Wahl (CDU), Berichterstatter . 5705B Abstimmungen 5706A Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (Nr 2233 der Drucksachen) 5706B Ausschußüberweisung 5706B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verteilung des im Geschäftsjahr 1950 erzielten Reingewinns der Bank deutscher Länder (Nr. 2244 der Druck- sachen) 5706C Scharnberg (CDU) 5706C Ausschußüberweisung 5706C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und Z eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Facharztordnung für die deutschen Ärzte an die Fortschritte der medizinischen Wissenschaft und Praxis (Nr. 2255 der Drucksachen) 5706D Ausschußüberweisung 5706D Antrag des Bundesministers der Finanzen vom 4. Mai 1951 auf Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung eines bundeseigenen Grundstücks gemäß § 47 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung (Nr 2246 der Drucksachen) 5706D Ausschußüberweisung 5706D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene (22. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Wahrung der Interessen der aus dem westlichen Ausland ausgewiesenen Deutschen (Nrn. 2227, 1826 der Drucksachen) 5706D Beratung vertagt Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 184) 5707A Beschlußfassung 5707C Beratung der Übersicht Nr. 28 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 165) 5707C Beschlußfassung 5707C Nächste Sitzung 5707C Schröter (CDU) 5706B Die -Sitzung wird um 14 Uhr 5 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Hans Ewers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was die Frage der Saar selber anlangt, so haben wir eine sehr ähnliche und fast genau so wie heute durch allzulange Reden etwas entwertete Debatte hier im Hause am 10. März 1950 gehabt. Damals wie heute, darf ich feststellen, herrschte bei der Opposition von links und rechts und bei den Regierungsparteien Einmütigkeit darüber, daß erstens rechtlich alles, was an der Saar geschieht, von Frankreich befohlen, geduldet oder herbeigeführt, für uns und die übrigen Völker nicht existent sein kann und daß wir zweitens das Unrecht, das unseren Landsleuten, diesen 900 000 Saarländern, geschieht, beklagen. Daß wir andererseits als Nachbarn Frankreichs sehr wohl einmütig anerkennen, daß Frankreich mit Rücksicht auf die Saarkohle und seine lothringischen Erze stärkste wirtschaftliche Interessen im Saargebiet und in den angrenzenden Gebieten zu vertreten und für sich selbst wahrzunehmen hat, darüber herrscht Einigkeit. Über die außerordentlich beklagenswerten Einzelumstände an der Saar ist heute sehr eingehend gesprochen worden. Dazu - ven mir aus kein weiteres Wort.
    Was die Sache so ungemein ernst, ich möchte sagen, tragisch macht, das hat mein Vorredner, Herr Loritz, angedeutet. Seinen Kursus darüber, wie sich ein Außenminister im Ausland nach seiner Meinung benehmen muß, wird sich der Herr Bundeskanzler zu eigen machen, und er wird ihm ein gelehriger Schüler sein. Ich glaube allerdings, daß Belehrungen in dieser Beziehung nicht gerade nötig sind; aber sie schaden auch nichts, und man nimmt sie zur Kenntnis.
    Herr Loritz hat aber insofern recht, als er sagt, daß wir hier im Bundestag, zumindest zum Teil und jedenfalls wir auf den Regierungsbänken durch das, was mit dem Schuman-Brief vom 9. Mai 1951 im Saarland angerichtet worden ist, überrascht,


    (Ewers)

    alle aber ausnahmslos geradezu empört sind. Dieser Umstand ist in der Debatte mit Rücksicht auf die Regierungserklärung nicht sehr hervorgetreten. Auch ich will ihn nicht sehr breit behandeln. Ich halte dieses Überraschungsmoment aber für das Entscheidende, worüber heute gesprochen werden muß, was in den Ausführungen meines Vorredners, des Herrn Kollegen Mayer von der FDP, auch durchklang.
    Wie liegen insofern die Dinge? Als wir uns am 10. März 1950 hier über die Saarkonventionen an Hand einer außerordentlich einprägsamen und nachlesenswerten Regierungserklärung unseres Herrn Bundeskanzlers unterhielten, da hatten wir alle das Gefühl, daß durch derartige Dinge bei uns in Deutschland in den Kreisen rechtsradikaler Agitatoren größtes Unheil angerichtet werden könnte; denn selbstverständlich wird sich einem französischen Nationalismus wiederum ein deutscher entgegenstellen, und damit kommen wir dann wieder etwa auf den Standpunkt des Jahres 1900 zurück, als hätten Frankreich und Deutschland ein halbes Jahrhundert nichts erlebt. In jener Debatte am 10. März 1950 hat mein Parteifreund Dr. von Campe erklärt, daß man sich durch solche peinlichen Unrechte, wie sie an der Saar begangen würden, nicht von der klaren Konzeption abbringen lassen dürfe, daß man vielmehr, indem man auf wirtschaftlichem Gebiet in Europa durch Verträge Ordnung schaffe, derartige vollkommen aus der Zeit gefallene imperialistische Regungen zurückdämmen solle und könne. Dann fiel, von uns allen freudigst begrüßt, in diese abwartende Atmosphäre hinein von Frankreich aus die unter dem Namen Schumanplan inzwischen weithin populär gewordene Anregung, bei der Montanindustrie wirtschaftlichpraktisch mit dem Aufbau Europas zu beginnen.
    Unabhängig davon, was man vom Schumanplan im einzelnen halten mag, möchte ich hier nur zweierlei betonen: Einmal ist daran das völlig Neue, daß hier zum erstenmal auf einem für die Wirtschaft der verbundenen Nationen wichtigsten Teilgebiet eine europäische Souveränität geschaffen wird, daß zum erstenmal in der Weltgeschichte überhaupt selbständige Staaten zu einem Überstaat zusammentreten. Zweitens ist dadurch, daß man sich ausgerechnet bei der Bewirtschaftung der Grundstoffe Kohle, Eisen und Erz zu einer Souveränitätsaufgabe veranlaßt sah, endgültig ausgeschlossen, daß zwischen diesen verbundenen Staaten jemals wieder ein Krieg geführt werden kann. So ist es nach Annahme dieses Planes angesichts der Natur der modernen technischen Kriege vollkommen unmöglich, daß Frankreich und Deutschland jemals wieder auf verschiedenen Seiten in einen Krieg eintreten können. Diese beiden Umstände — der erste praktische Schritt zu einem überstaatlichen Gebilde und die nicht durch irgendwelche „Nichtangriffspakte", nicht allein mit Worten erklärte, sondern durch die Tat, durch die Satzung, durch die Schaffung neuer Gewalten herbeigeführte Unmöglichkeit der Kriegführung zwischen zwei Nationen, die jetzt seit genau 300 Jahren fast nichts anderes getan haben, als gegeneinander Krieg zu führen — bilden das unglaubwürdig Neue und das, was — so meine ich — auch bei den Herren der SPD hier im Hause einige Hoffnung und einige Begeisterung hervorrufen könnte. Diese Dinge werden durch einen Vertrag eingeleitet, dessen Präambel mein Vorredner Herr Dr. Seelos mit gerührten Worten schon als geradezu „begeisternd" bezeichnet hat. Es ist in dieser Präambel davon die Rede, daß „schöpferische Anstrengungen für den
    Weltfrieden" gemacht werden, daß „ein Beitrag für ein organisiertes und lebendiges Europa und zur Aufrechterhaltung friedlicher Beziehungen" geleistet werde und daß die Entschlossenheit betätigt werde, „an Stelle jahrhundertealter Rivalitäten den Zusammenschluß der wesentlichsten Interessen" und sonstiger Gemeinsamkeiten zu fördern. Alles das ist wunderschön und aller Ehren wert.
    Nur haben wir als das besiegte Volk, das immer noch, wenn auch abgeschwächt, unter dem Besatzungsrecht leidet — ich muß es sagen: leidet! —, von unseren Besatzungsmächten je und je in den letzten sechs Jahren -- immer mehr abgeschwächt, aber immer wieder neu — einige Nadelstiche empfangen, die uns allzu hochmögende Erklärungen etwas skeptisch ansehen lassen. Wir haben dergleichen aber noch niemals in einem Vertrage als eine verbindliche Rechtssatzung niedergelegt gesehen; denn wir können ja erst seit jüngsten Daten überhaupt Verträge schließen, nachdem wir außenpolitisch wieder selbständig geworden sind. Und nun. muß es uns passieren, daß unmittelbar nach der Unterzeichnung, man kann fast sagen: am Tage darauf im Saargebiet, dieser Achillesferse unserer französischen Beziehungen, etwas geschieht, was uns vor unheimliche Fragen stellt, nämlich besonders vor die Frage: Welchem Frankreich stehen wir gegenüber? Dem, das diesen Vertrag unterzeichnete und sich zu so hohen menschlichen Taten bereit erklärt hat, oder demjenigen, das sich, als hätten wir kein halbes Jahrhundert erlebt, mit Grenzverschiebungen, durch Eroberung wertvoller Gebiete selbst schadlos halten will und vor dem mit größtem Mißtrauen gesehenen Nachbarn schützen zu müssen glaubt. Das eine ist der Imperialismus des 19. Jahrhunderts, das andere ist der zukunftsfrohe Glaube einer modernen europäischen Nation. Man kann nicht beides gleichzeitig vertreten wollen. Eines von beiden ist geheuchelt; und wir Deutschen haben uns zu fragen: was ist geheuchelt? Diese Frage werden wir heute hier nicht beantworten. Ich möchte aber auf eine Frage eingehen, die Herr Dr. Carlo Schmid schon anschnitt.
    Der Herr Bundeskanzler hat erklärt, daß er „mit tunlichster Beschleunigung" die Vorlage über den Schumanplan einbringen werde. „Tunlichster" — der Superlativ bedeutet doch wohl „größtmöglicher". „Tunlicher" hieße „unter Abwägung alles Für und Wider so schnell wie möglich". Ich hätte gewollt, es hieße — gramatisch richtiger — „tunlicher Beschleunigung". — Er hat nun aber weiter erklärt, daß dann, wenn das geschähe, hier im Saale, wie er befürchten müsse, politische Meinungsverschiedenheiten entstehen könnten, von denen heute nicht die Rede sein solle, und daß — nun kommt es — es sich „bis dahin" zeigen werde, ob der bestehende Konflikt an der Saar bereinigt werden könne. Daraus hat Herr Dr. Carlo Schmid die Möglichkeit abgeleitet, daß man also mit der Einbringung der Vorlage warten würde, bis sich an der Saar irgend etwas —hoffentlich auch äußerlich, nicht nur erklärungsmäßig — gegenüber dem heutigen Zustand geändert habe. Der Herr Bundeskanzler aber hat diese Frage verneint
    Ich möchte demgegenüber folgendes zum Ausdruck bringen. Der Schumanplan, dessen Grundtendenz ich gefeiert habe, enthält in seinen Einzelheiten eine solche Fülle von Bestimmungen, daß nur der Jurist — wie ich etwa — die juristischen, der Wirtschaftler die wirtschaftlichen, der Kohleexperte die Kohlebestimmungen, der Erzfachmann die Erzbestimmungen usw. in jeder Beziehung übersehen kann. Er ist ein Gesamtwerk, aus einer Fülle sachlicher Beratungen entstanden, dessen


    (Ewers)

    letzte Qualität ein Einzelner kaum beurteilen kann. In den Schumanplan sind sehr viele institutionelle Garantien eingebaut, damit dieser oder jener Staat nicht an die Wand gedrückt werde, so daß man hoffen kann, dieser Plan werde technisch funktionieren. Es sind aber auch so viele Bestimmungen drin, die dem Laien schildern, wie außerordentlich schwierig und kompliziert die Übergangszeit ist, daß man sieht: auch die Verfasser haben die Sorge, ob die Überleitung der Einzelwirtschaften in den großen europäischen Markt auch überall reibungslos verlaufen werde. Er ist also jedenfalls alles in allem ein Wagnis, und zwar ein wunderschönes, kühnes, fortschrittliches Wagnis. Wie es funktioniert,, wissen wir aber nicht.
    Ich halte nun gar nicht viel von „institutionellen Garantien". Wir haben ja bekanntlich als solche z. B. im Dritten Reich die Sondergerichte gehabt, um eine „Rechtsprechung" zu garantieren. Ich kann Ihnen nur sagen: Das war eine äußerliche Garantie; innerlich wurde nicht Recht gesprochen. Deswegen sind auch hohe Gerichte, die eingesetzt werden, nur dann eine Garantie, wenn man den Geist kennt, aus dem sie urteilen werden. Wenn wir zu den Partnern unseres Vertrages nicht das volle, mit aller Nüchternheit abgewogene Vertrauen haben können und wissen, daß der Geist des Vertrages der gleiche ist, den wir wollen, nämlich die unter Opfern vollzogene Einreihung in eine größere europäische Gemeinschaft, wenn wir uns dessen nicht sicher sind, so ist es — ich sage das offen — unmöglich, das Risiko eines solchen Vertrages zu laufen. Denn es hängt ja nicht von den Paragraphen, es hängt von dem Geist ab, mit dem dieser neuartige, schöne Vertrag durchgeführtwird, ob er funktioniert und ob er unseren Kindern und Enkeln zum Segen wird. Andernfalls laden wir unter Umständen einen Fluch auf uns, den wir vor niemandem verantworten können. In diesem Sinne ist es — mit Herrn Loritz gesprochen — so tieftraurig und tragisch, daß uns das jetzt passieren muß und daß unsere Skepsis gegenüber dem Vertragspartner des Herrn Bundeskanzlers so erheblich zugenommen hat. Ich hoffe sehr, daß es seiner hohen Kunst, seinem europäischen Willen und seinem deutschen Herzen gelingen möge, diese Schwierigkeiten zu beheben, so daß wir mit voller Zuversicht und mit voller innerer Überzeugung etwas Segensreiches schaffen und dem Werke des Schumannlans, wenn es uns vorliegt, werden zustimmen können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ott.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Ott


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (Plos)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden die Saarfrage, Herr Bundeskanzler, nie zu einer Parteifrage machen. Wenn sich unser Blick zum Saarland wendet, dann geschieht es aus Sorge, Verantwortung, nationaler und christlicher Verbundenheit. Allein daß es heute nochmals oder, besser gesagt, schon wieder zu einer Saardebatte kommen mußte, beweist die Stichhaltigkeit meiner Worte zur Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers am 27. September 1949, mit denen ich seine Stellungnahme zum Radikalismus und Nationalismus widerlegte.
    Für uns Sudetendeutsche ist die für ganz Europa tragische Entwicklung im Saargebiet kein Novum, nichts Neues; denn wir haben die nationalistische Patronatsherrschaft Frankreichs am eigenen Volkskörper verspürt. Als ich vor einem Jahr eine Vertretung aus dem Saarland anhören konnte, da vermochte ich festzustellen, daß die heutigen Zustände an der Saar ein lebendiges Ebenbild von unseren Verhältnissen im Sudetenland von anno dazumal sind. Zunächst fängt man mit der Wirtschaft an. Man knobelt sie aus, bringt fremdländische Ingenieure heran, die allmählich Besitzer der Unternehmungen werden, indem man den Eigenbesitz vernichtet. Die eigenständigen Arbeiter werden Sklaven dieser Eindringlinge, wobei man vorher durch eine künstliche Arbeitslosigkeit die Arbeiterschaft gefügig macht, die dann, um nur überhaupt noch leben zu können, ihre Arbeitskraft für einen Spottpreis zur Verfügung stellt. Noch viel brutaler geht man mit dem Kreis der Personen um, die durch ein Beamten- oder Angestelltenverhältnis vom Staate abhängig sind. Diese Beamten oder Angestellten müssen unter der Oberaufsicht dieser Patronatsherren ihre Dienste leisten und werden, wenn sie nicht den Wünschen ihrer nationalistischen Vorgesetzten entsprechen, als unbrauchbar entlassen. Diese Eindringlinge ziehen ihre Familien nach. Das nehmen wir ihnen nicht übel. Aber dann werden für ganz wenige Kinder in rein deutschen Gemeinden Schulen für diese fremdländischen Kinder gebaut. Man fängt an, die abhängigen Menschen dazu zu bewegen, auch ihre deutschen Kinder in diese Schulen zu schicken. So wird auch die Intelligenz nach und nach brotlos und damit gefügig gemacht, und so erreicht man langsam aber sicher die Entnationalisierung der angestammten Bevölkerung. Den charakterfesten Teil der bodenständigen Bevölkerung macht man mundtot; denn jedes selbstverständliche Sichwehren gegen diese teuflische Entmenschlichung wird als nationalistisch und staatsfeindlich hingestellt.
    Frankreich hatte nach 1918 das Patronat über das krankhafte mitteleuropäische Lügengebilde Tschechoslowakei übernommen und duldete die Vertschechisierungspolitik an 3 1/2 Millionen Deutschen von seiten dieser hussitischen, nationalistischen Tschechen. Genau dasselbe machen heute die Franzosen an der Saar, nur mit dem Unterschied, daß sie sich diesmal nicht der Benesch-Leute, sondern der Hoffmann' schen Verräter an der Saar bedienen. Der Geist Richelieus ist heute in Frankreich lebendiger denn je, so wie heute der Hussitismus in den slawischen Ländern eine neuerliche Blütezeit erlebt.
    Auch die Vorgänge an der Saar sind ein Beweis dafür, daß noch nie in der Geschichte die Lüge, die Demagogie, die Begriffsentwertung derartige Triumphe gefeiert hat wie heute im modernen Zeitalter der Sklaverei. Der todbringende krasse Materialismus im Denken und Handeln des einzelnen Menschen und ganzer Völker und Nationen ist der Motor dieser Zeiterscheinung. Aus diesem grundsatzlosen, vermaterialisierten Zeitgeist heraus ist allein auch das nationalistische, brutale Verhalten Frankreichs im Saarland zu erklären. Dieses Verhalten Frankreichs in der Saarfrage macht es, gelinde gesagt, schwer, noch an Worte der Verantwortlichen dieses Staates zu glauben, wenn sie von Demokratie, von Freiheit sprechen. Kein Geringerer als Bundeskanzler Dr. Adenauer selbst sagte in seiner Rede am 10. März 1950 hier in diesem Hohen Hause, daß im Saargebiet weder Freiheit noch Demokratie herrsche.
    Wenn sich auch Frankreich nicht an den Abkommen von Potsdam und Jalta beteiligte — Schanddiktate, die wir Deutsche immer verfluchen werden —, so macht Frankreich durch sein Verhalten im Saarland gegenüber Deutschland doch praktisch das gleiche, was die Mächte von Potsdam und Jalta


    (Dr. Ott)

    an Deutschland und damit an Europa verbrochen haben. Sowenig wie wir nur auf einen Quadratmeter ehemals deutschen Bodens im Osten und Südosten verzichten und niemals eine Oder-NeißeLinie als Friedensgrenze Ostdeutschlands anerkennen oder auf unser Sudetenland verzichten werden, so wenig werden wir unsere Brüder und Schwestern im deutschen Saarland abschreiben lassen.
    Wir zweifeln keine Sekunde daran, daß unser Herr Bundeskanzler nicht alles getan hat, was in seiner hohen Stellung menschenmöglich war; denn seine Worte in der 46. Sitzung am 10. März 1950 und seine heutigen Ausführungen zur Saarfrage geben ein beredtes Zeugnis von seinem idealen Wollen, im Interesse unseres ganzen Kontinents eine aufrichtige Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland herbeizuführen, ohne daß auch nur ein Land etwas von seinen berechtigten Interessen aufzugeben hätte. Das deutsche Saarland gehört aber nun einmal volkspolitisch, wirtschaftlich, geographisch und geschichtlich zu Deutschland.
    Man soll Wunden nicht aufreißen, sondern heilen. Wunden kann man aber nur heilen, indem man wiedergutmacht, was man auch an Deutschland verbrochen hat. Ich weiß nur zu gut, daß man unsere schönen deutschen Wälder, die auch die Herren Franzosen abgeholzt haben, nicht von heute auf morgen wiederaufforsten und in ihrer ursprünglichen Größe und Schönheit wiedererstehen lassen kann. Ich will schweigen von den unmenschlichen Behandlungen und Grausamkeiten, die unseren deutschen Soldaten widerfuhren. Ich möchte nicht näher darauf eingehen, was in Kriegsgefangenenlagern und an politischen Gefangenen bis in die jüngste Zeit von seiten der Franzosen geschehen ist. Aber unverständlich und unverzeihlich ist es, was jetzt an der Saar geschieht, während man von einem Vereinigten Europa, von einem Schumanplan spricht.
    Man rede nicht von einer bolschewistischen Gefahr, wenn man es genau so schlecht macht wie die, die man fürchtet. Die Furcht Frankreichs vor Deutschland ist nichts anderes als das schlechte Gewissen, das Frankreich auf Grund seines nationalistischen, unrechten Handelns in Vergangenheit und Gegenwart hat.

    (Zuruf des Abg. Renner.)

    Frankreichs Vorgehen an der Saar macht einen Schumanplan unmöglich und bereitet dadurch in dem noch freien Westeuropa dem Bolschewismus das Bett.

    (Pfui-Rufe und weitere Zurufe von der KPD.)

    Man macht es sich sehr billig, indem man jeden, der sich gegen Maßnahmen wehrt, wie sie im Saarland praktiziert werden, als Nationalisten roter oder brauner Prägung beschimpft und sein Auftreten in der Öffentlichkeit verbietet. Man unterschätzt das deutsche Volk, wenn man glaubt, daß es sich noch mit einem engstirnigen nationalistischen Gedankengut befassen und sich gar davon begeistern lassen würde. Unser Volk weiß, daß sich der reine Nationalstaatgedanke überlebt hat. Die ungeheure Entwicklung von Technik und Wissenschaft hat die Entfernungen auf unserem Globus zusammenschrumpfen lassen. Man weiß, daß alle kleinen Staaten Europas aus ihrer Isolation heraus müssen, um weiterhin lebenstüchtig bleiben zu können. Wenngleich diese Auswirkungen sich zunächst auf die Wirtschaft bezogen und auf- diesem Sektor den Wandel von Volkswirtschaft zur Weltwirtschaft brachten, so vollzog sich doch auch auf politischem Gebiet ein klarer Prozeß, zumal Politik und Wirtschaft durch mannigfaltige
    Wechselbeziehungen naturgemäß miteinander verknüpft sind. In unserem Jahrhundert beginnen sich die politischen Kräfte zu konzentrieren. Die einzelnen Mächte gehen in Machtgruppen auf. Immer deutlicher zeichnet sich im globalen Raum eine Ausrichtung des Kräftespiels in zwei gewaltige Lager ab. Unsere schicksalhafte geographische Lage läßt gerade uns Deutsche die ungeheure Problematik der Spaltung in Ost und West bewußt werden. Man erkennt, daß der klaren entschlossenen Ideologie des Ostens eine klare und entschlossene Verständigung der freien Völker auf der Grundlage des geistigen Erbes des Abendlandes entgegengesetzt werden muß.

    (Zuruf des Abg. Renner.)

    Die erforderliche geschichtliche Selbstbesinnung ist nur möglich, wenn das Abendland seine Fundamente neu überdenkt und ordnet.
    Die politische Gestaltung Europas ist dem Rhytmus des Fortschritts der Technik und der Wissenschaft nicht gefolgt. Die nationalistisch, hussitisch ausgerichtete Welt hat den Ruf der Zeit nicht erkannt und vielleicht zur größten Tragik unseres Kontinents bewußt nicht Folge geleistet; denn das, was Frankreich heute an der Saar tut, geschieht von dieser Seite bewußt. Durch die Isolierung jedes einzelnen europäischen Landes in Währung, Wirtschaft, Handel und Politik ist eine Atomisierung unseres kleinen Kontinents eingetreten, die ihn lebensunfähig gemacht hat.
    Aus der scheinbaren Ausweglosigkeit ist nur herauszufinden, wenn wir alle unsere Probleme von der nationalistischen Kleinstaatprüderie herausnehmen und auf die europäische Ebene heben. Der Weg zu diesem Ziel ist das erzieherische und moralische Einwirken auf den Menschen. Wir müssen in Begriffen denken lernen, die über den Rahmen des isolierten Nationalstaates hinausgehen. Zu der lebensnotwendigen Erkenntnis, daß eine weitere Rivalität der europäischen Nationalstaaten wirtschaftlich und politisch unseren Untergang bedeuten würde, muß das gemeinsame Bewußtwerden des christlichen, abendländischen Kulturgutes kommen. Nur so wird praktisch ein Ausweg gefunden werden können. Wenn wir mit diesen europäischen Bestrebungen Erfolg haben, wird unser Zeitalter von späteren Geschlechtern nicht als die Epoche der selbstmörderischen Bruderkriege und des Ablebens einer innerlich morschen Führungsschicht bezeichnet werden, sondern als der Beginn einer zweiten Renaissance, in der Europa seine traditionelle Führungsrolle mit der brüderlichen Gefährtenschaft Amerikas wieder eingenommen hat.
    Als bewußte Deutsche in den europäischen Gedanken hineinzuwachsen, das ist das Gebot der Stunde. Ein europäischer, übervölkischer Zusammenschluß bedeutet nicht die Aufgabe, sondern die einzige Möglichkeit zur Bewahrung unseres Volkstums.
    Als bewußte Deutsche und als Christen bitten wir Frankreich, im Interesse ganz Europas in Saarfragen den Kurs radikalst ändern zu wollen, denn , die Menschen des christlichen Abendlandes möchten endlich erkennen, daß das bloße Lippenbekenntnis zum Christentum dieses Abendland entchristlicht hat und daß ein bloßes Lippenbekenntnis zu Europa dieses Europa vernichten wird.
    Wir waren bereit, dem Schumanplan auf Grund meiner gemachten Ausführungen zuzustimmen. Aber wir müssen unsere Einstellung im Interesse Frankreichs und Deutschlands einer genaueren Prüfung unterziehen. Solange die französische Re-


    (Dr. Ott)

    gierung nicht bereit ist, der Saar und damit Deutschland die Rechte zu geben, die uns auf Grund des Völkerrechts gebühren, können wir niemals einem Schumanplan b e d i n g u n g s l os zustimmen. Die Verantwortung trifft einzig und allein die französische Regierung, und das französische Volk soll sich für die Folgen bei seiner Regierung bedanken.
    Wir fordern:
    Erstens: Persönliche und politische Freiheit für die saarländische Bevölkerung als Bestandteil des deutschen Volkes.
    Zweitens: Mit diesen demokratischen Grundrechten hängt die Forderung auf Aufhebung des Verbots der Demokratischen Partei des Saarlandes zusammen.
    Drittens: Verhinderung von Maßnahmen der sogenannten Saarregierung zur Entfremdung vom deutschen Volkstum und von ihrem Mutterlande.
    Viertens: Daß die Bundesrepublik Deutschland bei allen Regelungen, die das Saarland betreffen, eingeschaltet und das Saargebiet beim Friedensvertrag endgültig als freies Land dem freien Staate Deutschland angegliedert werde. Für uns ist das Saarland ein Bestandteil der deutschen Bundesrepublik!

    (Beifall.)