Meine Damen und Herren! Als das Hohe Haus in der 122. Sitzung am 1. März dieses Jahres den Antrag der Regierungsparteien auf Erhöhung der Renten um 25 %, annahm, und zwar einstimmig, wurde draußen im Lande die berechtigte Hoffnung erweckt, daß an die Verwirklichung dieser Forderung möglichst schnell herangegangen würde. Diese Erwartung ist enttäuscht worden. Daß dem Antrag durch eine Gesetzesvorlage der Bundesregierung entsprochen werden würde, durfte man um so eher annehmen, als er ja von den Regierungsparteien gestellt worden war.
Die Rentenempfänger, die Invaliden, die Witwen und die Waisen sind nun sehr stark enttäuscht worden.
Ich habe schon in meiner Rede vom 1. März dieses Jahres gesagt, wie hoch die Durchschnittsrenten der Invaliden und der Witwen sind. Wenn man weiß, daß die Renten in der Invalidenversicherung durchschnittlich bei 60 bis 65 DM und die Witwenrenten durchschnittlich bei 37 DM liegen, kann man die Empörung der Menschen draußen im Lande verstehen; und man muß sagen: sie ist berechtigt. Man möge einmal an den Auszahlungsterminen dorthin gehen, wo diese Renten ausgezahlt werden,
um die Ausdrücke der Enttäuschung und Empörung der Betroffenen zu hören. Meine Damen und Herren, diese Menschen können, wenn sie von ihren Renten oder Pensionen die Mieten bezahlt haben, kaum noch Brot, Kartoffeln, Margarine oder Marmelade kaufen.
Es ist also verständlich, daß heute ein Antrag
eingebracht wird, wenigstens ab 1. April — so
verstehe ich den Antrag — einen Ausgleichsbetrag
zu zahlen. Ich selber bin ebenso wie meine politischen Freunde an sich nicht dafür, daß man nachträglich feste Zuschläge zahlt; aber bei den Rentenempfängern ist die Notlage so groß, daß man in
diesem Fall doch überlegen sollte, ob man nicht
diesem Antrag zustimmen kann. Die Bundesregierung mag erneut Mittel und Wege suchen, um wenigstens die Nachzahlung für diese zwei Monate zu gewähren.
Ich habe nun noch ein Bedenken. Vom Herrn Bundesarbeitsminister, dessen soziale Einstellung ich keinen Moment bezweifle und noch nie angezweifelt habe, ist gesagt worden, daß die Rentenerhöhung um 25 % vorgenommen werden soll. Wie liegt die Sache nun bei jenen, die heute eine Rente bekommen, die niedriger ist als der Wohlfahrtssatz, oder bei jenen, die zusätzlich einen Betrag aus der Soforthilfe erhalten, damit Mann und Frau zusammen wenigstens die Grenze von 100 Mark erreichen? Wenn die 25%ige Erhöhung der Rente gewährt wird, aber gleichzeitig die Leistungen aus der öffentlichen Wohlfahrt in Fortfall kommen, ist den Rentenempfängern nicht gedient. So ist es auch bei jenen, die eine Unterstützung aus der Soforthilfe erhalten.
Herr Präsident, Sie erlauben doch, daß ich hier etwas verlese. — Ich habe hier eine Zuschrift von einem Rentenempfänger. Er bekommt für sich und seine Frau monatlich 82,10 DM, aus den Mitteln der Soforthilfe zusätzlich 17,90 DM, so daß er einen Gesamtbetrag von 100 DM hat. Wird jetzt eine
25% ige Rentenerhöhung vorgenommen, dann erhält der Mann 82,10 DM plus 25%; das macht einen Gesamtrentenbetrag von 102,60 DM. Vorher hat er nur 100 DM erhalten. Die Erhöhung für ihn würde demnach, wenn die Leistungen aus der Soforthilfe in Fortfall kommen, nur 2,60 DM ausmachen. Meine politischen Freunde sind der Auffassung, daß die Rentenerhöhung um 25% unter keinen Umständen auf die Leistungen aus der Wohlfahrt, aus der Fürsorge oder aus der Soforthilfe angerechnet werden dürfen. Diese 25 % müssen zusätzlich gezahlt werden, wenn wir der Notlage der Pensionsempfänger in etwa Rechnung tragen wollen.