Rede von
Walter
Seuffert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ziffer 11 des Gesetzentwurfs sieht eine Abänderung des § 32 des geltenden Einkommensteuergesetzes insofern vor, als sie einen sogenannten Plafond für hohe Einkommen einführt, wonach bei diesen die Steuer nicht mehr als 80% des Einkommens betragen darf. Wie hoch die Einkommen sind, für die das von Interesse ist, kann sich jeder selbst ausrechnen. Sie liegen bei mehreren Hunderttausend DM jährlich. Man spreche auch nicht davon, daß das nur sehr wenige Fälle seien, bei denen die Beseitigung dieser sozusagen Härte fiskalisch nicht ins Gewicht falle. Die Ziffer, die Ihnen die Begründung des Gesetzes bringt, nach der nämlich dieser sogenannte Plafond den Finanzminister immerhin 20 Millionen DM jährlich kostet, gibt Ihnen ein ungefähres Bild davon, wieviel derartige Einkommen es in Deutschland schon wieder oder noch gibt und in welchem Maße in diesen Fällen Steuergeschenke zugebilligt werden sollen.
Wir lehnen diese Bestimmung ab. Wir lehnen sie unter anderem deswegen ab, weil Sie soeben beschlossen haben, zwar den Arbeiterfrauen, die gar nicht gern ihren Haushalt tagsüber im Stich lassen, um zur Arbeit zu gehen, 100 Millionen DM in einem Jahr — und in diesem Jahr noch 40 Millionen DM — abzunehmen
— .das dürfte der größte Teil sein, trauen Sie der Steuererfahrung, fragen Sie den Finanzminister, wo der Schwerpunkt liegt! —, dagegen den Beziehern von Einkommen in dieser Höhe ohne zwingenden Grund 20 Millionen DM zu schenken.
Um dieser Auffassung unsere Auffassung gegenüberzustellen, haben wir Ihnen die Anträge zu § 32 nochmals vorgelegt, die Sie im letzten Jahr allerdings bereits abgelehnt haben. Wir machen Ihnen
mit diesen Anträgen deutlich, daß unsere Vorstellung von einem gerechten Aufbau der Einkommensteuer die ist: es ist weniger auf die Interessen der Spitzenbesteuerten und auf die dort auftretenden Härten das Augenmerk zu richten, sondern man muß zunächst einmal die gesunde und unumgängliche Grundlage des Existenzminimums, Idas jedem zukommt, im Auge haben. Dieses Existenzminimum, das bei den heutigen Verhältnissen ganz zweifellos nicht niedriger als 1500 DM jährlich liegt, muß man steuerfrei lassen. Auf dieser Grundlage muß sich die Steuerpflicht in einem System aufbauen, das es auf der einen Seite ermöglicht, familiäre und andere notwendige Begünstigungen jedem gleichmäßig zukommen zu lassen, indem ein Proportionalsatz eingeführt ist, und das auf der andern Seite die höheren und leistungsfähigen Einkommen durch eine stark progressiv gestaffelte Zusatzsteuer erfaßt. Wir befinden uns in einer Finanznot des Staates. Wir wissen, daß das nicht nur und nicht einmal überwiegend Schuld unordentlicher Staatsführung ist, daß es nicht, wie gewisse Vereine, ,die neuerdings eine große Propaganda entfalten, glauben machen wollen, nur leichtsinnige Ausgaben sind, sondern auch zwangsläufige Ausgaben, die als Finanzanforderungen an uns gestellt werden. Ich habe heute bereits einmal gesagt, daß in einer derartigen Lage die Erhöhung der Steuersätze das einzig richtige Mittel und dasjenige Mittel ist, das alle anderen Staaten außer der Bundesrepublik Deutschland in dieser Lage und in dieser Zeit angewandt haben, das man aber aus gewissen Gründen der politischen Kombination in dieser Bundesrepublik anzuwenden sich ständig weigert. Um das richtig zu machen und um auch
B) zu wissen, wen man belasten kann, muß man ein System schaffen. Wir legen Ihnen noch einmal unsere Vorstellungen von einem solchen System vor.
Zu unserem Antrag gehört der Zusatzantrag, in dem wir uns über die Grundsätze der Tarifgestaltung ausgesprochen haben, die unserer Ansicht nach zu empfehlen sind. Wir empfehlen wiederholt, statt dieses Wirrwarrs vorn Angriffen, auf die jeweils gerade angreifbar erscheinende Bevölkerungsgruppe den Finanzbedarf des Staates in gesünderer Weise zu befriedigen, nämlich dadurch, daß man die im vorigen Jahr leichtsinnig gekürzten Steuersätze wiederherstellt, allerdings nur für diejenig'enEinkommen, die das vertragen können. Die Einkommen bis zu 6000 DM vertragen es bei den heutigen Lebenshaltungskosten nicht mehr.
Wir machen Sie weiter wiederholt auf die sogenannte Tabelle B aufmerksam, die für die Einkommen bis zu 5000 DM immer noch die Bürgersteuer, eine Kopfsteuer, erhebt. Wir fordern Sie wiederholt auf, diese Tabelle B endlich verschwinden zu lassen.
Das sind im Gegensatz zu dem von uns abgelehnten Regierungs- und Ausschußantrag unsere Anträge zu § 32 a.