Rede von
Gertrud
Lockmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es tun mir leid, daß ich mich in ganz großen Gegensatz zu den eben gemachten Ausführungen stellen muß. Der Minister der Finanzen hat nämlich vor, den § 43 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung zu einem stillen Begräbnis zu bringen. Diese Maßnahme bedeutet eine Attacke auf die nach dem Grundgesetz bis zum 31. März 1953 abzuschließenden gesetzlichen Maßnahmen zur Schaffung der völligen Gleichberechtigung der Frau.
Stellt doch der § 43 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung in der bisherigen Fassung eine gewisse Gleichstellung der mitverdienenden Frau auf steuerlichem Gebiet dar. Wenn eine Ehefrau als Arbeitnehmer in einem dem Ehemann fremden Betriebe tätig war, war sie einkommen-steuerlich wie ein Mann gestellt, oder sie war einer unverheirateten Frau gleichgestellt. Insbesondere entfiel in diesen Fällen, wie ich noch später sagen werde, die ohnehin sehr angreifbare Haushaltsbesteuerung von Eheleuten.
Dieser noch im Steuerrecht vorhandene Rest von Gleichberechtigung soll durch diese Reform auch noch still und leise beseitigt werden. Es muß festgestellt werden, daß die von der Bundesregierung beabsichtigte Streichung des § 43 an eine Rechtsentwicklung anknüpft, die 1934, also nach dem denkwürdigen Jahre 1933, schon einmal begonnen hat. Der § 43 hat nämlich seit 1925 schon verschiedene Wandlungen, man muß sagen, Konjunkturwandlungen durchgemacht. Immer dann, wenn man glaubte, den Arbeitsmarkt unter Steuerdruck regulieren zu können, geschah es über den § 43 der Einkommensteuer - Durchführungsverordnung auf Kosten der mitverdienenden Ehefrau.
Von 1925 bis 1934 waren' die Einkommen der mitverdienenden Ehefrauen aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit von der Zusammenveranlagung ausgenommen. Im Jahre 1934 aber, als nachgewiesen werden sollte, daß die Arbeitslosigkeit überwunden war, wurde die uneingeschränkte Zusammenveranlagung der Ehegatten wiedereingeführt. Die damalige amtliche Begründung läßt erkennen, daß man damals die mitverdienende Ehefrau aus dem Arbeitsprozeß heraushalten wollte. Als man sie aber im Jahre 1941 wieder einmal als Arbeitskraft — sei es sogar durch Dienstverpflichtung oder sei es freiwillig — brauchte, besann man sich darauf, jetzt den Grundsatz der Zusammenveranlagung wieder aufzugeben und die mitverdienende Ehefrau wenigstens mit ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wieder aus der Zusammenveranlagung herauszunehmen. Hieran hat man mit dem § 43 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung bisher festgehalten.
Anstatt nun diese Entwicklung in Verfolg der Verwirklichung des Grundgesetzes fortzusetzen, macht man wieder einmal kehrt, und zwar offensichtlich wiederum aus Gründen, von denen sich auch der Gesetzgeber von 1934 hat leiten lassen. Für den Bundestag aber muß bei jeder Gesetzesreform das Grundgesetz entscheidend sein, auch im Hinblick auf Art. 3 des Grundgesetzes. Es wäre nicht sinnvoll, ja es wäre eine bewußte Abkehr von Art. 3 des Grundgesetzes, wenn man ein Steuergesetz beschließen würde, das den Grundsatz der Gleichberechtigung der Frau mißachtet. Das Vorhaben der Regierung, die uneingeschränkte Zusammenveranlagung der Eheleute wiedereinzuführen, tut dies aber.
Der gesetzliche Güterstand mit dem Verwaltungs- und Nutznießungsrecht des Ehemannes ist die Grundlage für die Zusammenveranlagung der Eheleute im Steuerrecht. Die tatsächlichen Verhältnisse lassen aber keinen Zweifel darüber, daß der gesetzliche Güterstand überlebt ist und die nach dem geltenden bürgerlichen Recht vertraglich zulässige Gütertrennung der anzustrebende eheliche Güterstand sein muß. Die Reform des bürgerlichen Rechts wird Gütertrennung als Voraussetzung haben müssen, wenn sie dem Grundgedanken des
0 Art. 3 des Grundgesetzes gerecht werden will. Diese Rechtsentwicklung schließt ganz einfach auch die Gleichberechtigung der Frau im Steuerrecht ein.
Der im Bundestag vorliegende Antrag auf Gesetzesänderung geht konsequent von diesem Grundsatz aus. Der Bundesminister hat nun errechnet, daß die Wiedereinführung der Zusammenveranlagung ein Steuermehraufkommen von jährlich 100 Millionen DM erbringen soll. Diese Summe soll allein von der mitverdienenden Ehefrau aufgebracht werden.
Es ist nicht nur eine steuerliche Ungerechtigkeit, sondern es kommt einer Bestrafung auf Grund der Verheiratung gleich,
und es ist festzustellen, daß auf Grund dieses Umstandes die Heiratsfreudigkeit um ein wesentliches nachlassen könnte,
ganz im Gegensatz zu dem, was man zum Aufbau einer guten Familie braucht.
Ich möchte den Herrn Bundesfinanzminister fragen, ob er gewillt ist, sich für 100 Millionen DM die Gunst der verheirateten Frauen zu verscherzen,
und ich kann mir vorstellen, daß auch ein Bundesminister ohne die Gunst der Frauen nicht zu leben vermag.
Nach der Einkommenstruktur Westdeutschlands verdienten 1950 nur 7,6 % aller Erwerbspersonen mehr als 550 DM monatlich und nur 4,4 % mehr als 700 DM. Dieser Prozentsatz ist so klein, daß man ihn für steuerliche Überlegungen nicht einzustellen braucht. Alle Erwerbspersonen aber, die unter 550 DM monatlich verdienen, sind als Ehegatten zwingend darauf angewiesen, daß beide Teile in irgendeiner Form erwerbstätig sind.
Wenn man einen für eine Ehe wirtschaftlich guten Grund schaffen will und wenn man den Aufbau einer Ehegemeinschaft sichern will — unter ganz besonderer Betonung der Flüchtlingsfamilien und der Ausgebombten —, dann sollte man von solcher Maßnahme Abstand nehmen. Es ist eine staatsbürgerliche und steuerliche Ungerechtigkeit, gerade bei diesen' Personenkreis eine höhere steuerliche Leistungsfähigkeit zu unterstellen und die Einkünfte der Ehegatten durch Zusammenrechnung einer höheren steuerlichen Belastung zu unterwerfen, indem man die Ehegatten nicht getrennt veranlagt. Die Ehefrau als Hausmütterchen — und ich muß jetzt sagen: der Typ ist uns eigentlich eben vorgetragen worden —
im überlebten bürgerlichen Sinn dürfte doch nur noch in der Phantasie einer Generation bestehen, die auf Grund von Alter und gesellschaftlichem Herkommen nicht mehr in der Lage ist, umzulernen.
Aus diesem Grunde bitten wir Sie, der Gesetzesänderung zuzustimmen.