Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um zu den beiden vorliegenden Anträgen und zu dem Ausschußantrag Stellung nehmen zu können, muß man sich zunächst einmal klarmachen, was mit der Streichung des § 10 a und der Umgestaltung des § 10 eigentlich geschehen ist. Diese Umgestaltung bedeutet, daß Sie für kleinere und mittlere Unternehmen — für die größeren Unternehmen hat der § 10 a behauptungsgemäß ja niemals ausgereicht; für diese größeren Unternehmen führen Sie auch den Plafonds von 80 % neu ein und wollen den § 32 a wenigstens in der allerdings unzulänglichen Form des § 32 b weiterführen — den § 10 a streichen. Das bedeutet allgemein erwünschtermaßen den Wegfall der Begünstigung der Selbstfinanzierung. Es bedeutet den Wegfall der Begünstigung der Zahlung von Lastenausgleichsabgaben — ein Punkt, den man sich immerhin überlegen müßte — und den Wegfall der Begünstigung dafür, daß man Beträge nicht aus dem Betrieb entnimmt, um die Schulden des Betriebes zurückzuzahlen oder z. B. an seine Kunden oder an seine Lieferanten Kredit zu gewähren; das letztere in einem Augenblick, in dem Sie Kreditrestriktio-
nen durchführen wollen — so schematisch, wie Sie etwas Derartiges durchzuführen pflegen, aber immerhin durchführen wollen —, die auch einen Erfolg erzielen sollen. In einem solchen Augenblick begünstigen Sie diese Dinge steuerlich nicht mehr. Ich zweifle sehr, ob die Rückzahlung der bekanntlich sehr hohen Schulden der Betriebe unter solchen Voraussetzungen in dem wünschenswerten Tempo und Ausmaß möglich sein wird.
Was jetzt in § 10 vorgesehen ist, ist einschließlich seiner Erweiterungen kein Ersatz für das, was der § 10 a bisher geboten hat, ganz abgesehen davon, daß durch die Überführung von Mitteln aus dem Rahmen des § 10 a in den Rahmen des § 10 zwangsläufig die Kreditunterlagen der Betriebe gefährdet werden müssen. Ich weise noch einmal darauf hin, daß man derartige Maßnahmen, wie sie notwendig zu sein scheinen, um unerwünschte, unnötige und schädliche Investitionen einzuschränken, nicht treffen kann, ohne gleichzeitig ein wirkliches Investitionsprogramm und eine wirkliche Zielsetzung zu richtigen und ausreichenden Investitionen zu haben. Ich wäre in der Lege, Ihnen aus der Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer, die Sie wahrscheinlich kennen, noch mehr vorzulesen als z. B. nur den Satz, daß „sich diese Vorlage als eine eindeutige Schädigung der Grundlagen der einzelnen Unternehmen ohne Nutzeffekt für die Volkswirtschaft erweist", eine Stellungnahme, der ich mich vom volkswirtschaftlichen Standpunkt weitgehend anschließen möchte. Auf der anderen Seite hat der Gewerkschaftsbund eindeutig erklärt:
Da die geplante Einschränkung der Selbstfinanzierung nicht automatisch entsprechende zusätzliche Fremdfinanzierungsmöglichkeiten schafft, vielmehr anzunehmen ist, daß die bisher investierten Selbstfinanzierungsmittel nunmehr zur Deckung der laufenden Haushaltsausgaben dienen, muß die staatliche Wirtschaftspolitik alles daran setzen, wenigstens den Umfang der bisherigen Investitionen zu halten und hierbei durch geeignete Lenkungsmaßnahmen vor allem die Finanzierung der volkswirtschaftlich vordringlichen Investitionen sicherzustellen.
Genau das ist es, was wir in diesem Gesetz vermissen.
Ich glaube wirklich, meine Damen und Herren, Sie befinden sich mit diesem Gesetz in Widerspruch zu so ziemlich allen Sachverständigen. Ich glaube nicht zuviel zu sagen und kein Geheimnis zu verraten, wenn ich behaupte, daß auch die Sachverständigen aus Ihren Reihen in diesem Hause diesem Gesetz gerade in dem Punkt, über den wir jetzt sprechen, mit den allergrößten Bedenken gegenüberstehen. Der Kernpunkt ist doch der: Wenn man akuten Steuerbedarf hat, wie etwa heute, so wird das richtige Mittel dazu sein, die Steuersätze zu erhöhen. Voraussetzung dafür ist allerdings ein Steuersystem, in dessen Rahmen man die Steuersätze erhöhen kann und dabei auch übersehen kann, Wen man dabei trifft und was man damit erzielt, statt nach der bisherigen Methode bei auftretendem fiskalischen Bedarf sich jeweils den schwächsten Teil auszusuchen, der meistens auch der wirtschaftlich schwächste ist. Beides, Erhöhung der Steuersätze und systematische Erneuerung des Steuerrechts, haben Sie aber hartnäckig abgelehnt.
Auf der anderen Seite: Wenn man zu einer gewissen Umkehr in der Investitionspolitik kommt, so muß man ihr auch ein Positives entgegensetzen,
d. h. man muß eine Wirtschaftspolitik treiben, die wirkliche Investitionssicherung und Investitionslenkung bedeutet und dabei das Anlage- und Ausbaubedürfnis der Unternehmen selbst auch berücksichtigt; denn auch Unternehmen haben ein Existenzminimum in bezug auf ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Wenn man aber in der Art und Weise, wie es bisher betrieben worden ist, nach fiskalischen Gesichtspunkten vorgeht und sich daneben weigert, eine Wirtschaftpolitik zu betreiben, dann resultiert aus einem solchen Verhalten ein Gesetz wie das vorliegende. Das ist das Zusammenspiel: fiskalischer Bedarf und daneben die Tatsache, daß der Finanzminister keine Wirtschaftspolitik treiben und deswegen keine positiven Vorschläge machen kann, wie das in der Begründung eindeutig ausgesprochen ist. Dazu kommt weiter die Tatsache, daß wir einen Wirtschaftsminister haben, der, wie ich neuerdings gehört habe, sich öffentlich gerühmt hat, er sei stolz darauf, daß er keine Wirtschaftspolitik betreibt. An diesem Gesetz zeigt sich das Zusammenspiel eines planlosen Fiskalismus und entweder der Unfähigkeit oder des hartnäckigen Nicht-Wollens, überhaupt Wirtschaftspolitik zu treiben.
Wir sind weit davon entfernt, die Schuld für all das, was wir vorzubringen haben, einseitig dem Finanzminister aufzubürden, der in dieser Beziehung nur das Opfer der Verpflichtung ist, eine Koalition durch fiskalische Maßnahmen zu stützen, die in Wirklichkeit längst nicht mehr regierungsfähig ist, sondern nur noch eine Abstimmungskombination darstellt, die von Sitzung zu Sitzung mühsam zusammengehalten wird.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie auf eines aufmerksam machen. Aus der Begründung der Vorlage ersehen Sie, daß sich der Finanzminister durch den Wegfall des § 10 a einen Steuergewinn von 200 Millionen erhofft. Es ist jetzt von einer Regierungspartei beantragt, den § 10 a mit dem Satz von 10 % aufrechtzuerhalten. Ich schätze, daß das dem Steuerprogramm des Finanzministers mindestens 100 bis 150 Millionen DM kosten wird. Ich mache weiter darauf aufmerksam, daß in derselben Begründung festgestellt ist, die Aufhebung der Grenze von 15 000 DM im § 10 koste 30 Millionen DM. Diese Aufhebung der Grenze ist lediglich im Hinblick auf den Wegfall des § 10 a beantragt und zu rechtfertigen versucht worden. Ich sehe noch keinen Antrag, daß man diese Grenze im § 10 nun wieder aufheben will. Man will also dem Finanzminister nicht nur die 150 Millionen DM — § 10 a —, sondern auch noch diese 30 Millionen DM — § 10 — wegnehmen. Ich wäre neugierig, zu hören, was der Herr Finanzminister dazu sagt.
Wir werden den Anträgen, die in der Debatte gestellt worden sind, nicht zustimmen. Wir werden aber auch der Aufhebung des § 10 a in dieser Form nicht zustimmen können, weil diese halbe und deswegen schädliche Maßnahme nicht durch das ergänzt wird, was zu ihrer positiven und wirtschaftlich wirksamen Ergänzung notwendig wäre. Wir werden Ihnen die Verantwortung für diese widerspruchsvollen Dinge überlassen und uns bei diesem Punkt der Stimme enthalten.